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Schönen namentlich auf S. 89 schreibt. Das Schöne ist das Symbol des Geistigen, Erscheinung, Sichtbar-, Greifbarwerdung des Idealen und nur darin liegt sein Werth". Form und Idee (Wahrheitsgehalt) müssen in innigste Beziehung treten. Geistreich wird im Einzelnen das Verhältniß von Kunst und Wissenschaft geschildert. Mit Recht wird die Eindrängung des Lehrhaften in die Kunst wie die Behandlung der ernsten Forschung als eines Spiels der Phantasie, wie es im modernen. Feuilletonstil geschieht, als eine Vermischung der Grenzen von Kunst und Wissenschaft und damit als ein Uebel bezeichnet. „Der Romanschreiber, der dem Schulmeister ins Handwerk pfuscht, ist gerade so widerlich wie der Professor, der mit schauspielerischen theatralischen Geberden, klingenden Phrasen um sich wirst".

In dem Kapitel über das Verhältniß des Schönen. und Guten wird Schiller viel Aufmersamkeit geschenkt. Mit Schiller sieht der Verfasser im verfeinerten Kunstsinn auch eine Vorstufe sittlicher Cultur und im Mangel an Schönheitssinn ,,ein Zeichen, daß auch der moralische Mensch noch nicht alle Raupenhäute abgestreift hat". Aber er verkennt auch nicht die bedenkliche Seite, welche der sonst veredelnde Einfluß der Kunst haben kann. Jedenfalls ist der Schönheitssinn, sagt der Verfasser, da, wo er allein das Leben und seinen Ernst regeln und leiten will, völlig unzureichend. Der Musentempel ist feine Kirche, und Theaterhelden sind keine Tugendhelden". Gegen die Schöngeister, welche glauben, Großes gethan zu haben, wenn sie im plüschbesezten Logensitz von fremden Tugenden gerührt sind und dabei lächelnd auf die andern kirchengläubigen Menschen herabschauen, führt M. eine scharfe Sprache.

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Zu den Besonderungen des Schönen" gehört das Tragische und das Lächerliche. Vielleicht wäre der Begriff des Tragischen noch etwas gründlicher zu untersuchen gewesen.1) Die wichtige Frage der tragischen Katharsis ist nicht näher behandelt, sondern auf S. 149 nur flüchtig angedeutet. Wenn Müller Neger, Malayen, Mongolen für tragische Rassen erklärt,

1) Eine vorzügliche Erklärung des Tragischen gab der Convertit Daumer.

Histor..polit Blätter CXXI. (1898.)

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so dürfte das doch gewagt erscheinen. Zum Begriff des Tragischen gehört doch nothwendig, wenn es vom Traurigen unterschieden .werden soll, das Moment des Erhebenden, innerlich Reinigenden. bezw. Befreienden. Worin soll das bei den genannten Völkern liegen? Aus dem gleichen Grund ist der Sah S. 141: „Tragisch ist das protestantische Dogma von der Unfreiheit des Menschen u. s. w.", zu beanstanden. Dagegen ist dem Verfasser vollständig beizustimmen, wenn er den physischen Tod nicht für eine poetische Nothwendigkeit der Tragödie hält, und wenn er auch in der Plastik und Malerei (Christus, Laokoon u. s. w.) Tragisches findet, sowie in der Natur, nur sind hier die Grenzen nicht zu weit auszudehnen.

Das Lächerliche, definirt der Verfasser, besteht in einem Contrast zwischen zwei Vorstellungen, die mit einander scheinbar berechtigt verbunden sind und zwischen denen doch ein klaffender Widerspruch obwaltet". Den Wiz bezeichnet M. als kalt, herzlos, indifferent, ja dem Guten, der Sitte und Religion eher feindlich als gut gesinnt, weßhalb die gemüthlosen, die Verstandesmenschen, die Berliner, die Franzosen, die Juden am meisten Wige haben.

Den Humor definirt M. als die komische, aber sympathische Behandlung einer Person oder Sache auf dem Hintergrund eines edlen und froh gestimmten Gemüthes. Er sei nicht, meint M., absolut freie Stimmung, die schlechthin keinem Ernst sich gefangen gebe, wie ihn Köstlin auffasse; er bestehe auch nicht, wie Jean Paul definire, in Weltverachtung. Wenn der Verfasser diese beiden Anschauungen ablehnt, wollte er offenbar nicht das relativ Berechtigte daran leugnen. Denn wenn der Humor auch nicht gerade in Weltverachtung besteht, so entwickelt er sich doch gern auf Grund derselben, was man an Ordensleuten gut beobachten kann. Der Humor ist das Gegentheil des falten Verstandeswißes und seßt eine edle sanfte Gemüthsstimmung voraus. Die sanfte Gemüthsstimmung allein thuts freilich nicht, sonst hätten ihn auch die Frauen, diesen spricht ihn aber M. (S. 161) im Allgemeinen ab.

Vorzüglich ist der Abschnitt über „Natur und Kunst“. In der Darstellung der Geschichte des Naturgefühls liest man mit Genuß, was über die herzliche Minne der mittelalterlichen

Menschen, besonders über die liebliche Naturbetrachtung des Mystikers Suso und den innigen Gottessinn des Hl. Franz von Assisi angeführt ist. Nach der Geschichte des Naturgefühls behandelt M. das Schöne der unorganischen und das der organischen Natur. Bei leßterem verbreitet sich der Verfasser auch über die Weisheit des thierischen Instinkts und giebt vom Pferd, Rind, Hund eine allgemeine Charakteristik, während im Rahmen einer Aesthetik nur das rein Aesthetische oder Unästhetische eines Thieres hätte zur Behandlung kommen sollen. Kurz, aber schön ist das Aesthetische im Antlig und Körperbau des Menschen hervorgehoben. Die Frage, ob der männlichen. oder weiblichen Schönheit die Palme gebühre, hält M. mit Recht für eine müßige.

Die einzelnen Künste (Baukunst, Bildnerkunst, Malerei u. s w.) sind kurz, aber trefflich charakterisirt. Mit Recht wird getadelt, daß man unter Gemälden neuestens Farben ohne Zeichnung, improvisirte Farbenharmonien findet, welche an Kerners Figuren aus Tintenflecksen erinnern. In längerem Abschnitte wird die Musik und das musikalisch Schöne besprochen. M. weist die rein formalen Theorien, welche die Hauptwirkung der Musik im sinnlichen Wohlklang und dergl. erblicken, mit aller Schärfe zurück. Nur aus dem Drang der idealerregten Seele könne die Musik hervorgegangen sein. Dem Musikalischschönen liegen Ideen zu Grunde.

Der sonst vielfach gefeierte Musikkritiker Hanslick mit seinem klingenden Nichts" fommt bei M. schlecht an. M. geht mit Grund davon aus, daß Gesang und Musik Ausdruck des seelischen Lebens, und deßhalb geht er den Materialisten und Darwinianern in der Musik, sowie den Herbartianern und Mathematikphilosophen, denen das Architektonische in der Musik über alles geht, scharf zu Leibe. Gänzlich falsch sei es, daß diese Kunst nur das Allgemeine einer Stimmung, eines Affekts ausdrücke. Vielmehr drücke sie das Concrete, Individuelle, Specifische eines Gefühls ganz deutlich aus. Die Gefühle seien nichts Unklares, deßhalb könne man auch die Musik, die Sprache der Gefühle, nicht unklar nennen. Es liegt gewiß viel Wahres in dieser Auffassung. Aber doch muß man sagen: Die Klarheit der Gefühle ist eine andere als die des Verstandes;

die Musiksprache ist eher mißverständlich und weniger leicht zu verstehen, als die Sprache des Dichters. Wenn auch nach Wagner die Musik das tönende Geheimniß ist, so ist sie doch noch Geheimniß. Der große Meister, Tonkünstler kann allerdings bestimmte concrete Gefühle in die Composition hineinlegen. Aber bei vielen Musikwerken, Symphonien, Sonaten würde auch der tüchtige Musikkenner in Verlegenheit kommen, wenn man ihn fragen würde: „welche Idee, welches bestimmte Gefühl drückt gerade dieser Theil des Werkes aus?" Ja wir haben im Gebiet der Musik Erscheinungen, wo ganz denselben Noten verschiedene und entgegengeseßte Stimmungen, Gefühle, bezw. Ideen zu Grunde gelegt sind. M. sagt übrigens selber ganz schön Die Tonsprache spricht die tiefste Weisheit aus, aber in einer Sprache, welche über die Vernunft hinausgeht, sie ist flar, aber nicht für den reflektirenden Verstand". Sie spreche die innerste Seele der geistigen Affekte aus und dringe bis dahin vor, wohin der Verstand nicht reicht, wo die Begriffe versagen.

Von den Arten der Dichtkunst sind namentlich das Epos und die Lyrik geistreich und schön zur Darstellung bezw. Würdigung gekommen. Als ein Elend unserer Romane bezeichnet M. das leidige Reflektiren und Schulmeistern über alle möglichen Gebiete. M. sieht aber auch wie andere Aesthetiker im Roman einen Ersatz für das Epos der Alten. Eine ausführliche Besprechung findet die Kunst des Vortrags im Schauspiel und in der Recitation. Geradezu in erhabener Sprache preist der Verfasser die beseclte Stimme. Mit Wehmuth schildert er die schöne Zeit, wo der Heldengesang im lebendigen Kreise zur Harfe vom Dichter selbst gesungen wurde, wo die schöne Haus- und Familienpoesie sich mündlich fortpflanzte in Liedern, Sprüchen. Erzählungen am abendlichen Herd.

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Den Schluß des so vielfach anregenden Buches bildet das Kapitel von der Verbindung der Künste". Eine Eigen: thümlichkeit des Verfassers ist, daß er das Drama erst in diesem als eine Vereinigung von drei Künsten: Poesie, Mimik und Malerei behandelt. Er gibt zwar seine Gründe dafür an; aber Müllers Auffassung trifft im strengen Sinn nur die Dramen, welche auf der Bühne aufgeführt werden, schließt also die Lesedramen aus. Wenn auch Mimik und Malerei im Drama eine Rolle spielen, so ist die Poesie darin doch weitaus die vorherrschende Kunst.

Schönthal.

Dr. Vögele.

LXXX.

Diesseits von Feuerbach und Darwin.

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Im Maiheft der deutschen Rundschau“ handelt W. Bölsche über Paul Heyse als Lyriker. Es werden da Zerwürfnisse und Zwistigkeiten beklagt, die zwischen dem jüngsten Deutschland und dem genannten Dichter aufkamen. Seltsame Verwicklungen“, seufzt der Verfasser. Es sei doch P. Heyse gewesen, der mit seinen „Kindern der Welt“ „ein Pfingstwehen (!) in die deutsche Literatur“ gebracht, weil er das Diesseits, die Welt der Wirklichkeit für das wahre Reich des Dichters erklärte, gegenüber aller heiligen Autorität des Mystischen“. „Und zum erstenmal, darf man wohl sagen, erstand in den Heyse'schen Dichtungen jener Zeit die moderne Weltanschauung, sagen wir einmal diesseits von Feuerbach und Darwin, dichterisch verarbeitet und verflärt (S. 276).

Wie ersichtlich wird hier die alte Klage erhoben, die in Voltaires Briefen wohl mehr als hundertmal vorkommt: Zwietracht herrscht unter den Aufgeklärten! In etwas verschämter Weise wird zugleich eine Friedensfahne ausgehängt : Sind nicht alle Eins in der modernen Weltanschauung diesseits von Feuerbach und Darwin!

Wir möchten ein Wort darüber sagen, warum diese Zwietracht nie aussterben kann und alle Schlichtungsversuche vergeblich sind; warum bei uns nur Meinungsverschieden

Histor..polit. Blätter CXXI. (1898).

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