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Sarl, bemerkt H., beschränkte sich nicht auf Erhaltung der äußeren Ordnung in kirchlichen Dingen, er arbeitete an der inneren Erneuerung der Kirche. Das wichtigste Mittel, dessen er sich bediente, war die Pflege der Theologie. Als Karl die Regierung antrat, war die fränkische Kirche völlig theologiclos, es fehlte alles, was auch nur entfernt auf den Namen wissen= schaftlicher Thätigkeit Anspruch machen konnte. In diesem Punkte war der Unterschied zwischen England und Deutschland

Als er starb, war der Vorsprung Englands nicht nur verschwunden, England war überholt; nun deckte sich fränkische Theologie und abendländische Theologie überhaupt. Taß es dazu fam, ist Karls Werk: es ist das Größte, Reinste, was er für die Kirche geleistet hat" (116).

Der hervorragendste Mann am Hofe Karls war Alkuin, mit dem Karl 781 in Parma zusammentraf. Die Charakteristik dieses Gelehrten zeigt, in welchem Grade H. die besten Eigenschaften eines Literarhistorikers und Geschichtschreibers verbindet und wie geschickt er die Forschungen seiner Vorgänger verwerthet. Mit demselben Geschick werden die andern bedeutenden Männer wie Paulus Diakonus, Theodulf 2c. gezeichnet. „Karl gelang es, alle hervorragenden literarischen Persönlichkeiten der Zeit an seinem Hofe zu versammeln. Unmöglich aber hätten. fie so viel gewirkt, als der Fall war, wenn sie nicht auf empfänglichen Boden verpflanzt worden wären. In der That waren im fränkischen Reich die Vorbedingungen für einen Aufschwung der Bildung in höherem Grade vorhanden, als man auf den ersten Blick vermuthen möchte" (S. 159).

Ueber die Schulen unter Karl ist viel geschrieben worden, wir bemerken nur, daß auch der Volksunterricht nicht vernach lässigt wurde, wie aus einer von H. citirten Verordnung des Bischofs Theodulf hervorgeht, die sicher nicht allein stand. Man betrachtete es als eine der Amtspflichten der Geistlichen, für Erwerb von Büchern zu sorgen. Das ist überall geschehen, denn man fing wieder an, die Bücher zu lieben. Man kanute faum kostbarere Geschenke als sie, und was vielleicht noch bezeichnender war, man bedauerte denjenigen, dem kein großer Büchervorrath zu Gebote stand" (183). Es gelang wohl nicht, originale Produktivität zu wecken, alle, auch die besten, re

producirten nur, jedermann arbeitete mit fremden Ideen. Wir möchten jedoch diese Nachahmung den Zeitgenossen Karls nicht mit H. zum Vorwurf machen, denn die Geschichte der Literatur zeigt uns, daß die etwas sklavische Nachahmung eine Vorstufe zur selbständigen freien Verwerthung der fremden Literatur sei.

Sehr schön wird die Wirksamkeit Karls also hervorgehoben: „Fragt man nun, was Karl für die Kirche und durch die Kirche erstrebte, so ist unverkennbar, daß er sie als ehrwürdige und mächtige Institution verehrte und daß er in ihr die werthvollste Stüße für die Ausbreitung der Cultur erkannte. Beides beweist seinen klaren Blick: größer jedoch ist er darin. daß er der religiösen Aufgabe der Kirche volles Verständniß entgegenbrachte. In allen seinen Maßregeln tritt das hervor, mögen sie sich auf das Amt der Bischöfe, auf die Thätigkeit der Priester, auf die Zustände der Gemeinden beziehen. Durch ihn erhielt der Episkopat jene leitende Stellung innerhalb der Diöcese, welche Bonifatius und Pippin für ihn erstrebt hatten" (207).

H. bestreitet, daß Karl von Anfang an die Absicht gehabt habe, das sächsische Gebiet dem Frankenreich einzuverleiben und deshalb die Sachsen zur Annahme des christlichen Glaubens zu nöthigen Er verlangte nach dem Feldzug von 772 Geiseln nur als Bürgschaft für die Sicherheit des Friedens. Auch 775 war unter den Friedensbedingungen die Annahme des Christen: thums nicht zu finden, erst 776 wurde die religiöse Frage an geregt: die Sachsen erboten sich freiwillig zur Taufe (cf. S. 341). Wohl nirgend ist die tiefgreifende Wirksamkeit Karls des Großen so trefflich geschildert worden. Selten, sagt H., ist ein Maun unerseßlich; Karl der Große war es. Ueberall in der abendländischen Welt bemerkte man, daß er nicht mehr war. So lange er lebte, hatte sein mächtiger Wille die auseinanderstrebenden Verhältnisse zusammengezwungen; nun da er todt war, gewannen die centrifugalen Kräfte das Uebergewicht. Sein Sohn Ludwig war in fast allen Dingen das Gegentheil des Voters und der schwierigen Aufgabe nicht gewachsen, mehr geeignet für das Kloster als für den Thron.

Das Hineinragen der weltlichen Macht in das geistliche Gebiet, der mächtige Einfluß, den Karl der Große auf das

kirchenthum und die kirchliche Lehre geübt, sollte nicht fortdauern; die Kirche, die unter dem Schuße Pippins und Karls am Kraft gewonnen, sollte sich selbständig gestalten und lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. So nachtheilig die Schwäche Ludwigs des Frommen auf dem politischen Gebiete war, so nugbringend war sie auf dem geistigen Gebiete. Ein stärkerer Herrscher als Ludwig und Lothar, hätte die Bemühungen der Kirche und des Papstthums, die frühere Unabhängigkeit wieder zu erlangen, mit aller Energie bekämpft, nicht so Ludwig der Fromme, der durch seine Nachgiebigkeit den Conflikt zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt verhindert hat. Wie die Träger des Papstthums unter der Herrschaft Pippins und Karls sich unter die weltliche Macht gebeugt, so beugten sich jezt die Nachkommen Karls des Großen unter die gewaltigen geistlichen Herrscher Roms wie Nikolaus I. Die Machtsphäre der geistigen und weltlichen Gewalt war nicht genau umgrenzt, die eine Macht griff in das Gebiet der andern hinüber, erst nach einem Jahrhunderte dauernden Kampfe klärten sich die Ideen, kam man zu einem modus vivendi. Nikolaus I. war der Träger der päpstlichen Ideen, denen er Geltung zu verschaffen suchte, während die Juristen am kaiserlichen Hofe die alten Ideen vertraten. Die Charakteristik dieses Papstes zeigt H's. Meisterschaft. Nikolaus war einer der wenigen Männer, von denen man sagen kann, daß sie sich mit einer Idee iden tificiren. Vom ersten Tage seiner Herrschaft war er klar darüber, was er wollte. Die Anschauungen, für welche er kämpfte, haben sich während der Jahre seiner Thätigkeit nicht erst gebildet, sie sind wie aus einem Guß; Erfolge haben seine Ansprüche nicht gesteigert, Schwierigkeiten haben sie nicht herabgestimmt; mit bewundernswürdiger Consequenz hat er an ihnen festgehalten, mit rücksichtsloser Energie sie vertreten, oft mehr gehindert durch die Unzuverlässigkeit seiner Diener als durch den Widerstand seiner Gegner. Aber nie fam ihm ein Zweifel an ihrem Recht und ihrem schließlichen Siege. Keine Gelegenheit ließ er vorübergehen, um sie zu verkündigen, und nie hat er sie verleugnet oder verhüllt; es war kein hohles Wort, wenn er einmal versicherte, lieber wolle er sterben, als die Vernichtung eines römischen Rechtes zulassen" (491-192).

Wie H. dem Papst gerecht zu werden versteht, so be: urtheilt er auch die Fälschungen des Pseudoisidor weit billiger, als seine Glaubensgenossen. „Man könnte, urtheilt H., geneigt sein in der Fälschung einfach einen Beweis des schrankenlosen Nebermuths der Hierarchie zu erblicken. Aber das wäre schwerlich zutreffend. Die Menge von Vorschriften, die sich auf das innere Leben beziehen, sind sicher nicht nur zu dem Zwecke beigefügt, um den Betrug zu verhüllen. Sie zeigen vielmehr, daß die Fälscher durchdrungen waren von Schmerz über den Verfall der kirchlichen Zustände, der seit dem Tode Karls begonnen hatte Die Befreiung des Episkopates sollte schließlich doch nicht persönlichen Interessen, sondern der Hebung der Kirchen dienen; nicht die Herrschsucht, sondern die Noth hat einen oder etliche der gelehrten Theologen des neunten Jahrhunderts zu Betrügern gemacht Entschuldbar sind sie deshalb nicht, aber es ist doch begreiflich, wie der Gedanke entstehen konnte, durch Fiktionen Bestrebungen zu unterstüßen, von deren Berechtigung und Nothwendigkeit man fest überzeugt war" (490-1). Ueber die durch Nikolaus errungenen Erfolge äußert sich H. also: „Während der Zustand blieb, waren die Ueberzeugungen andere geworden. Widerspruch gegen Rom galt als Empörung gegen Gott; nichts schien so festzustehen als die Unfehlbarkeit des Papstes; offen sprachen es die Bischöfe aus, daß sie ihm zu gehorchen verpflichtet seien, auch wenn er ihnen kaum erträgliche Lasten auferlege“ (516).

Besonders lehrreich ist das dritte Kapitel: „Die literarische Bewegung seit dem Tode Karls des Großen". Der Hof hört auf, den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Lebens zu bilden, das Interesse für die Wissenschaft beschränkte sich mehr als bisher auf gewisse enge Kreise auf die Klöster. „Die Mönche, sagt H., haben weiter studirt und excerpirt, Verse gemacht und Commentare zusammengetragen. Sie übertrafen an Kenntniß der patristischen Literatur bald die Theologen Karls; Hraban war ohne Zweifel gelehrter als Alkuin. Aber das war ein kleiner Gewinn, denn sie verloren je länger je mehr den freieren und weiteren Blick, den jene dem Verkehr mit dem Kaiser verdankten“ (557). Eins hatten die Schulen vor denen Karls voraus, daß sie Pflegestätten deutscher Sprache

und Bildung wurden (570). Die Domschulen wurden von den Klosterschulen weit übertroffen. H. faßt sein Urtheil über diese Literaturperiode in die Worte zusammen: „Zwar hörte die gelehrte Thätigkeit nicht auf und wurde der Umfang des Wissens, über welcher die Zeit verfügte, nicht geringer. Aber die Theilnahme der Laien am literarischen Leben war erloschen; und unter dem Klerus schwand ebenso sehr das Interesse an der allgemeinen Bildung als der Rest eigener Produktivität auf dem theologischen Gebiete" (611). Die Woge des Lebens steigt zwar auf und ab, aber ganz zerfließt sie nie. In gewissen Perioden machen sich eigene Bedürfnisse geltend, welche die Literatur in den Hintergrund drängen: aber gerade in diesen Perioden entdeckt man die Ansäße zu frischen und fruchtbaren Keimen. So war es auch hier: die Beschäftigung mit der vaterländischen Sprache bereitete die erste Blüthenperiode der deutschen Literatur vor. H. hätte hierauf aufmerksam machen sollen. Die deutschen Missionsunternehmungen werden ziemlich kurz abgehandelt. Weit wichtiger ist das lezte Kapitel „Ergebnisse“, das also eingeleitet wird: Der Niederschlag der Thaten und Ereignisse sind die Zustände. Nach ihnen muß man deshalb forschen, wenn man die Ergebnisse der Arbeit einer geschichtlichen Epoche erkennen will“ (649).

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Das ganze Kapitel verdient studirt zu werden. Wenn man auch nicht in allen Punkten dem Verfasser beistimmen kann, so kann man nicht umhin, den Scharfsinn und das Streben nach Unparteilichkeit anzuerkennen. Schäden und Mißbräuche sind nur zu häufig, aber sie wurden als solche erkannt und nach Kräften abgestellt. Besonders ernst und lang war der Kampf gegen abergläubische Gebräuche, welche das Volk nicht aufgeben wollte. Der Sat: „Wer möchte leugnen, daß die Durchführung der Beichte Beweis eines sittlichen Ernstes ist, der Bewunderung verdient", macht H. Ehre. Die Bedenken, welche er gleich darauf äußert, erledigen sich leicht. Jede noch so heilsame Institution ist Mißbräuchen ausgesezt. A. Zimmermann, S. J.

(Schluß folgt.)

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