" Es ist nur in Rom bei den durch das neue Regime und durch den beständigen Widerstreit zwischen päpstlichen und töniglichen Ansprüchen geschaffenen Mißständen möglich, daß Mitglieder einer kirchlichen Bruderschaft zwei Jahrzehnte hindurch verhohlenen und unverhohlenen Widerstand gegen eine von der höchsten kirchlichen Auktorität ausgegangene Verordnung leisten können. Pius IX. selbst, der seine Pappenheimer fannte, hatte die Eventualität nicht verkannt, daß Schwierigfeiten gemacht würden, aber er hatte sich gesagt, der voraussichtliche Segen der Reform wiege sie weit auf. Freilich, wie weit diese katholischen und apostolischen" Fratelli gehen würden, hätte man faum geglaubt. Um das Breve umzustoßen, haben Sie sich nämlich nicht gescheut, die Spannung zwischen Berlin und dem hl. Stuhle in der Zeit des Culturkampfes zu benußen und sich an die preußische Botschaft beim Quirinal zu wenden. Als sie hier kein Gehör fanden, machten sie sogar eine Eingabe an die italienische Regierung, unter Fälschung der Unterschriften, um von ihr einen königlichen Commissär für die Verwaltung der deutschen Nationalstiftung zu erbitten“ (S. 306). Eine neue Kraftleistung producirten sie am 8. Dezember 1896. Bei der Jubiläumsfeier hielten diese Leute, die keines deutschen Wortes mächtig sind, es für taktvoll, sich in einer Samulung von Phrasen als die rechtmäßigen Vertreter der deutschen Nationalstiftung aufzuspielen und dies gegenüber dem Cardinalprotektor, in Widerspruch gegen ein päpstliches Breve! Dabei ward von dem österreichischen Protektorate, ohne dessen machtvolles Eingreifen der Campo Santo längst von der italienischen Regierung eingesteckt worden wäre, mit keinem Wort des Dankes gesprochen. Nur durch das kräftige Zusammenwirken der österreichischen Botschaft mit dem Cardinalprotektor Serafino Vannutelli, dessen Gerechtigkeitsgefühl keine Connivenz gegen italienische Uebergriffe zuläßt, ist es gelungen, den Hauptwiderstand zu brechen, und auf diesem Wege ist auch baldige endgiltige Ordnung dieser unerquicklichen Angelegenheit zu Gunsten der Deutschen zu erhoffen. Die Männer, welche sich um diese Neuorganisation de größten Verdienste erworben, sind der nunmehr im Campo Santo schlummernde Cardinal Fürst Hohenlohe, dem am 9. September 1876 Pius IX. in einem Schreiben voll der rühmendsten Ausdrücke seine höchste Anerkennung aussprach (vgl. S. 289 f.), und Prälat von Montel, dem De Waal sein Buch gewidmet hat. Was aber er selbst zur Durchführung der neuen Statuten, was er zur Verschönerung der Kirche und des Friedhofes, zur Erweiterung und Wohnlichmachung des Hauses gethan, wie vieles er durch sein beredtes Wort in Deutschland und Oesterreich für das Collegium, für Stiftung von Kaplancien u. s. w. von hochherzigen Gebern erworben, wie er in selbstlosester Hingabe alles Eigene der Stiftung zum Opfer brachte, davon ist in dem Buche fast gar nichts gesagt. Wer das Institut in seiner einstigen Gestalt mit dem vergleicht, was dieses Rektors unermüdliche Rührigkeit aus ihm gemacht hat, der muß sagen, daß der Campo Santo keinen besseren Rektor hätte finden können, als ihn, und daß der Name De Waal mit goldenen Buchstaben in die Annalen des Hauses eingetragen zu werden verdiene. Nur eine staunenswerthe Arbeitskraft und seltene Beweglichkeit machte es ihm möglich, neben der Sorge für sein Haus auch noch der deutschen Gesellen (er ist der Gründer und lang= jährige Präses des römischen Gesellenvereins) und der vernachlässigten weiblichen Dienstboten (hauptsächlich durch Berufung der Grauen Schwestern) sich anzunehmen. Um die katholischen Männer der deutschen Colonie einander näher zu bringen, gründete er den deutschen katholischen Lefeverein", der seitdem alle wichtigen Ereignisse in der Heimat in Freud oder Leid begeht und bei den großen Pilgerzügen erfolgreich cingriff. Ein anderes Band, das dem Rektor des deutschen Campo Santo Hunderte und aber Hunderte von unseren Landsleuten verbindet, ist sein geradezu bewundernswerther Eifer als Katakombenführer; hauptsächlich dadurch ist er vielleicht die populärste deutsche Persönlichkeit in ganz Rom geworden. Sein im Jahre 1895 in dritter Auflage erschienener „Rompilger“, feine wiederholt aufgelegten größeren und kleineren Erzählungen u. s. w. haben ihn in den weitesten Kreisen bekannt gemacht. Aber sein Erstes war doch immer das Collegium und dessen geistiger und ökonomischer Ausbau. Um den wissenschaftlichen Arbeiten der Mitglieder desselben einen Sammelpunkt zu geben, gründete er 1887 die Römische Quartalschrift für hristliche Alterthumskunde und für Kirchengeschichte", welche in den elf Jahren ihres Bestehens sich einen geachteten Namen erworben und von keinem Historiker oder Archäologen ungestraft ignorirt werden kann. Grundbedingung für ein gedeihliches Studium war eine Bibliothek, zu der, was bei den relativ doch bescheidenen Mitteln des Hauses 1) höchst dankenswerth ist, seit einer Reihe von Jahren die Görresgesellschaft. welche überhaupt in richtiger Würdigung von De Waals Bestrebungen denselben stets eifrige Förderung angedeihen ließ, alljährlich einen sehr schönen Beitrag leistet. Ein erfreuliches Symptom für die wissenschaftlichen Leistungen des Collegiums wie für dessen Verhältniß zum Rektor war die Festschrift, welche ehemalige und gegenwärtige Insassen des Hauses, sowie Freunde desselben, zur Feier des 1100jährigen Jubiläums dem Herrn Prälaten dedicirten.2) Die Aufnahme derselben seitens der Kritik war eine ungetheilt günstige; einjelne Beiträge wurden geradezu als epochemachend bezeichnet. Wäre der Plan früher bekannt geworden, so wäre die Betheiligung noch eine wesentlich zahlreichere gewesen. Unter den Mitarbeitern figuriren eine schöne Anzahl akademischer Lehrer, wie denn 16 ehemalige Camposantiner an den Universitäten, 1) Gleich dem Nibelungenhorte ist der Reichthum von Campo Santo nach der Vorstellung nicht nur der wälschen Fratelli, sondern auch mancher anderer unerschöpflich. Die päpstliche Commission, welche das Vermögen untergegangener deutscher Stiftungen dem Campo Santo zusprach, wußte gut, warum sie das that; wenn die Mittel des leßteren dadurch sich mehrten, so mehrten sich auch die Verpflichtungen. Umsomehr wird man sich gegen Ansprüche ablehnend verhalten müssen, welche nicht nur juristischer Begründung ermangeln, sondern auch bezüglich ihrer Zweckmäßig teit sehr problematisch sind. 2) Festschrift zum elfhundertjährigen Jubiläum des Deutschen Campo Santo in Rom, dem derzeitigen Rektor Msgr. de Waal gewidmet von Mitgliedern und Freunden des Collegiums, herausgegeben von Dr. Stephan Ehses. Freiburg 1897. XII, 307 S. 4o. bzw. Akademien oder Lyceen Dillingen (Schnißer), Eichstätt (Ebner), Freiburg i. Br., Freiburg i. Schw., Freising, Klosterneuburg, Löwen, Münster, Regensburg, Wien wirken, während acht als Gymnasiallehrer thätig sind bzw. waren, einer die Stelle eines Staatsarchivars in Holland bekleidet, andere sonst an Archiven angestellt sind. Schriftsteller auf wissenschaftlichem Gebiete sind fast alle, theilweise Namen besten Klanges; einige widmeten sich der Seelsorge, vier sind bereits mit kirchlichen Würden geschmückt und einer last not least vielem Glück als Ordensstifter aufgetreten. ist mit In dem Inhalte der Festschrift spiegelt sich die Richtung der Studien ab, welche in Campo Santo gepflegt werden. Gegründet in einer Zeit, die schon völlig im Zeichen historischer Forschung steht, soll das Collegium von allen deutschen und nichtdeutschen Roms dadurch sich unterscheiden, daß seine Mitglieder d. h. die, welche auf den Genuß einer Freistelle reflektiren; als Conviktoren können auch andere eintreten nicht erst ihre Studien an hiesigen Lehranstalten machen, sondern daß sie als angehende oder fertige Gelehrte selbständig und forschend arbeiten sollen, und zwar auf dem Felde der Archäologie oder Geschichte, leßteres im weitesten Sinne des Wortes, so daß eventuell auch ein Literar-, Philosophie-, Kunstoder Musikhistoriker Aufnahme finden kann. Als Vorausseßung gilt hiebei, und dies wird immer mehr betont werden müssen, daß der Candidat wenigstens eine Zeit lang eine Universität besucht hat, weil nur eine solche Gelegenheit bietet zur Betheiligung an einem historischen, philologischen oder archäologischen Seminar, und weil nur auf diesem Wege eine fachmännische Schulung erzielt werden kann, welche unerläßliche Vorbedingung für erfolgreiches Arbeiten ist. Andernfalls geht die kostbare Zeit verloren mit Experimentiren, und in den meisten Fällen endet die Sache in einem unfähigen Dilettantismus. Nachdem durch die Liberalität Leos' XIII das Vatikanische Archiv sich geöffnet, nachdem die christliche Archäologie einen so erfreulichen Aufschwung genommen, erwies sich die Gründung eines Collegiums gerade mit der Bestimmung erst recht als ein glücklicher Griff. Es ist fein Zweifel, daß auf diese Weise ein römischer Aufenthalt, wenn er wissenschaftliche 3wede verfolgt, am nußbringendsten verwendet wird. Denn daß der Betrieb der theologischen Wissenschaft, wie er an den meisten römischen Collegien im Schwange ist, nicht nur nach der Methode, sondern namentlich auch hinsichtlich der Auswahl und des Umfanges der tradirten Disciplinen den Anforderungen, welche heutzutage in Deutschland an einen Theologen gestellt werden, einfach nicht genügt, das gestehen gerade die einsichtsvollsten von den Lehrern an denselben rückhaltslos zu, freilich ohne viel daran ändern zu können. Je treuer man an der Kirche hängt, um so eindringlicher wird man dies sagen; der bisweilen gemachte Versuch, jede Kritik an italienischen oder römischen Zuständen auf einen Mangel an Pietät gegen die Kirche zurückzuführen, ist dogmatisch und empirisch gleich verfehrt: die Togmatik weiß nichts von einer Identität von kirchlichen Institutionen mit italienischen Culturzuständen, und die Erfahrung lehrt, daß die Bemühungen der Kirche um Hebung der Bildung in Klerus und Volk immer am langsamsten in Italien durchdringen. Die moralistische Maxime: Si habitas Romae, Romano vivito more, darf sonach nicht einseitig überspannt werden; berechtigte deutsche Eigenart, die zudem einen jo guten ethnographischen und historischen Grund hat, in allzu großer Rücksichtnahme auf andere Muster unterdrücken, wäre. ebenso gescheidt, wie wenn einer seine blonden Haare schwarz färben und seinen Teint dunkler machen wollte, um den Südländern ähnlicher zu werden. Doch kehren wir zu Campo Santo und seinem Rektor zurück. Der lettere feierte am 20. Dezember 1897 sein 25jähriges Rektoratsjubiläum. Blickt er auf das abgelaufene Bierteljahrhundert zurück, so kann er wahrlich, trop aller bitterer Erlebnisse, mit Dank gegen Gott erfüllt werden, der sein Thun so reich gesegnet hat. Von den wälschen Mitgliedern der Bruderschaft hat er gewig eine Anerkennung erwartet; fonnte er es auch nicht allen deutschen recht machen, so wird er darob nicht unglücklich sein. Es haben nun einmal nicht alle so viel historischen Sinn, um zu erkennen, daß eine Znstitution, welche in einer früheren Zeit ihrem Zwecke prächtig gedient hat, dies unter völlig veränderten Verhältnissen nicht mehr vermag; |