Obrazy na stronie
PDF
ePub

Es scheint, als liefse sich für diejenigen Lieder, welche entschieden der Sprachkunst zuzuweisen sind, auch eine Formel angeben, nach welcher ihre Zugehörigkeit zu dieser mit mehr Sicherheit beurteilt werden könnte. Wie wir nämlich gesehen haben, kommen die selbständigen Werke der Sprachkunst auch im Zusammenhang der Rede vor, d. h. sie heben als Redefiguren oder ästhetische Figuren einen einzelnen Seelenmoment vor den anderen besonders hervor. Ebenso kann aber auch gesagt werden, dafs umgekehrt die Figuren an sich fähig sind, als selbständige Sprachbilder aufzutreten. Die Rede könnte ihrer, unbeschadet des Inhalts, auch entraten, wie Quintilian (XII, 10, 43) von der „viri eloquentis oratio" sagt: „cui si res modo indicare satis esset, nihil ultra verborum proprietatem elaboraret; sed quum debeat delectare, movere, in plurimas animum audientis species impellere: utetur his quoque adjutoriis, quae sunt ab eadem nobis concessa natura." Die Figuren stellen nicht sowohl die Sache dar, als die Art, wie die Seele durch die Sache affiziert wurde freilich an der Darstellung der Sache; sie erteilen dieser durch ihre Formierungen die Wärme des Individuellen, die Energie des Affekts, den Reiz des Ungewöhnlichen, den Glanz der Schönheit; sie sind eigentümliche Kunstformen, welche, wie die plastischen Ornamente an Werken der Architektur, zwar meistens nur einen formellen Wert beanspruchen, durchaus aber auch die Fähigkeit besitzen, einem einzelnen, für sich stehenden Gedanken künstlerische Gestaltung zu geben und so zu Liedern der Sprachkunst zu werden. Demnach würden wir, da wir ja auch die selbständigen Werke der Sprachkunst, die Laut- und Wortspiele, die verschiedenen Arten der Sinnsprüche und der ästhetischen Sprachbilder, im weiteren Sinne den Figuren zuzählen dürfen, unseren allgemeinen Grundsatz bestimmter dahin aussprechen können, dafs diejenigen Lieder, welche nur Einen Seelenmoment in irgend einer Figurierung technischer oder ästhetischer Art darstellen, als Lieder der Sprachkunst zu betrachten sind. Wir geben einige Beispiele, wobei wir indessen von den schon besprochenen gnomischen, epigrammatischen, parabolischen Liedern absehen.

Auf Parechesis und Paronomasie gründen sich z. B. bei Rückert Kleines Frauenlob":

[ocr errors]

„Frauen sind genannt vom Freuen,

Weil sich freuen kann kein Mann,

Ohn' ein Weib, die stets vom neuen

Seel' und Leib erfreuen kann.

Wohlgefraut ist wohlgefreuet,
Ungefreut ist ungefraut;

Wer der Frauen Auge scheuet,
Hat die Freude nie geschaut.

Wie erfreulich, wo so fraulich
Eine Frau gebärdet sich,

So getreulich und so traulich,

Wie sich eine schmiegt an mich."*)

(So auch: „Die hausbackene Poesie", „Nachtigal und Nachteule" u. a.) Wortwitze sind z. B. bei demselben:

,,An den Gevatter Kupferstecher Barth":

„Wenn Du Dich gestochen müd' am Stechtisch,
Wie ich mich gesprochen matt am Sprechtisch,
Lafs uns sitzen, sprechen und ausstechen
Reinen Rheinweins eine Flasch' am Zechtisch.
Freien Künsten stehen wir zu Diensten;

Lafs uns ihnen dienen nicht zu knechtisch."

Ferner Chiasmus mit dem Wortspiel verbunden: „Eindruck und Ausdruck":

Lafs auf dich etwas rechten Eindruck machen,

So wirst du schnell den rechten Ausdruck finden;
Und kannst du nur den rechten Ausdruck finden,

So wirst du schnell den rechten Eindruck machen."

*) Auf den Reim und die Onomatopoie baut Tieck (Ged.) scherzhafte Lieder, so (p. 535):

Ein nett honett Sonett so nett zu drechseln

Ist nicht so leicht, ihr Kinderchen, das wett' ich.

Ihr nennt's Sonett, doch klingt es nicht sonettig.

Statt Haber füttert ihr den Gaul mit Hexeln" u. s. w.

und (ib. p. 532) „Die Geige“:

O weh! o weh!

Wie mir das durch die ganze Seele reifst!

Ins Henkers Namen, ich bin keine Flöte!

Wie kann man sich so quälen,

Alle meine Töne unterdrücken,

Und kneifen und schaben und kratzen.

Bis ein fremdes quinkelierendes Geschrei herausschmarrt?" u. s. w. Mit scherzender Lautsymbolik, durch den Rhythmus hervorgebracht, behandelt so Platen (Falsche Wanderjahre [Werke Bd. 1. p. 300]) den Namen „Pustkuchen“, und Goethe („Goethe und Pustkuchen") hechelt denselben Namen durch in der Figur des Paregmenon:

„Pusten, grobes deutsches Wort!

„Pusterich, ein Götzenbild, u. s. w.

[merged small][ocr errors][merged small]

„Jugend, Rausch und Liebe sind
Gleich drei schönen Frühlingstagen;
Statt um ihre Flucht zu klagen,
Herz, geniesse sie geschwind!
Herz, geniefse sie geschwind,
Statt um ihre Flucht zu klagen!

Gleich drei schönen Frühlingstagen
Jugend, Rausch und Liebe sind."

(Ähnlich ist: „Das Gelalle“.)

Klimax ist (Weish. d. Bram. 17, 13):

„Die Hoffnung halte fest: Gott wird dich nie verlassen;
Das Ärgste, das dir droht, er wird es dir erlassen.

Und traf das Ärgste dich, so bleib' in Zuversicht:

Die Hoffnung schlug dir fehl, doch Gott verlief's dich nicht.

Ja, dafs dich Gott nicht hat verlassen, mufst du sagen,
Da er die Kraft dir giebt, das Ärgste zu ertragen.“

Antithetischen Parallelismus stellt dar Lachens und Weinens Grund":

[ocr errors]

,Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde

Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde.

Morgens lacht ich vor Lust;

Und warum ich nun weine

Bei des Abends Scheine,

Ist mir selb nicht bewusst.

Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde

Ruht bei der Lieb' auf so mancherlei Grunde.

Abends weint' ich vor Schmerz;

Und warum du erwachen

Kannst am Morgen mit Lachen,

Mufs ich dich fragen, o Herz."

Oft geben die Figuren der Wiederholung die Form, wie in Des Dichters Freude am Gedicht":

[ocr errors][merged small][merged small]

(So hat man zizkos in „Das Spiel u. a.)*) Ebenso kleiden sich Lieder in die Formen von Sinnfiguren. Rückerts „Hendekasyllaben" sind z. B. nur Periphrasis für das Wort „Cigarre“. Leicht nehmen Lieder dieser Art auch weiteren Umfang an. So wiederholt das neunstrophige Schneiderfest" bei Simrock (Dtsch. Volksbüch. Bd. VIII, p. 446) neunmal die Figur der Hyperbel, wie:

,,Es waren einmal die Schneider

Die hielten einen Rat,

Da safsen ihrer neunzig,

Neunmal neun und neunzig

Auf einem Kartenblatt" u. s. w.

Paradoxa und Oxymora bilden bei demselben z. B. (p. 565 f.): Verkehrte Welt", wie:

oder:

..

Des Abends wenn ich früh aufsteh',

Des Morgens spät ich zu Bette geh' u. s. w.

Schneeweifs sind ihre schwarze Händ',

Und wie ein Schneck ihr Gang behend" u. s. w.

Bei Hoffmann v. Fallersleben (Ged. Bd. I, p. 132): „Der Spittelleute Klagelied" stellt jeder Vers die Figur der Ironie dar, welche mit derselben Klage eingeleitet wird, wie:

Wir armen Spittelleute,

Was haben wir zu thun!

Kaum ist das Mahl genommen ein,

Kaum kann man sich des Schlafs erwehren,
Gleich mufs man wieder munter sein,

Das Vesperbrötchen zu verzehren" u. s. w.

*) Auch das Triolett stützt sich nur auf die Wirkung dieser Figuren der Wiederholung, wie z. B. (E. Schulze [Poet. Werke Bd. IV, p. 169]): „Wie sie dort auf dem Altane steht,

Leis umwebt vom zarten Mondesschimmer.
Ach! so schön erblickt ich sie noch nimmer,
Wie sie dort auf dem Altane steht.
Weh mir, sie bemerkt mich! ach, sie geht!
Und doch sieht mein Auge sie noch immer,
Wie sie dort auf dem Altane steht,

Leis umwebt vom zarten Mondesschimmer."

[blocks in formation]
« PoprzedniaDalej »