Schrecken! welcher mich mit großer Freude empfing und gleich seiner vortrefflichen Frau vorführte. Wir gingen dann in das Wirthshaus, wo auch Michel Angelo Wein getrunken hat, wo wir meine lieben Freunde Böhm, Tunner und Radlik antrafen, welche mich mit außerordentlicher Freude aufnahmen“ (I. 172). " In Steinle's Berichten an den Vater erscheint fortan Overbecks Gestalt im lichtumflossenen Vordergrunde. Er ist ihm der größte Künstler unserer jezigen Zeit“, das Ideal, zu dem er emporschaut, und umgekehrt klingt auch aus Overbecks Verhalten ein Ton väterlich warmer, ja zärtlich besorgter Zuneigung zu dem unverdorbenen jungen Wiener. Steinle wird schon bald Mitglied der Compositionsgesellschaft. Seine Berichte in die Heimat geben in vielen kleinen Zügen ein anschauliches und anheimelndes Bild von seinem und der Freunde Tagesleben in Rom und dann von seinem Zusammensein mit Overbeck in Assisi. Aus allem spricht jugendliche Frische, der Pulsschlag eines reinen begeisterungsfähigen Jünglingsherzens. Der Tod des Vaters rief Steinle 1830 in die Heimat, aber schon im Herbst desselben Jahres trat er die zweite Romfahrt an und oblag nun drei Jahre lang emsigen Studien in Italien. In Rom kam er um diese Zeit mit Cornelius, der von Mai 1833 bis Mai 1835 in der ewigen Stadt an den Compositionen für die Ludwigskirche zu München arbeitete, in engere Berührung. Eine Aufzeichnung Steinle's, sowie ein späterer Brief von Cornelius bringen genaueren Aufschluß über den Auftrag, den Cornelius ihm bei der Ausmalung der genannten Kirche zugedacht hatte, schließlich aber zurückziehen mußte. Es geht daraus hervor, daß Ernst Försters Darstellung über diese Ablehnung unrichtig und tendenziös ist, daß es keineswegs künstlerische Erwägungen gewesen, welche Cornelius veranlaßten, Steinle's Entwurf zur Weltschöpfung abzulehnen, sondern lediglich äußere Schwierigkeiten. „Der wahre Grund war der, daß man Cornelius in dem zweiten Vertrage vom Jahre 1836 gezwungen hatte, nur Hilfskräfte zur Ausführung seiner eigenen Compositionen zu verwenden, und ihm die Mitarbeit componirender Künstler abgeschnitten hatte, eine Folge der schon damals gegen Cornelius in Scene geseßten Intriguen“ (I. 20 u. 263). Interessant ist auch, daß eine kleine Anzahl Zeichnungen, welche Steinle bei seiner Abreise von Rom zu Ende 1833 seinem Freunde Schulze zurückließ, dem Maler nachmals den Weg an den Rhein bahnten. Karl Franz Schulze, ein auch aus Overbecks Biographie bekannter armer Künstler, hatte in Folge schweren Gichtleidens das Malen aufgeben müssen und in Rom einen Kunsthandel begonnen. Einige dieser ihm überlassenen Zeichnungen gelangten durch Kauf an den Rath I. Fr. Schlosser in Frankfurt und wurden die wesentliche Veranlassung, daß Steinle etliche Jahre später an den Rhein und schließlich nach Frankfurt übersiedelte. Bald nach dem Abgang aus Italien beginnt Steinle's Briefwechsel mit Overbeck, der (neben der Correspondenz mit Brentano, E. Linder, Schlosser und Reichensperger) zu den reichhaltigsten der ganzen Sammlung gehört. Der ältere Freund nimmt an allen Erlebnissen und künstlerischen Erfolgen des jüngeren wärmsten Antheil und bezeigt sich thätig für die richtige Beschäftigung seines Talents. Die Trennung von ihm empfindet er fort und fort als einen fühlbaren Mangel. Immer bricht seine große herzliche Liebe zu dem gleichgesinnten und congenialen Jünger hervor. Seine Bricfe sind oft förmliche Ergießungen. Ebenso wird auch von Steinle jedes Lebenszeichen aus Rom mit Jubel empfangen, als eine stets neu erquickende Labung und Bürgschaft der Freundschaft des Meisters, der „die Kunst aller Künste“ lehre, er lehre lieben". Noch im Jahre 1841 versichert der bereits gereifte und in Frankfurt schaffende Maler, daß in seiner künstlerischen Produktion seine Gedanken auf den " römischen Meister gerichtet seien, in dem Grade, daß er ihm gewissermaßen zum letzten Prüfstein diene, ob etwas an= zunehmen und zu bewahren sei oder nicht. Im Jahre 1854 versichert er der Malerin Emilie Linder: er lebe „in steter Sehnsucht nach diesem Freunde, der zu den herrlichsten Menschen gehöre, die er in dieser Welt kenne" (II, 214). Das Wiedersehen in Frankfurt auf Overbecks Kölner Reise 1855, und wiederum das Zusammensein in Rom während Steinle's letter Italienfahrt 1869, waren für beide beglückende Erinnerungen. Nach Overbecks Tode schrieb Steinle an dessen Adoptivtochter: „Overbeck war das Edelste, was ich in meinem Leben fennen gelernt" (I, 345). Wenn man den intimen Freundesaustausch zwischen den beiden Künstlern liest, wenn man aus dem Gewirr und Streit der Gegenwart sich in die Gedanken- und Gemüthswelt dieser gottbegeisterten Meister vertieft, glaubt man sich wie in eine andere Welt verseßt. Eine Rheinreise im Juni 1837 trug Steinle den ersten größeren Auftrag ein. Im Hause des Coblenzer Stadtraths Hermann Joseph Dieß lernte er den kunstsinnigen Professor Bethmann-Hollweg von Bonn kennen, der als Besiger des Schlosses Rheineck ihm die Ausmalung der alten Burgkapelle übertrug und als Gegenstand dafür, nach dem Vorschlag des Malers, die acht Seligpreisungen der Bergpredigt wählte. Die Einleitung und Geschichte dieser Ausmalung findet sich in dem schönen Briefwechsel zwischen dem Besteller und dem ausführenden Künstler wiedergegeben, der den Leser durch den immer wärmer hervordringenden Ton christlicher Seelenverwandtschaft wohlthuend anspricht. Diese Rheinreise war überhaupt in mehrfacher Weise folgenreich für die ganze Zukunft Steinle's. Ein Besuch in München 1837, wo er einige glückliche Wochen unter dem gastlichen Dache der Familie Görres wohnte, hatte ihn auch mit Clemens Brentano in Berührung gebracht. Als er dann im Herbst 1838 abermals für mehrere Monate in der Isarstadt Aufenthalt nahm, mit Compositionen für Rheineck beschäftigt und nebenbei unter Cornelius' Leitung einen Theil der Malereien im Triumphbogen der Ludwigskirche al fresco ausführend, verkehrte er in seiner arbeitsfreien Zeit vorzugsweise mit Brentano und Fräulein Emilie Linder. Brentano gewann den Künstler so lieb, daß er verschiedene Versuche machte, die Berufung des jungen Wieners nach München zu erwirken. Der Plan, für den durch Fräulein Linder auch Everbeck in Rom ins Interesse gezogen wurde, gelang nicht; vielmehr wußte Philipp Veit die junge Kraft, für welche die eigene Vaterstadt an der Donau keine Verwendung hatte, zu sich nach Frankfurt zu ziehen. Aber ein lebhafter Briefwechsel von da an bis zu des Dichters Tod im Juli 1842 gibt Zeugniß von dem einzig schönen Verhältniß liebevoller Zuneigung zwischen Dichter und Maler. Diese brieflichen Zwiegespräche und zumal die Ergüsse Brentano's können auch den kühleren Leser erwärmen und selbst, wo die einseitige Uebertreibung des Dichters zum Widerspruch reizt, mit jener Antheilnahme erfüllen, welche Geist, sinnvolle Auffassung, Schwung und Fülle der Phantasie, und über allem die Macht und Tiefe eines gläubigen Gemüthes jedem Empfänglichen abnöthigen. Durch Brentano lernte Steinle in München, wie bemerkt, auch Fräulein Emilie Linder, die aus Basel gebürtige Malerin, kennen, deren Haus damals schon ein Einigungspunkt der guten Gesellschaft in der Ijarstadt geworden war. Da sie in dem jungen Künstler ebenso den Freund des Dichters wie den Gesinnungsgenossen Overbecks schäßte, bezeigte sie ihm ihr Vertrauen alsbald dadurch, daß sie ihn mit verschiedenen Aufträgen bedachte Der erste Brief Steinle's an Emilie Linder ist vom 2. Oftober 1841 datirt, aber die eigentliche Correspondenz zwischen ihnen beginnt erst mit der Erkrankung und dem Tode des von beiden geliebten Dichters, um dann von beiden mit immer gleicher Wärme und mittheilsamer Vertraulichkeit Jahrzehnte hindurch fortgeführt zu werden. „Sehen wir unser gegenseitiges freundschaftliches Verhältniß als ein Vermächtniß von Clemens an," schrieb sie nach Brentano's Hingang, und in dieser Gesinnung wird die lebhafte, zum Theil schon aus anderen Schriften bekannte Correspondenz erhalten. Steinle ist der Vertraute in der Geschichte ihrer von Brentano so heiß ersehnten und nicht mehr erlebten Conversion. Kunstangelegenheiten und Kunstbetrachtungen, aber auch die Sorgen und Freuden der persönlichen Erlebnisse halten den brieflichen Austausch in frischem Fluß. Neben Clemens bildet namentlich Overbeck einen Vereinigungspunkt, in dem ihre Interessen, Wünsche und Sympathien immer wieder sich begegnen. Erst der Heimgang der edelsinnigen Malerin und hochverdienten Gönnerin der Kunst im Februar 1867 seßte dem Briefwechsel ein Ende.1) Die wichtigste Folge der Rheinreise war, wie schon angedeutet, die endliche Uebersiedlung Steinle's nach Frankfurt, das seine zweite Heimat werden sollte, wiewohl er seine österreichische Staatsangehörigkeit nicht aufgab. Seltsames Schicksal des Künstlers! Wiederholt spricht er sein Sehnen aus, in einem katholischen Lande seinen Beruf ausüben zu fönnen; aus dem Innersten heraus bekennt er, wie er immer mehr und mehr fühle, daß mit seinem Schaffen nur in einem katholischen Lande Segen sein könne, denn mein Kunsttreiben ist vom katholischen Leben bedingt," schreibt er " 1) Es sei gestattet, bei diesem Anlaß auf ein im vorigen Herbste zum hundertsten Geburtstage der Malerin erschienenes Schriftchen aufmerksam zu machen, das ihre eigenartige Persönlichkeit, ihr stilles, aber weithin reichendes Wirken in Kunst und Charität, und den Kreis glänzender Namen, in dem sie sich zu München bewegte, in einem übersichtlichen Bilde vorführt. Es ist betitelt: Erinnerungen an Emilie Linder (1797-1867). Zum Säculargedächtniß ihrer Geburt. Von Dr. Franz Binder." München, Verlag der Lentner'schen Buchhandlung (E. Stahl jun ) 1897. 97. (Preis M. 1.50.) |