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Apostel Petrus, weil er, wie sie sagten, den Glauben an seinen Meister Christus verleugnet habe; ohne Zweifel meinten sie damit nicht bloss den Vorgang bei dem Leiden Christi, sondern auch jene dem Paulus entgegengesetzte judaisirende Richtung, welche sie, nach dem Vorgange älterer Gnostiker, ihm zuschrieben. Sie verwarfen daher auch die beiden Briefe Petri; die grösste Verehrung bewiesen sie dagegen den Briefen Pauli, dessen wahre Schüler sie zu sein vorgaben, und neben den im Kanon befindlichen, gebrauchten sie auch noch ein angebliches Schreiben dieses Apostels an die Laodicäer. Eine Randglosse bei Petrus von Sicilien, welche diess bemerkt, gibt auch an, dass die Paulicianer der spätern Zeit nur zwei Evangelien angenommen hätten. Dass der grösste Theil derselben auch die Apostelgeschichte, die Briefe des Johannes, Jacobus und Judas verwarf, bezeugt Photius.1) Übrigens trugen sie kein Bedenken, das Evangelienbuch, da es die Worte Christi enthalte, durch Küssen und Kniebeugen zu verehren.

Die Sacramente mussten nach dem Paulicianischen Systeme überhaupt für verwerflich gelten, da die Dinge dieser Welt, Wasser, Oel, Brod, als zum satanischen Reiche gehörig, nicht Träger einer überirdischen Gnade sein konnten. In Bezug auf die Taufe beriefen sie sich auf einen Ausspruch Christi von dem „lebendigen Wasser" (Joh. 4, 10) und schlossen daraus, dass das Gebot der Taufe nur von der Annahme der Lehre des Evangeliums zu verstehen sei. Von der Eucharistie sagten sie: was Christus den Jüngern beim letzten Mahle gegeben, sei nicht Brod und Wein gewesen, sondern die Worte, die er gesprochen; die Lehren, die er ihnen mitgetheilt, habe er symbolisch als Brod und Wein bezeichnet.) Doch trugen sie kein Bedenken, in den katho

1) Phot. I, 56. 187.

2) Petrus Sic. p. 18.

lischen Kirchen die Communion sich reichen zu lassen, wenn diess zu ihrem Zwecke, leichter verborgen zu bleiben, dienlich schien.

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Die Paulicianer nannten sich selbst Christen", die Katholiken „Römer", als Bekenner der im römisch-orientalischen Reiche herrschenden Religion. Ihre Versammlungsorte wollten sie nicht Kirchen genannt wissen, sondern Gebetstätten (700σεvɣai). Der Name „Presbyter“, Ältester, war ihnen verhasst, weil es von diesen im Evangelium (Matth. 27, 1 u. s.) heisse, dass sie sich gegen den Herrn versammelt hätten. Ihre früheren Lehrer und Vorsteher, wie sie von Constantin bis auf Sergius auf einander gefolgt waren, wurden gleich den Aposteln geehrt. Nach dem Tode des Sergius hörte die bisherige monarchische Leitung der Sekte auf, und die Schüler dieses Mannes übernahmen unter dem Titel Συνέκδημοι, Begleiter auf der Wanderschaft" (nach Apg. 19, 29; 2. Kor. 8, 19), mit gleicher Gewalt und mit dem Anspruche auf jene höhere, den früheren Häuptern als Organen des h. Geistes zugeschriebene Erleuchtung, die Leitung des Ganzen. Ihnen war eine andere Klasse kirchlicher Personen, die Notarien, untergeordnet, welche entweder den gemeinschaftlichen Gottesdienst zu halten oder doch eine gewisse Aufsicht in den religiösen Zusammenkünften zu führen hatten. Später erlangten indess diese Notarien den Vorrang vor den Synekdemen. 1) Jene sowohl als diese waren weder in der Kleidung noch in der Lebensweise von den übrigen Gliedern der Sekte unterschieden.

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Die bei anderen derartigen Sekten so bedeutungsvolle Unterscheidung zweier Klassen, der Geweihten oder Vollkommenen und der Hörenden, scheint den Paulicianern ganz fremd geblieben zu sein; der Grund hievon lag wohl darin, dass die Enthaltung von der Ehe und vom Fleisch

1) Nach der Formula receptionis Manichaeorum bei Tollius, Insignia itinerarii italici, Utrecht 1696, p. 144.

genuss bei ihnen nicht gefordert wurde, so zwar, dass sie auch das Fleisch der in ihrem Blute getödteten Thiere zu essen keinen Anstand nahmen und auch dadurch den orientalischen Christen Anstoss gaben. Übrigens entwirft Photius von dem sittlichen Charakter der Sekte überhaupt eine sehr ungünstige Schilderung. Ohne alles Bedenken sollen sie, so oft es ihnen rathsam schien, ihren Glauben verleugnet haben; doch dürfte diess, wenigstens in früheren Zeiten, nicht allgemein gewesen sein, da ja viele Paulicianer hingerichtet wurden, die sich durch Heuchelei das Leben hätten retten können. Auch Trunkenheit, Schwelgerei und andere Laster sollen sehr häufig unter ihnen vorgekommen sein.

Wie bei allen derartigen Sekten der späteren Zeit nahm man auch bei den Paulicianern eine unerschütterliche Anhänglichkeit an die einmal ergriffenen Lehren wahr, und die griechischen Geschichtschreiber versichern, dass die aufrichtige Bekehrung eines Paulicianers kaum möglich sei.1) Durch die langen Kriege und Raubzüge und durch den grimmigen Hass gegen die Katholiken, welchen, als eben so vielen Anhängern des Satan, sie als das auserwählte Geschlecht des guten Gottes gegenüberstanden, waren sie eine verwilderte, kriegerische und blutdürstige Horde geworden, ähnlich den späteren Hussiten, so dass Anna Comnena von ihnen sagt, diese Manichäer seien von Natur das schlagfertigste Volk und gleich den Hunden stets begierig, Menschenblut zu schlürfen.2)

Seit ihrer Verpflanzung nach Thracien hat die Sekte der Paulicianer sich bis in die neuesten Zeiten herab dort erhalten, allmählich aber einen von dem ursprünglichen wesentlich verschiedenen Charakter angenommen. Nach

1) Theophanes p. 419: Αδύνατον ἦν τοὺς τῇ πλανῇ ἐκείνῃ ἑαλωκότας μετανοῆσαι.

2) Alexias 6, 14 (ed. Bonn. I, 325): Tévos yàg of Mavizaio φύσει μαχιμώτατον καὶ αἵμασιν ἀνθρώπων λαφύσσειν καθάπερ οἱ κύνες ἀεὶ ἱμειρόμενον.

dem Berichte eines Augenzeugen, der sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts in vielen zwischen Adrianopel und Philippopel liegenden Dörfern wohnend fand, war ihre Religion auch damals noch eine Mischung von Christlichem und Heidnischem; aber gerade das, was den Grundsätzen der älteren Paulicianer besonders zuwider und ihnen verhasst war, hatten ihre Abkömmlinge von beiden Religionen angenommen, nämlich die Thieropfer und die Verehrung des Kreuzes. Marsigli sah an einem neben ihrer Kirche stehenden Baume Stücke der als Opfer geschlachteten Stiere und Hämmel hangen; er sah in der Nähe einen steinernen Tisch, an welchem sie ihre Opfermahlzeiten hielten, und ein steinernes Kreuz, vor welchem sie sich nach griechischem Ritus niederwarfen; doch pflegten sie das Zeichen des Kreuzes nicht wie die Griechen mit drei Fingern, sondern mit der ganzen Hand zu machen.1) Die meisten dieser Paulicianer sollten, wie man ihm sagte, Bulgaren sein, welche, ihrer Religion wegen von den Russen vertrieben, die Ufer des Don verlassen und sich bei ihren schon länger hier wohnenden Glaubensgenossen angesiedelt hatten.

Drittes Kapitel.

Armenische Paulicianer. Die Thondrakier. Die Melchisedekianer oder Athinganer.

In Armenien zeigte sich im Anfange des achten Jahrhunderts eine Sekte von Paulicianern, welche der damalige armenische Katholikus oder Patriarch Johannes Philosophus von Ozun (geb. 668) in einer eigenen Schrift2)

1) Marsigli, Stato militare dell' imperio Ottomanno, Amsterd. 1722, p. 24.

2) Die Schrift contra Paulicianos steht in Johannis Philosophi Ozniensis Armeniorum Catholici Opera ed. J. B. Aucher, Ven. 1834,

geschildert hat. Sie wurden, wie er berichtet, bereits von einem seiner Vorgänger, dem Katholikus Nerses III., um 645 bekämpft.') Nach dessen Tode, sagt er weiter, seien sie nach Armenien entwichen und hätten sich an den Grenzen des Landes aufgehalten; hier seien einige Bilderfeinde aus Albanien, von den dortigen Bischöfen vertrieben, zu ihnen gekommen und hätten sich mit ihnen vermischt; auf den Schutz der Muhammedaner vertrauend, seien sie endlich wieder in Armenien eingedrungen und hätten sich in grösserer Anzahl am See Cirga niedergelassen. Es scheint, dass damals in Armenien bereits eine Opposition gegen den Gebrauch und die Verehrung der religiösen Bilder vorhanden war; denn nach dem Bericht des Johannes machten die Paulicianer bei dem rohen und unwissenden Volke diesen Punkt, vorzüglich die Verehrung des Kreuzes, zum Gegenstand ihrer ersten Angriffe und schilderten namentlich die armenischen Mönche als Götzendiener.

Aus den Angaben des Johannes erhellt, dass diese armenischen Paulicianer, gleich älteren gnostischen Sekten, Verehrung und Anrufung gewisser Dämonen mit einigen scheinbar christlichen oder vielmehr gnostischen Lehren und Gebräuchen verbanden. Den Sonnendienst hatten sie wohl aus der alt-armenischen Religion, die sich noch lange nach Einführung des Christenthums in einzelnen Gegenden erhielt, und aus dem Parsismus ererbt. Seltsam war der Gebrauch, welchen sie bei der Einsetzung eines Vorstehers ihrer Sekte beobachteten: im Kreise stehend, warfen sie einer dem andern einen Knaben, den

p. 79 ff. Vgl. F. Windischmann, Mittheilungen aus der armenischen Kirchengeschichte, in der Tübinger Theol. Quartalschr. 1835, S. 25.

1) Dieser Nerses III. Schinogh ist gemeint, wie Windischmann unter Berufung auf Tschamtscheans Geschichte Armeniens II, 356 bemerkt, und nicht, wie Aucher meint, Nerses der Grosse, der im vierten Jahrhundert lebte.

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