„Tauet Spige der Opferfeier gestellt hat: Rorate coeli desuper ihr Himmel von oben, und ihr Wolken regnet den Gerechten; es öffne sich die Erde und sproffe den Erlöser." 1 Aber, könnte es nicht solche geben, welche auf dem Wege zum Berg des Herrn zurückbleiben; solche, die auf Seitenwegen sich verirren oder gar in schaurige Abgründe fallen? Die Kirche fürchtet solches Unglück. In mitleidiger Liebe bietet sie sich deshalb als Führerin an und beschreibt in der heutigen Sonntagsfeier den Weg zu Christus, unserem Heilande, auf das klarste, schärffte und bis ins einzelne 2. Vor allem bestärkt sie unsern Glauben den Anfang, das Fundament und die Wurzel alles gottgefälligen Lebens. Sie liest nämlich im Evangelium der Tagesmesse die Namen der fremden Herrscher Palästinas zur Zeit Jesu Christi 3. Diese Angaben des hochgebildeten Evangelisten Lukas liefern den unwidersprechlichen Beweis, daß Christus und sein überströmendes Heil keine Phantasie, keine Sage und kein Kindermärchen ist, sondern eine weltbewegende Tatsache, welche am hellen Mittag der Geschichte sich vollzogen hat — ferner den Beweis, daß die Weissagung des sterbenden Jakob erfüllt ist: das Zepter ist von Juda genommen 4. Dann aber fordert die Kirche im Evangelium des Tages mit gesteigertem Nachdrucke: „Bereitet den Weg des Herrn; machet gerade seine Wege!" Denn, wie St Paulus soeben in der Epistel 5 sagte: „Der uns richten wird, ist der Herr; auch das, was im Finstern verborgen ist, wird er ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbar machen." Das Weihnachtskind wird der furchtbare Richter sein! Wie dringend ist es daher, daß schon jezt „jedes Tal" schuldbarer Unterlassung der Berufs- oder Standespflicht „ausgefüllt“, daß jeder Berg" ungezügelter Leidenschaft, des Stolzes, der Weich= lichkeit, des irdischen Sinnes abgetragen" und beseitigt werde. " Dann werden wir zu Weihnachten an der Krippe Jesu und am jüngsten Tage vor dem Throne des Weltenrichters „das Heil Gottes sehen". 1 gf 45, 8. 3 Lt 3, 1-6. 2 Vgl. Meyenberg 206. 4 On 49, 10. 5 1 Ror 4, 1-5. Müller, Das Kirchenjahr. 6 III. Weitere Vorbereitung auf Weihnachten; Maria im Advent. Wie an den Sonntagen, so dringt die Kirche an den übrigen Wochentagen immer ernster und nachdrücklicher auf würdige Vorbereitung; sie wird immer freudiger und sehnsuchtsvoller in ihren Gebeten, je näher wir dem gnadenreichen Weihnachtsfeste kommen. Den Sinn und Geist der Kirche offenbart in diesen Tagen vorzugsweise das Breviergebet der Priester. Es ist bekannt, daß dieses offizielle Gebetbuch der Kirche zu einem guten Teile aus den Psalmen aufgebaut ist, welche von Vorsprüchen oder Antiphonen umsäumt find. In der Adventszeit, besonders gegen ihr Ende zu, zeichnen sich diese Antiphonen durch ihre Innigkeit, Glut und Farbenpracht aus. Die Freude, die Sehnsucht, die Ehrerbietung vor dem Christfinde flammt immer wieder in neuen Lichtblizen auf. Da lesen wir: „Siehe, er wird kommen, der Herr, der Fürst über die Könige der Erde; glücklich jene, die da bereit sind, ihm entgegenzuziehen.“ Ein anderes Mal heißt es: „Wenn der Menschensohn kommt, meinst du wohl, daß er Glauben finde auf Erden ?“ Oder: Siehe, die Fülle der Zeit ist gekommen, in welcher Gott seinen Sohn auf die Erde fandte." Vom 17. Dezember an steigert sich die Adventsstimmung. ist der nämliche Tag, welchen einst die Synode von Saragossa im Jahre 380 als Ausgangspunkt für die Vorbereitung auf das Epiphaniefest bezeichnete. Da fügt denn die Kirche dem Magnifikat in der Vesper jene prächtigen Antiphonen bei, welche nach dem Anfangslaute die „fieben " heißen und zu den schönsten Perlen gehören, welche ihr wundervolles Gebetbuch zieren. " Die erste dieser Antiphonen lautet: „O Weisheit, die du aus dem Munde des Allerhöchsten hervorgegangen bist, von einem Ende zum andern reichst und stark und sanft alles ordnest — komm, uns den Weg der Weisheit zu lehren!“ Erhabener und dringender klingt der Spruch, welcher für den 19. Dezember festgesetzt ist: „O Wurzel Jeffe, die du dastehst als Panier unter den Völkern vor welcher die Könige [in Ehrfurcht] schweigen und zu welcher die Geschlechter flehen erlösen, zögere nicht länger!" komm, uns zu Demut liegt in den Worten, welche dem 20. Dezember gewidmet find: „O Schlüssel Davids und Zepter des Hauses Israel, der du öffnest und niemand schließt komm und führe aus der Haft des Kerkers den Gefesselten, der da fizet in Finsternis und im Schatten des Todes." 1 Universalen Charakter trägt der zweitlehte Spruch: „O König der Völker und ihre Erwartung, du Eckstein, der zwei zu einem verbindet, komm und rette den Menschen, den du aus Lehm ge= bildet hast." Die letzte Antiphon faßt kraftvoll und erhaben die Adventsgedanken zusammen: „O Emanuel, unser König und Gesezgeber, Erwartung der Völker und ihr Erlöser, komm, uns zu erlösen, o Herr, unser Gott!" Rührend schön ist die heilige Ehrfurcht und Liebe, welche die Kirche im Advent der Mutter des Gefeierten von Weihnachten entgegenbringt. Am 18. Dezember, am Tage, nachdem die sog. „fieben " zu erschallen begonnen haben, feiert sie ein Fest der Erwartung der Geburt Jesu durch Maria". Es ist, als ob das erhabene Beispiel der Gottesmutter unserer Adventsgesinnung und Adentsstimmung zum Vorbild dienen sollte. Mit demselben Glauben, der=" selben Sehnsucht und opferfreudigen Liebe wie sie mögen auch wir unsern Heiland erwarten. Sodann gestattet die Kirche, daß nach dem ersten Adventssonntage alltäglich, mit Ausnahme der Feste erster und zweiter Klaffe, eine heilige Messe zu Ehren der jungfräulichen Gottesmutter gesungen werde. Das ist das sog. Rorateamt. Es wird gewöhnlich zur Zeit der Morgendämmerung gefeiert und beginnt mit den Worten: Rorate coeli „Tauet ihr Himmel den Gerechten . . .!" In der Epistel verkündet Isaias die großartige Weissagung vom Jungfrausohne, dem Emanuel 2. Das Kommuniongebet weist zum Schlusse noch einmal darauf hin, indeffen das Evangelium von der Verkündigung Mariä3 die Erfüllung jener Weissagung schildert. Der Hochmut und der mißtrauende. Unglaube des sittenlosen Königs Achaz -der demütige Glaube der reinsten Jungfrau! Welch 1 Heiden und Juden werden durch Christus zu einem Volke Gottes verbunden. Vgl. Eph 2, 14. ein Kontrast! Darüber waltet die barmherzige Liebe unseres Gottes, welche den Erlöser verheißt und gibt. Macht übt er mit seinem Arme, zerstreuet, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinne. ... Die Hungrigen erfüllet er mit Gütern Reiche läßt er leer ausgehen." 1 " Die Kirche ehrt die heilige Jungfrau im Advent auch dadurch, daß sie ihr zu Ehren am 8. Dezember das Fest der Unbefleckten Empfängnis feiert. Der Wert, die Notwendigkeit und der Triumph der Erlösungsgnade wird dadurch ins hellste Licht gerückt. Für den Orient schon im Jahre 675, im Abendlande aber seit dem 9. Jahrhundert bezeugt, verbreitete sich dieses Fest allmählich über die ganze Kirche und ist heute eines der licht- und glanzvollsten Marienfeste, das Pius IX. 1854 zum gebotenen Feiertag erhob. Wie das liebliche Morgenrot freudig das glänzende Tagesgestirn ankündet, so brachte das Erscheinen der unbefleckt empfangenen Jungfrau der Welt die ersehnte Frohbotschaft von dem nahenden Sonnenaufgang aus der Höhe". Mariä bloßes Erscheinen erweckt Freude und liebendes Ver= trauen. Der Strom der Sünde stand still vor der gebenedeiten Jungfrau, wie die Wasser des Jordan vor der Lade des Bundes. Vom ersten Augenblicke ihres Lebens an strahlte Maria, um der Verdienste ihres Sohnes willen, im Glanze fleckenloser Reinheit und vollkommener Gottgefälligkeit. Aber der göttliche Erlöser, welcher eine so würdige Mutter haben wollte, er wird ähnliche Gaben auch uns bescheren. Diese Hoffnung und das herzliche Verlangen danach erfüllt unsere Seele. Er nimmt sich Israels, seines Knechtes, an, eingedenk seiner Barmherzigkeit, wie er zu unsern Vätern gesprochen, zu Abraham und zu seinen Nachkommen auf ewig." 2 IV. Die Adventsvigil. Ihre Vorbereitung auf das hohe Geburtsfest des Heilandes schließt die Kirche mit einer Vigilfeier ab. Was versteht man unter Vigilie? Das Wort stammt aus der römischen Militärsprache. Es be= deutete ursprünglich einen der vier Abschnitte, während denen der Soldat nächtlicherweile vor dem Heerlager Wache stehen mußte. Vigilien sind demnach Nachtwachen. Die Christen der alten Zeit liebten es, in einer gemeinsamen gottesdienstlichen Nachtfeier auf hohe Feste sich vorzubereiten. Dieser nächtliche Gottesdienst hieß Vigil; er zeichnete sich oft durch seine Pracht aus. Heute sind sämtliche Vigilien auf den dem Feste vorausgehenden Tag verlegt und werden nur noch von den Priestern in Meffe und Brevier gefeiert. Einige derselben sind jedoch gebotene Fasttage so auch die Vigil vor Weihnachten. Um den Herrn würdig empfangen zu können, will die Kirche, daß wir nicht bloß nüchtern seien, sondern auch die fleischlichen Begierden bezähmen und abtöten. Im Gottesdienst werden die Adventsgedanken nochmals kurz und prägnant zusammengefaßt. Es ist, als ob der Kriegsoberst den wachehaltenden, wohlgeübten Soldaten kurz vor dem Entscheidungskampfe seine legten, gemessenen Befehle erteile, wenn wir in mannigfachen Wendungen die Worte lesen: „Heiliget euch und seid bereit! Morgen werdet ihr die Heiligkeit des Herrn sehen; die Sünde wird getilgt, und der Weltheiland wird König sein!" - Bedeutsam sind die Worte, mit denen heute das heilige Opfer beginnt: „Heute werdet ihr erfahren, daß der Herr kommen wird, und am Morgen sollt ihr die Herrlichkeit des Herrn schauen!" So hatte einst Moses in der Wüste das Manna angekündigt, welches nach der ausdrücklichen Erklärung des Herrn ein Vorbild des heiligsten Altarssakra= mentes war 1. Die Kirche denkt denn auch heute an die geheimnis= volle Ankunft Christi in der heiligen Kommunion. In der Epistel2 erinnert St Paulus kurz daran, daß der Erlöser Sohn Gottes und Sohn Davids zugleich sein werde, gemäß den Worten der Propheten. Das Evangelium3 erzählt, wie ein Engel des Himmels den hl. Joseph als rechtmäßigen Gemahl der heiligsten Jungfrau bestätigt und ihn zum gesetzlichen Vater des Sohnes Mariä bezeichnet, den sie vom Heiligen Geifte empfangen hatte. Jezt sind alle Vorbereitungen getroffen, welche dem Eintritt des menschgewordenen Sohnes Gottes in die Welt, gemäß dem ewigen Ratschlusse der göttlichen Weisheit vorausgehen mußten: Die Menschheitsschuld ist riesig groß geworden und hat sich wie eine düstere 1 Jo 6, 49 f. Er 16, 6 f. 2 Röm 1, 1-6. |