3. Nitus der Einweihung einer neuen Kirche. Die große Zahl und die Mannigfaltigkeit, der tiefe Sinn und die Schönheit der Gebräuche, sowie der hochbedeutende Zweck derselben erheben den Ritus der feierlichen Einweihung, Deditation oder Kon= sekration einer neuen Kirche zu einem religiösen Meisterwerk ersten Ranges. Der Glanz und die Würde des Ritus wird durch den Umstand nicht wenig erhöht, daß es seit ältester Zeit nur dem Bischof zusteht, eine feierliche Kirchweihe zu vollziehen. Weil dieselbe für jede Gemeinde ein allerhöchst wichtiges Ereignis ist und die Anschauungen und Ehrfurcht der Kirche vor ihren Gotteshäusern ins helle Licht seht, sollen hier die einzelnen Gebräuche kurz erwähnt werden. Der ganze Weiheritus zerfällt in zwei getrennte Teile: in die Feier der Grundsteinlegung und in die Konsekration oder feierliche Weihe des neuen Kirchengebäudes. a) Feierliche Grundsteinlegung. Um eine neue Kirche zu bauen, bedarf es der Zustimmung des Diözesanbischofs. Ist diese erfolgt, so nimmt er entweder in eigener Person oder durch einen dazu bevollmächtigten Priester die Feier der Grundsteinlegung des Neubaues vor. Da betet denn die Kirche, es möge das wichtige Werk ohne Unfall und ohne Schaden für Leib und Seele zur größeren Ehre Gottes glücklich voranschreiten und zu Ende geführt werden können. Am Tage vor der Feier wird auf dem Plaze des künftigen Hochaltares ein hölzernes Kreuz errichtet. Die Kirche Gottes nimmt damit von der Baustelle im Namen und zu Ehren des göttlichen Erlösers feierlich und rechtlich Besiz. Am folgenden Tage segnet der Bischof zunächst Weihwasser und besprengt damit die Opferstätte, sprechend: Seze das Zeichen des Heils an diesen Ort, Herr Jesus Christus, und laß den Würgengel hier nicht eingehen!" An diese Worte schließt sich der 83. Psalm: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr der Heerscharen! Es sehnt sich und schmachtet meine Seele nach den Vorhöfen des Herrn...." Was uns also die Kirche gleich von Anfang an mit allem Nachdrucke ans Herz legen will, das ist dies: Von Christus, dem gekreuzigten Gottmenschen, kommt aller Schuß und Segen, alle Gnade und alles Heil, auch im neuen Gotteshause. Es folgt die Weihe und die Legung des Grundsteins. Dieser wird wieder mit Weihwasser besprengt und im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet. Er ist das Sinnbild Jesu Christi, des ewigen und unsichtbaren Grund- und Hauptecksteins, auf dem zunächst das sichtbare Felsenfundament 1 Petrus und dann die ganze Kirche sich erhebt, damit aus ihr das himmlische Jerusalem, die triumphierende Kirche der Heiligen, herauswachse. An diese hohen Wahrheiten erinnert treffend der 126. Psalm: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, so bauen die Bauleute um= sonst . . .", sowie die flehentlichen Bittrufe der Allerheiligenlitanei. Vom Ecksteine aus umzieht zuletzt der Bischof oder sein Stell= vertreter den ganzen Umkreis der Fundamente des künftigen Gotteshauses. Er besprengt denselben mit Weihwasser und fleht unter Psalmengesang zu Gott, er möge den Neubau von Anfang an in seinen Schuß nehmen, vor allen Anfechtungen des bösen Geistes behüten, segnen, heiligen und zu glücklicher Vollendung führen. Den schönen Schluß der erhebenden Feier bildet der innig fromme und hoffnungsfrohe Hymnus: Veni creator Spiritus „Komm, Schöpfer Geist . . .!" Den licht- und formlosen Weltstoff hatte einst der Heilige Geist im Anfange der Zeit zum Riesendome der sichtbaren Schöpfung ausgestaltet; er hatte die anbetungswürdige Menschheit Jesu Chrifti im Schoße der unbefleckten Jungfrau zum allerheiligsten Gottestempel geschaffen; er hatte die Menschenseele im Wasser der Taufe zu seinem Tempel umgebildet und die Kirche des Welterlösers am ersten Pfingst= feste zu seiner dauernden Heimstätte sich erkoren; nun möge er auch das Kirchengebäude, das hier aus vergänglichem Holz und Stein von Menschenhand errichtet wird, zu einem lebensvollen Abbild und Werkzeug jener großen Geheimnisse seiner liebenden Wirksamkeit formen und gestalten. b) Feierliche Konsekration des neuen Kirchenbaues. Die feierliche Einweihung, Konsekration oder Dedikation eines katholischen Gotteshauses umfaßt deutlich drei Teile. Zunächst ergreift 1 Pf 117, 22. Mt 21, 24. Eph 3, 20. 1 Kor 3, 10. die Kirche feierlich und rechtlich von dem Neubau Besiz, dann reinigt und heiligt sie denselben; zulezt führt sie in dessen Räume die himmlischen Beschüßer und künftigen Bewohner ein. Jedem Teil geht eine entsprechende Einleitung und Vorbereitung voraus. a) Feierliche Besißnahme des Gotteshauses. Die Kirchweihe ist für die ganze Gemeinde ein längst ersehntes, hochbedeutendes Fest. Die Gemeinde wie der weihende Bischof haben am Tage vor der seltenen Feier durch büßendes Fasten zu geläuterter Festfreude ernstlich sich vorbereitet. Auch jezt beginnt die heilige Handlung keineswegs mit lautem Jubel, sondern mit dem demutsvollen Gebete der sieben Bußpsalmen 1, welche, wie schon Origenes bemerkte, den sieben Arten entsprechen, auf welche die göttliche Barmherzigkeit die Sünden nachzulassen pflegt. Der fichere Weg zur Heilung und zu wahrer Freude ist die Buße. Da= hin gehören auch die flehentlichen Anrufungen der Allerheiligenlitanei, welche, wenigstens seit dem 8. Jahrhundert, den Weiheritus einleitet. So durch demutsvolle Gesinnung geläutert und durch die Hilfe der triumphierenden Kirche gestärkt, beginnt der Hohepriester sein ernstes, frommes Werk zuerst am Äußern, dann im Innern des Kirchenbaues. Nach der vorbereitenden Segnung von Salz und Waffer umzieht der Bischof die ganze Kirche dreimal in feierlicher Prozession und besprengt deren äußere Wände mit Weihwasser im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit. Wie der Mensch durch das Wasser und das Wort des Lebens zur neuen Kreatur wiedergeboren wird, so wird hier der Neubau durch eine Art Taufhandlung zu einer höheren Daseinsweise erhoben und für den Dienst Gottes in Besitz genommen. Nach jedem Rundgang um die Kirche stößt der Bischof mit dem Hirtenstab gegen das verschlossene Hauptportal und spricht 2: „Öffnet eure Tore, ihr Fürsten! Ewige Tore, erhebet euch, damit einziehe der König der Herrlichkeit!" Im Innern aber fragt ein Diakon: „Wer ist dieser König der Herrlichkeit?" Der Bischof erwidert: „Der Herr der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit!“ Voll heiliger Ungeduld rufen zulezt alle Begleiter des obersten Hirten: Öffnet, öffnet, öffnet!" Da tun sich die Portale auf. Der Bischof 1 P 6 31 37 50 101 129 142. 2 Vgl. Ps 23, 7 ff. tritt mit seinem Gefolge ein. Auf die Schwelle schreibt er mit dem Hirtenstab das Zeichen der Erlösung und spricht: „Siehe des Kreuzes Zeichen, fliehen sollen alle Truggestalten!" „Friede diesem Hause!“ Und alle rufen: „Amen!" Der schöne Ritus reicht bis ins 9. Jahrhundert hinauf. Er veranschaulicht treffend das Widerstreben der gottentfremdeten Natur gegen den heiligen und heilenden Einfluß der göttlichen Gnade. Die folgende Zeremonie ist noch viel älteren Ursprungs und fällt durch ihre Eigenart auf, schließt sich aber lückenlos an das Vorausgehende an. Nach der erneuten Anrufung des Heiligen Geistes und des ganzen himmlischen Hofes wird auf den Fußboden des Gotteshauses ein großes schräges Kreuz (X) mit breiten Balken aus Asche gelegt. In die Arme desselben zeichnet der Bischof mit dem Hirtenstabe die großen Buchstaben des griechischen und des lateinischen Alphabets. Der Sängerchor trägt inzwischen den Lobgesang des Priesters Zacha= rias vor: Benedictus Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, denn heimgesucht hat er sein Volk und ihm Erlösung verschafft." 1 " Die Erklärung dieses Brauches verdanken wir dem hochverdienten. Altertumsforscher J. B. de Rossi. Um ein Grundstück als Bauplag abzugrenzen, bezeichneten die alten römischen Feldmesser und Gößenpriester den ausgewählten Play mit zwei schräg gekreuzten Linien und beschrieben diese mit Zahlen bzw. mit Buchstaben. Diese Sitte der heidnischen Römer nahm die Kirche in ihren Weiheritus auf, reinigte ihn aber von allem heidnisch-weltlichen Beigeschmack. Dieses geschah zu einer Zeit, als griechische und römische Sprache in Rom nebeneinander bestanden, etwa im 6. Jahrhundert. An Stelle der Zahlen, welche die Größe des Grundstückes angaben, setzte die Kirche die Alphabete der beiden damaligen Weltsprachen. Sie sind eine feierliche Entfaltung der Schriftworte: „Ich bin das Alpha und Omega, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr." Sie deuten, auf das Kreuz Christi gezeichnet, die ewige Liebe des Erlösers an, welcher alle Zungen der Erde Lobpreis singen. Damit wird aber die ursprüngliche Bedeutung der schräggekreuzten Linien nicht ausgeschlossen, sondern mit dem Namen des Weltheilandes verbunden. Das Aschen= kreuz mit seinen Buchstaben auf dem Fußboden der einzuweihenden 1 Of 1, 68-79. Müller, Das Kirchenjahr. 39 Kirche will demnach laut und feierlich verkünden: Chriftus, der gekreuzigte, ewige Gottessohn, nimmt heute dauernd und von Rechts wegen Besitz von diesem Bau zur Verherrlichung Gottes und zu Gunsten der Gemeinschaft aller Rechtgläubigen; das ist fürderhin sein Haus, Gotteshaus, nicht Menschenwohnung! 1 ß) Reinigung und Heiligung des Gotteshauses. Nachdem die Kirche an Christi Statt feierlich und in aller Form Rechtens vom Gotteshause Besiz ergriffen hat, beginnt sie es zu reinigen und zu heiligen, um es zur würdigen Wohnung der un= ermeßlichen Majestät Gottes zu erheben. Der Bischof weiht deshalb einleitend zuerst wiederum mit großer Feierlichkeit Salz, Wasser, Asche und Wein und die Mischung dieser sinnbildlich so bedeutsamen Elemente. Die Mischung heißt „gregorianisches Wasser“, weil sein Ursprung auf Gregor d. Gr. zurückgeführt wird. Nach dieser vorbereitenden Handlung kehrt der Bischof noch einmal zum Hauptportal der Kirche zurück, zeichnet darauf mit dem Hirtenstabe das Kreuzzeichen und fleht, Gott möge alle schädlichen Einflüsse von der einzuweihenden Gnadenstätte fernhalten, dagegen alle guten Gaben von ihr ausströmen lassen. Dann schreitet der Konsekrator sogleich an den Altar, den geheimnisvollen Mittelpunkt des Gotteshauses. Im Hinblick auf das Erlöserleiden Jesu bezeichnet er den Altartisch in der Mitte und an den vier Ecken mit dem Kreuzzeichen und verwendet dazu das gregorianische Wasser. Damit besprengt er unter demütigem Gebet den Altar, von allen Seiten siebenmal ihn umziehend, offenbar im Gedanken an die siebenfachen Gnadenströme der heiligen Sakramente, welche dem Opfer entquellen. Allein das Haus Gottes soll mit der überfließenden Gnade und dem nie versiegenden Segen des göttlichen Erlösers ganz und gar erfüllt sein und die kostbaren Gaben des Himmels in alle Lebensverhältnisse der Menschen von Geschlecht zu Geschlecht entsenden; denn es gleicht dem Paradiese mit seinen vier belebenden und befruchtenden Strömen. Deshalb begibt sich jezt der Bischof von dem geweihten Altar hinweg und umzieht dreimal, besprengend und betend, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, alle vier Wände des Gotteshauses. |