d) Der Oktavtag. Hirtenamtliche Leitung der Gesamtheit und hirtenamtliche Sorge für die einzelnen Seelen in ewig denkwürdiger Vollkommenheit, das war der Gegenstand unserer Festfeier am 29. und 30. Juni. Am Oktavtag des Festes der Apostelfürsten bleibt dem Gottesdienste nur noch dankender Lobpreis und innige Bitte mehr übrig: Lob und Dank dem Allmächtigen und Allgütigen, der sich so gnadenreich an seinen Aposteln geoffenbart hat, Bitte, um ähnliche Gnadengaben zu erlangen, wie sie den Fürsten seines Reiches zu teil geworden sind. Dazu fordert schon der Introitus der Messe des Oktavtages auf: „Von der Weisheit der Heiligen (Apostelfürsten) sollen die Völker reden, und die Kirche soll ihr Lob verkünden; ihr Name lebt in Ewigkeit." 1 Frohlocket, Gerechte, im Herrn; den Redlichen ziemt Lobgesang.' # 2 In Lobeserhebungen der Apostelfürsten ergeht sich auch die Epistel: deren Barmherzigkeit und Tugend, deren Gottseligkeit und den Segen ihres Wirkens für die späteren Geschlechter, endlich deren Ruhm und Weisheit sollen die Völker erzählen und die ganze Kirche verkünden! 3 Vortrefflich gewählt ist das Evangelium. Der hl. Matthäus erzählt eine Fahrt der Jünger Jesu über den See Genesareth zur Zeit der Morgendämmerung bei ungünstigem Winde. Da kommt Jesus. Die Jünger halten ihn anfänglich für ein Gespenst; er beruhigt sie und läßt den Petrus über das Meer hin wandeln. Dieser zagt und zweifelt und fängt an zu sinken. Da faßt ihn der Heiland bei der Hand, steigt mit ihm ins Schiff und nimmt die Hul= digung der Jünger entgegen. Der Wind legt sich. Der bildliche Sinn, den die Kirche heute in der schönen Begebenheit findet, liegt auf der Hand. Fährt nicht das Schiff der Kirche bei Sturm und Nacht über das Meer dieser Welt dahin? Petrus und die Jünger, alle Träger der Hierarchie, arbeiten eifrig und treu, das Fahrzeug an sein Ziel zu führen. Da erscheint Jesus und hilft den Seinen. Petrus erkennt ihn zuerst, denn er soll ja die Brüder bestärken 5; Petrus wird von der starken Hand des Meisters gehalten. 1 Sir 44, 15. 2 Pi 32, 1. 3 Sir 44, 10-15. Jesu Befehl beugt Wind und Wellen; Jesus gibt sichere Fahrt. Jesus gebührt darum alle Ehre. Mögen wir darum die Apostelfürsten immerhin dankbar verehren. Solches geziemt sich. Aber alle Ehrenbezeigung, die wir ihnen und ihren Nachfolgern erweisen, geht schließlich auf den göttlichen Erlöser, den unsichtbaren Steuermann und Hirten der Kirche, zurück. Zum ewigen Schöpfer und Vater aber beten wir mit der Kirche zum Beschlusse der ganzen Festfeier: „Schirme, o Herr, und bewahre dein Volk, welches auf den Schuh deiner Apostel Petrus und Paulus vertraut, in immerwährender Hut. Durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn. . . .“ 1 Drittes Kapitel. Die Sonntage nach Pfingsten. I. Vorbemerkung. Die Zeit zwischen Pfingsten und Advent zählt 23 bis 28 Sonntage, je nachdem das Osterfest früher oder später gefeiert wird 2. Aus der Heiligen Schrift liest die Kirche beim Stundengebet in der Zeit nach Pfingsten bis zum August Abschnitte aus den Königsbüchern. Während des Augusts werden die Sprüche Salomons, der Prediger, das Buch der Weisheit, der Sirazide herangezogen. Im September wird aus Job, Tobias, Judith und Esther, im Oktober aus den Makkabäerbüchern, im November aus Ezechiel und aus den kleinen Propheten gelesen. So läßt die Kirche ihre Priester im Laufe eines Jahres den Kern und die Hauptsache der ganzen Heiligen Schrift betend durchgehen. Damit ehrt sie dieses göttliche Buch und nährt den Geist ihrer Diener fort und fort aus dem Borne der ewigen Weisheit. Alle Sonntage nach Pfingsten haben eigene Meßformularien ; im ganzen sind es deren 24. hat nun die Zeit von Pfingsten bis Advent nur 23 Sonntage, so wird am lezten Sonntag das 1 Gebet nach der Kommunion am Oktavtage. 2 Siehe oben S. 144. Meßformular des 24. Sonntags und am Samstag das Formular des 23. Sonntags verwendet. Die heutigen Meßformulare lassen sich bis ins 8. Jahrhundert hinauf nachweisen. Früher scheint man für die einzelnen Sonntage keine bestimmten Messen gehabt, sondern die Auswahl unter den wenigen, welche vorhanden waren, dem Zelebranten überlassen zu haben. Jede Sonntagsfeier wird in der Regel von einer Zentralidee beherrscht.. Lose und allgemein ist dagegen der Zusammenhang der einzelnen Sonntage untereinander. Ihr Zweck und ihre Aufgabe kann etwa dahin bestimmt werden, daß durch ihre Feier der christ= liche Glaube und das christliche Leben nach allen Seiten und Rücksichten hin gehegt und gepflegt werden solle. In dieser Allgemeinheit des Zieles unterscheidet sich unsere Festzeit von andern, vom Advent, von der Fasten- oder von der österlichen Zeit; denn diese verfolgen Einzelziele und hängen mit bestimmten Hochfesten des Herrn innerlich zusammen. Dem allgemeinen Charakter der Zeit nach Pfingsten entspricht die Auswahl der Evangelien. Sie machen uns mit der öffentlichen Wirksamkeit des göttlichen Erlösers, mit seinen Lehrvorträgen, Wundern 2c. bekannt. Die Episteln sind meistenteils den Briefen des Hl. Paulus entnommen und haben moralischen Charakter. Die liturgische Farbe der Zeit nach Pfingsten ist grün, das Symbol der Hoffnung. Es ist, als ob die Kirche damit ihre freudige und zuversichtliche Erwartung ausdrücken wolle, daß alle, die ihr durch Glaube und Liebe angehören, in der neuen Hochschule des Herrn „die Wahrheit üben in der Liebe und nach allen Seiten hin zunehmen in dem, welcher das Haupt ist, Christus“ 1. Wir müssen uns darauf beschränken, einzelne Gedanken aus der Feier der Sonntage des Festkreises nach Pfingsten herauszuheben. Hierbei sollen selbstverständlich die Episteln und Evangelien in erster Linie berücksichtigt werden. II. Am ersten Sonntag nach Pfingsten. Obwohl der heutige Tag dem Feste der heiligsten Dreifaltigkeit geweiht ist, enthält das Meßbuch der römischen Kirche doch eine vollständige Messe für den Sonntag. Bedeutsam ist das Evan 1 Eph 4, 15. Müller, Das Kirchenjahr. 3333 gelium derselben; es wird am Schlusse der Festmesse an Stelle des Johannesevangeliums gelesen und enthält eine Anweisung Jesu über barmherzige Milde und Nächstenliebe 1. Sie soll sich darin äußern, daß wir über andere aus unberufener Tadelsucht nicht richten und sie nicht verdammen, daß wir ihnen Beleidigungen gerne vergeben und verzeihen, daß wir ihnen von unsern (materiellen und geistigen) Gaben mitzuteilen bereit seien. Die Beweggründe zu solcher Handlungsweise sind: a) Die ewige Gerechtigkeit Gottes wird mit uns verfahren wie wir mit den Mitmenschen. b) Nur dann werden wir fähig sein, andere zur sittlichen Vollkommenheit zu führen und für Gott zu gewinnen, wenn wir solche Geisteshöhe selbst erstiegen haben. Der Jünger ist nicht über dem Meister." " c) Nur dann werden wir dem bittern Vorwurf der Heuchelei entgehen, wenn wir, Liebe predigend und von andern verlangend, sie zuerst selbst üben. III. Am zweiten Sonntag nach Pfingsten. Aus dem Munde des göttlichen Erlösers vernehmen wir heute beim heiligen Evangelium eine herrliche Parabel 2. Ein Hausvater hatte ein Gastmahl veranstaltet und durch seinen treuen und eifrigen Diener eine dreimalige Einladung dazu ergehen lassen. Die Erstgeladenen blieben aus verschiedenen Gründen fern: der eine hatte einen Meierhof gekauft; der andere seine Ochsen zu erproben; der dritte einen Ehebund geschlossen. Eine zweite Einladung erfolgte; aber auch jezt noch blieben viele Pläge leer. So sah sich der Hausherr genötigt, die Leute von den Hecken und Wegen des Landes hereinbringen zu lassen, um die Tafelgesellschaft vollzählig zu machen. Dies der Kern der Parabel. Beachtenswert bleibt der Umstand, daß die Kirche sie mitten in der Oktav des hohen Fronleichnamsfestes liest. Der Gastgeber ist offenbar kein Geringerer als Gott, der Allmächtige selbst. Das Gastmahl ist sein himmlisches Reich mit all seinen Schäßen im Diesseits und im Jenseits, als da sind: die übernatürlich geoffenbarte Wahrheit, die Gnade, das große Geheimnis des Altars, die Anschauung Gottes in der ewigen Glückseligkeit. Im göttlichen Erlöser und in seinen Stellvertretern auf Erden haben wir den einladenden Diener zu erkennen. Die erstgeladenen Gäste werden die Spigen des israelitischen Volkes, die Priester und Schriftgelehrten, die an zweiter Stelle geladenen das ganze auserwählte Volk Israel, die legten endlich die Heiden aller Völker und Zeiten zu sinnbilden haben. Wie kostbar ist das Gastmahl, das Gott der Herr in seinem Reiche bereitet hat! Keine Ausreden können das Fernbleiben von demselben entschuldigen und wären die Gründe auch so ehrenwert und irdisch bedeutsam wie diejenigen, welche die Erstgeladenen anführen. Aus der Kostbarkeit der Gaben erkennen wir die überaus große Liebe des Gebers zu den Geladenen. Daß die Einladung zuerst an die Aristokraten der Bildung und des Besizes ergeht, hat darin seinen Grund, daß sie ungehinderter der Stimme der göttlichen Einladung folgen könnten, wenn sie nur wollten, und daß es ihnen vor allem obliegt, andern durch gutes Beispiel voranzuleuchten. Allein das Herz der Menschen ist derart, daß sie nur zu häufig den Samen des Gotteswortes „in den Sorgen, Reichtümern und Wollüsten des Lebens ersticken und keine Frucht bringen" 1. Von Israels Ersten und Höchsten gewann Jesus beinahe nur Nikodemus und Joseph von Arimathäa; nicht viel reicher war unter ihnen die Ernte der Apostel. Welch eine Warnung und Mahnung an die, welche meinen, an der Spize ihrer Volksgenossen zu stehen, damit nicht auch über sie das Urteil des ewigen Hausvaters ergehe: Keiner soll mein Abendmahl verkosten!" 2 " Wir begreifen, wenn schließlich der göttliche Gastgeber den allgemeinen Auftrag erteilt: Nötige sie, hereinzukommen!" 3 Seine Liebe drängt es, möglichst vielen wohlzutun. Aber deshalb empfiehlt sie bei der dritten Einladung so wenig gewaltsame Mittel wie bei der ersten und zweiten. Aber allerdings sollte kein Weg geistiger Einwirkung unversucht gelassen werden, kein Opfer zu groß und zu schwer erscheinen, wenn es gilt, eine Seele zu retten. So kostbar ist das Gastmahl des Herrn. |