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Meine lieben und treuen Mitbürger!

Das Herz geht mir auf, indem ich Euch so nenne, und ich freue mich, daß ich Euch so nennen darf, daß ich der alten treuen und guten Stadt Osnabrück noch mit so vielen Banden verbunden, noch mit so vielen Wurzeln gleichsam eingewachsen bin; und einen treuen Mitbürger sollt Ihr mich immer finden; und daß ich Euch auch ein lieber Mitbürger bin, das haben mir so viele Beweise von Liebe, von Güte, von Wohlwollen in dieser Zeit gezeigt, daß ich in tiefster Rührung nicht weiß, wie ich Euch, wie ich dem dafür danken soll, um dessen willen ihr mich, der keinen weitern Anspruch an Euch hatte, so freundlich aufgenommen habt.

Unter so vielem Guten, was mir in dieser Zeit zu Theil geworden, rechne ich es mit zu dem Besten, daß es mir vergönnt gewesen, an heiliger Ståtte zu Euch im Namen unseres Gottes einige herzliche und treu gemeinte Worte sprechen zu dürfen. Ihr habt diese Worte mit Vertrauen aufgenommen, wie ein Chriftlicher Prediger es von einer Christlichen Gemeinde erwarten darf; es haben manche Stimmen mich aufgefordert, ich sollte noch einmal von dem Worte des Heils zu Euch reden. Das haben mir die Zeit und andere Pflichten nicht erlaubt; aber ein Abschiedswort möchte ich Euch doch zurufen, und möchte Euch einen Scheidegruß hinterlassen, der vielleicht auch ferner ein Band sei zwischen uns. Wollet Ihr nun den nicht auch mit gutem Vertrauen aufnehmen, und mir's nicht als Anmaßung auslegen, wenn ich mit gutem Vertrauen recht aus dem Herzen zu Euch spreche?

Wie ich hier in meinem nun so einsam gewordenen Vaterhaufe size, im Begriff, aus demselben für immer, auf långere Zeit aus unserer lieben gemeinsamen Heimath zu scheiden, wie ich noch zulett, über Gårten und Bäume hin, unsern lieben Kirchthurm, unser würdiges und ehrenfestes Rathhaus ansehe, dunkel und ernst vor dem hellen, heitern Abendhimmel emporragend: da ergreift mich die Liebe zu dieser Heimath zu mächtig, als daß ich es lassen könnte, das auszusprechen, was mir das Herz bewegt; ja, ich müßte es ordentlich als eine Sünde ansehen, als einen schlechten Lohn für die freundliche Liebe, für

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das offene Vertrauen, mit dem Ihr mir entgegen gekommen, als eine Verlegung der Treue gegen Euch, wenn ich Euch das vorenthalten wollte, was ich für recht und gut und wünschenswerth, ja für uns alle heilsam halten muß. Es geht ja einen theuern und heiligen Gegenstand an, der uns Allen gleich sehr am Herzen liegt, nämlich unsere Kirche und unsern Gottesdienst.

Über Kirche und Gottesdienst wird jezt viel geredet, viel geklagt, viel gewünscht in der Weit. Dessen habe ich viel gehört in der Fremde, viel jest in Deutschland, viel hier in unserer Stadt; es sind dann auch ich will es nicht laug= läugnen in meinem Herzen manche Klagen und Wünsche rege geworden, schon früher, wo ich mich mit diesen Dingen viel bes schäftigt habe, und besonders wiederum jezt hier.

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Denn wenn ich nun wieder in die mir so liebe, altge= wohnte Kirche ging, so wollte mir da, bei aller Erbauung und Stärkung, die ich dort fand, doch immer noch etwas fehlen; es war mir, als wenn ich darin noch nicht vollständig das aussprechen könnte, was ich im Herzen mit den Andern theilte, und was ich darum so gern mit ihnen zusammen vor Gott ausgesprochen hätte, als ob der liebe Gott auch von uns Allen wohl noch etwas mehr gefordert und erwartet håtte, als ob wir daher die Pflicht und das Recht hätten, ihm unsere Anbetung in Preis und Lob und Donk, als ein ihm wohlgefälliges Opfer, noch deutlicher und entschiedener darzubringen. Es kam mir auch wohl so vor, als ob es den Meisten eben so ginge; und haben mir das auch Viele ausgesprochen. Wir gingen

eben hin, und sangen ein Lied, und hörten eine Predigt; und dann gingen wir wieder hinaus, oft erbaut, belehrt, getröstet, gestärkt, aber doch nicht recht mit dem Gefühl, daß wir Gott angebetet und ihm gedient hätten.

Ich habe ein hohes Kirchenfest mit Euch feiern können. Dieser Tag ward mir sehr wichtig. Auch an ihm entfernte sich der größere Theil der Gemeinde gleich nachdem der Prediger die Kanzel verlassen hatte; ein kleinerer Theil blieb, um dem Altardienst beizuwohnen. Da wurde vom Geistlichen und vom Chor eine Reihe Wechselgesänge gehalten, welche die Gemeinde ohne große Theilnahme zuzuhören schien. Ich aber wurde da von freudig überrascht; denn ich hatte gezweifelt, ob diese Sitte in unserer Kirche noch fortdaure, und gerührt, innig gerührt; denn es war gerade das, war mir bisher gefehlt hatte; es war gerade der Theil des Gottesdienstes, den wir als den allerålte

sten in der Christlichen Kirche nachweisen können; es war die schönste, würdigste, Jahrhunderte, beinah Jahrtausende, irog allen Verirrungen, erhaltene Form der Anbetung. Aber wie schmerzte mich's, diese für die Gemeinde so ganz verloren zu sehen, daß sie weder mit dem Herzen noch mit dem Munde daran Theil nehmen konnte! denn sie war ja lateinisch. Was sollten unsere Frauen, was sollten unsere schlichten wackern Landleute, was sollten alle die frommen Christen, die nicht lateinisch verstehen, damit machen? *)

Bewegt, gerührt ging ich aus der Kirche. Hier war, wenigstens an diesem Einen Tage und an wenigen andern Festen im Jahre, das Beste, das Vollkommenste, was zu wůnschen war; und es ging, selbst an diesen hohen, feierlichen Lagen, spurlos und fruchtlos an der Gemeinde vorüber. Nicht spurlos an mir. Ich dachte lange und viel über diese Sache nach; ich schlug unsere alten Kirchen - Ordnungen wieder auf; und es kam mir vor, als ob ohne viel Mühe, ohne viel Ünde

*) Hier der vielleicht Vielen unbekannte Altardienst des Pfingstfestes in deutscher übersehung:

Nachdem der Geistliche nach dem Vater - Unser und Friedensgruß die Kanzel verlassen, folgt ein kurzes Orgelspiel; darauf beginnt der Geistliche vor dem Altar:

Der Herr sei mit euch!

Chor: Und mit deinem Geiste.

Der Geistliche: Erhebet eure Herzen!

Chor: Wir erheben sie zum Herrn.

Der Geistliche: Lasset uns danken dem Herrn unserm Gott.
Chor: Das ist recht und würdig.

Der Geistliche: Wahrhaft recht ist es und würdig, billig und heilbringend, dir, o Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, Dank zu sagen an allen Orten und zu allen Zeiten, durch Christum unsern Herrn, welcher, aufgestiegen über alle Himmel und sizend zu Deiner Rechten, den verheißenen Geist ausgegossen hat am heutigen Tage auf die, so du zu deinen Kindern angenommen. Darüber frohlockt mit großer Freude alle Welt auf dem ganzen Erdkreis; aber auch die himmlischen Kräfte und die Heerschaaren der Engel fingen deiner Herrlichkeit den Lobgesang, ohne Aufhören an= stimmend:

Chor: Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr Gott Zebaoth; Himmel und Erde sind deiner Ehre voll.

Alles dieses lateinisch. Darauf aber deutsch:
Der Geistliche: Der Herr sei mit euch!
Chor: Und mit deinem Geiste.

Dann singt der Geistliche ein kurzes Gebet, deutsch; worauf der Chor antwortet: Amen. Wiederum ertheilt der Geistliche den Segen, deutsch singend, und der Chor schließt wieder mit Amen. Ich habe bemerkt, daß diese leßten deutschen Antworten des Chors von einem großen Theil der Gemeinde um mich her mitgesungen wurden. An den andern hohen Festen ist es eben so; nur wechseln die Worte des Gebets je nach dem Anlaß der Festfeier.

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