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Zum dritten Mahle, geliebter Freund, bringe ich Dir dieß Buch zum Geschenke dar, dieß Mahl zu einem besonders geweiheten Eigenthume, als Denkmahl der schönen Zeit, welche wir vor zwanzig Jahren in Berlin unter edlen Freunden in gegenseitiger theologischer und allgemeiner wissenschaftlicher Erbauung mit einander heiter verlebten. Es war die Zeit der ersten kirchlichen und theologischen Krisis nach dem Jahre Dreyzehn, welches ich die volksthümliche Epoche fast aller neueren Entwicklungen in unsrem Vaterlande nennen möchte. Der gesunde, kräftige Lebenston dieser Epoche durchdrang damahls noch in voller Stärke alle Empfänglichen, so Weltere, wie Jüngere, und verbreitete auch unter uns eine Freudigkeit und Frische des Hoffens und Wirkens, wie ich sie seitdem nicht wieder empfunden habe. In dem neuerwachten, kirchlichen Leben, woran wir Theil nahmen, so wie unter den wissenschaftlichen Anregungen von Schleiermacher, Neander und de Wette, in denen wir bey aller Verschiedenheit ihrer Richtungen die zusammengehörigften Häupter der neueren theologischen Bildung verehrten, fanden wir, Jeder nach seiner Art, die kräftigsten Antriebe und die freyesten Standpuncte für unsern theologischen Beruf, sowohl den wissenschaftlichen, als den praktischen. Solche Zeiten haben ihre unvergånglichen Spuren nicht bloß in dem Gedächtnisse, sondern eben vornehmlich in der Lebensentwicklung, in dem

Thun der Menschen. Ich hoffe, geliebter Freund, daß Du in diesem Werke, dessen Aufgabe damahls für mich entstand, wie für Dich Dein Val. Andreå und Dein Spener, die Spuren des frischen und heitern theologischen Geistes aus jener Zeit nicht allzusehr vermissen wirst.

Das Werk ist freylich mit der Zeit ålter und auch ein anderes geworden, als es bey seiner ersten, etwas jugendlich voreiligen Erscheinung war.

Jene jugendliche Zeit, sie ist auf immer für uns geschlossen. Wie vieles ist seitdem unter uns anders geworden! Die damahls zusammen waren, sind meistentheils zerstreuet. Geliebte Freunde hat Gott vor uns abgerufen. Auch Schleiermacher, den wir vorzugsweise unsern geistigen Vater nannten, ist dahin geschieden, nach menschlichen Gedanken zu früh. Mit ihm ist eine der bedeutendsten theologischen Persönlichkeiten aus der Zeit hinweggenommen. Aber sein Geist wirkt in mündlicher und schriftlicher Rede fort, und macht sich auch unter Verkennung, gerechtem und ungerechtem Widerspruch, ja Låsterung, seinem Wesen und seiner Wahrheit nach immer mehr geltend als einer der kräftigsten Wendepuncte der Theologie, dessen Einfluß sich Niemand ganz entziehen kann. Auf jene heilsame, überwiegend positive Krisis in der Kirche und Theologie, der er vorzugsweise angehörte, und die er zum Theil mit hervorgerufen hatte, sind andere gefolgt, zum Theil unerwartete, ja einige weniger zum Leben, als zum Tode. Es fehlt nicht an den erfreulichsten Fortschritten in kräftiger, gesunder Mitte,

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aber daneben sind auch Gegensäße bis zur äußersten Linken und Rechten, Uebertreibungen und. Ueberreizun= gen, Abspannungen und Erschlaffungen, Spaltungen und Befehdungen, ja ergernisse schlimmster Art hervorgetreten, die auch den Ruhigsten ångstigen, und dem Friedlichsten nicht gestatten, ohne Kampf und Streit zu seyn. Indessen, Gott hat auch dieß zum Heile geordnet, und damit Jedem die Aufgabe geseßt, unter den Bewegungen und Erschütterungen der Zeit in ruhiger Besonnenheit, in Klarheit und Freyheit sich ein festes Biel und einen sicheren Grund zu suchen und zu behaupten. Ich bin mir bewußt, diese Aufgabe erkannt, und auch mit Fleiß nach Kräften an ihrer Lösung für mich gearbeitet zu haben. Unter diesen Bestrebungen ist das Werk in der zweyten und dritten Auflage gleichsam mit mir aufgewachsen und durch die bildende Macht der Zeit und den eigenen Bildungstrieb meines Geistes reifer und männlicher geworden. So bringe ich es Dir, wünschend und hoffend, daß es Dir und Andern durch die treue månnliche Arbeit an der Erkenntniß der Wahrheit und die Früchte derselben immer nüßlicher und lieber werden möge.

Ich habe die neueren eregetischen Arbeiten über das Evangelium fleißig benußt und daraus gern ge= lernt. Auch die neueren, schärferen Verhandlungen über die Echtheit und Glaubwürdigkeit desselben habe ich aufmerksam durchforscht, und, so viel an mir ist, unparthenisch geprüft. Du wirst finden, daß ich, obwohl unerschüttert in meiner Ueberzeugung, doch auf

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der gegnerischen Seite Wahrheit und Recht gern anerkannt habe. Es hilft in der That nichts, Schwåchen und Mängel in den historischen und eregetischen Glaubensgründen, sobald sie fühlbar geworden sind, sich und Andern zu verhehlen. Schäden sind die gefährlichsten.

Verborgene, verhehlte
Nur Wirkliches und

Wahres, nur echt Gesundes besteht die Probe des Glaubens wie der Wissenschaft. Und so habe ich manches, was mir unhaltbar schien, so lieb es mir geworden war, um der Wahrheit willen aufgegeben.

Auch diese neue Auflage wird ihre Mängel und Irrthümer haben. So bin ich schon jeht selbst unzufrieden theils damit, daß manches nicht kürzer behandelt ist, theils damit, daß ich die strengere philologische Methode, wie sie z. B. von unsrem Freunde Bleek und von Dr. Frißsche geübt wird, nicht mehr und gleichmäßiger inne gehalten habe. Was das letztere betrifft, so hat freylich darin Jeder seine Weise. Aber eine gewisse Strenge oder Genauigkeit geziemt Allen, gleichsam von Amtswegen. Zu meiner Entschuldigung dient, daß gerade dieser erste Theil eine Menge von historischen und dogmatischen Untersuchungen und Debatten fordert, welche den Raum für ausführlichere kritische und grammatische Erörterung etwas beengen. Ich hoffe aber, daß der zweyte Theil mir mehr Raum und Lust für Leistungen der Art gewähren wird. Habe ich geirrt, so werde ich für jede Belehrung und Weisung dankbar seyn; auch die unfreundliche und übermüthige soll mich nicht ungelehrig finden. Aber man weise an Ort und Stelle nach, wo ich gefehlt habe.

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