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daß sämmtliche vier Evangelien erst am Ende des ersten oder im Anfange des zweyten Jahrhunderts aus apostolischen Traditionen über das Leben Jesu, schriftlichen und mündlichen, von unbekannten Männern gesammelt und verfaßt seyen. Das Evangelium des Johannes insbesondere sen aus eigenhändigen Aufsäten und mündlichen Relatio= nen des Apostels durch einen Freund desselben, der dabey auch anderweitige Nachrichten benußte, componirt 1).

Die neuere Protestantische Kritik der Evangelien fing damahls in Deutschland eben erst an. Es war natürlich, daß sie mit Zweifeln und neuen Hypothesen anfing. Unglücklicher Weise traf sie mit dem Kantischen Rationalismus und dem rationalistischen Popularismus der Zeit zusammen. So wurde das rein historische Interesse durch das dogmatische mehr und weniger gestört und verunreinigt. Aber es war von dem lebendigen Triebe und Ernste der deutschen Wissenschaft und dem Christlichen Geiste zu erwarten, daß man dabey nicht stehen bleiben würde.

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Die Schwäche der Eckermannschen Angriffe und Vermuthungen wurden von Storr 2), Süskind 5) und andern aufgedeckt. Aber jener Versuch, die Authentie und Kanonicität des Joh. Evangeliums wenigstens einen Grad tiefer zu sehen, war nur der Vorbote von viel heftigeren Angriffen. Man muß gestehen, daß die kritischen Fragen an das Joh. Evangelium weder von Eckermann erschöpft, noch von seinen Gegnern vollständig beantwortet worden waren. Der ernste kritische Trieb der neueren Theologie, den Glauben der Gemeinde wissenschaftlich zu begründen und zu reinigen, ist in den meisten Angriffen und Zwei

1) U. a. D. S. 213.

2) In seiner Abhandlung: Hat Jesus seine Wunder für einen Beweis seiner göttlichen Sendung erklärt, in Flatts Magazin. St. 4. S. 234 ff.

3) In Flatts Magazin St. 6. S. 95 ff.: Aus welchen Gründen nahm Frendus die Echtheit unserer vier Evangelien an?

feln unverkennbar. So nahm Schmidt in Gießen, nachdem er sich den Zweifelsgrund, den er in dem Schweigen des Papias über das Evang. des Joh. fand 1), selber gelöst hatte, mit edler Wahrheitsliebe sein Bedenken wieder zurück. Aber vergebens sucht man es sich zu verhehlen, daß um dieselbe Zeit in der Kritik des Kanons eine Richtung hervortrat, die man sehr billig beurtheilt, wenn man sie eine leichtsinnige nennt. Diese Richtung, welche allem Positiven und Historischen im Christenthume feind war, von dem apostolischen Alterthume nichts glaubte und anerkannte, als was sie von modernen Abstractionen hineingetragen hatte, und am Ende nichts mehr verstand, als ihre eigene Flachheit und Leerheit, darf mit dem ernsten wahrheitsliebenden Fragen und Zweifeln der Zeit nicht verwechselt werden. Dieß war der reine Strom, der weiter führte, jenes die wilden und unreinen Wasser daneben.

Aus dem frivolen Zeitgeiste ist die anonyme Schrift "mit dem stolzen Titel: Der Evangelist Johannes und seine Ausleger vor dem jüngsten Gericht 1801 2) hervorgegangen. Mangel an gründlicher Gelehrsamkeit und Forschung vereinigt sich mit affectirtem Wih und Spott über das kirchliche Alterthum, über die bisherige Auslegung und den tieferen Inhalt des Joh. Evang., um diese Schrift, welche seltsam genug dem Dichter Jean Paul gewidmet ist, zu einer der widerlichsten zu machen. Der Verf., ein Kantianer, der aber von dem tiefsinnigen Kant nur die nega= tive Seite und zwar sehr oberflächlich begriffen hatte, sucht aus äußeren und inneren Gründen zu zeigen, daß der Apostel Johannes nicht der Verf. des Evangeliums seyn könne. Kein Zeugniß des Alterthums gilt ihm etwas gegen den Augenschein, den oberflächlichsten, dem er folgt.

1) Bibliothek für Kritik und Eregese. 2, 1. 2) Furchtsam hatte der Verf. sich nicht genannt, nicht einmahl den Drudort angegeben. Man erfuhr aber bald, daß der Superintendent Vogel in Wunsiedel in Franken der Verf. sey.

Weil Kap. 21, 23. nur nach dem Tode des Apostels und B. 24. u. 25. nicht von seiner Hand geschrieben seyn könne, so sey das ganze Evangelium auch erst nach seinem Tode geschrieben, allem Anscheine nach von einem Judenchristen, der in Kleinasien oder vielleicht in Alexandrien lebte. Darauf weise der ganze Stoff und die Ideenform des Ev. hin, und besonders der Schluß, worin der Verf. sich bemühe, das Ansehn Petri gegen die Paulinischen oder Heidenchristen in Schutz zu nehmen. Am Ende aber findet der Anonymus doch wahrscheinlich, daß, weil sich der Verf. des Evangeliums auf des Apostels Zeugniß berufe, ein schriftlicher Auffah, der entweder wirklich von Johannes gewesen oder ihm von der Tradition zugeschrieben worden, zum Grunde liege, aber völlig umgearbeitet und auf das mannigfaltigste interpolirt. So tritt er der Eckermannschen Ansicht näher. Aber er verwirft die kanonische Auctoritat des Evang. völlig. Ein solches Product könne, meint er, für unsere Zeit, in der man die Religion nicht von der Messiaslehre abhängig mache, in Jüdische Vorstellun= gen nicht eingeweihet sey, historisch streng erwiesene Thatfachen fordere, übersinnliche Begebenheiten für einen Widerspruch halte, und kein Gebiet der Uebervernunft anerkenne, weder Werth noch Nuhen haben, nicht einmahl den Werth der drey ersten Evangelien, in denen kein solches Jagen nach Wundern und zwar den stupendesten, und in den Reden Jesu alles hübsch moralisch sey."

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Zur Ehre der Evangelischen Kirche und Wissenschaft fand die Schrift fast überall Widerspruch und gehörige Widerlegung. Die Gegenschriften von Süskind 1) und Schleker 2) waren die bedeutendsten und eingreifendsten.

1) Beytrag zur Vertheidigung der Echtheit des Evangeliums des Johannes, in Süskinds Magazin Heft 9.

2) Versuch einer Widerlegung der hauptsächlichsten Einwürfe, die in der neuesten Zeit gegen die Echtheit des Evangeliums Johannis gemacht sind. Mit einer Vorrede von Ziegler. 1802. 8.

Nur wenige stimmten bey. Den Ton tadelte jeder. Aber der Zweifel war einmahl zur vollen Freiheit entbunden worden. So mußte seine Kraft auch erst völlig erschöpft werden, ehe die Christliche Gemeinde wegen eines ihrer größten historischen Kleinodien von Seiten der Kritik beruhigt werden konnte.

Mit edler Wahrheitsliebe warf Horst in Henke's Mufeum) die Frage auf:,,ob sich die Echtheit des Joh. Evangeliums aus hinreichenden Gründen bezweifeln lasse, und welches der wahrscheinliche Ursprung dieser Schrift fey?" Er antwortete: die Einwürfe in der Schrift, der Evangelist Johannes und seine Ausleger vor dem jüngsten Gericht, seyen zum Theil sehr schwach und grundlos, aber der Mangel an sicheren Spuren von dem kanonischen Gebrauche des Joh. Evangeliums bey den Katholikern bis in die Mitte des 2ten Ihdts und darüber hinaus; ferner, daß die erste Bekanntschaft mit demselben nicht in Kleinasien, wo Joh. das Evangelium geschrieben haben solle, sondern im Abendlande vorkomme; sodann, daß das Evangelium namentlich in der Lehre von dem Höheren in Christo voll Widersprüche sey 2); endlich der Alexandrinischgnostische Ton seines Inhalts, das alles sey Grund genug, um die Echtheit des Evangeliums im höchsten Grade verdächtig und zweifelhaft zu machen. Das Evangelium sey unter dem Namen des Apostels Johannes, der wohl nie' an ein solches Evangelium gedacht, auch nie so viel Griechisch verstanden habe, am Ende des ersten oder im Anfange des zweyten Jahrhunderts von einem Alexandrinischen Manne aus verschiedenen, zum Theil widersprechenden Quellen verfaßt, von Alexandrien nach Rom gekommen, und hier, in der Mitte des 2ten Jhdts, vornehmlich durch Auctorität des Polykarp und des Röm.

1) Bd. 1. Heft 1. S. 47 ff.

2) S. ebendas. S. 20 ff.

Bischofs Anicetus empfohlen, zur kanonischen Geltung in der Kirche gelangt.

Diesen Zweifeln und Vermuthungen fehlte es nicht an einem gewissen Scheine. Aber man fand doch bald, daß sie keinen andern Grund hatten, als eine geringe Kenntniß und willkührliche Behandlung der alten Geschichte und eine oberflächliche Auslegung des Evangeliums, die bey dem ersten Anscheine des Widerspruches stehen blieb. Seltsam genug! gegen den Glauben an die Authentic des Evangeliums gebrauchte H. das Schweigen der alten Kirche als Hauptgrund, für seine Hypothese aber hatte er keinen andern Schuß, als eben dieses Schweigen. So schuf er sie recht eigentlich aus Nichts. Die natürliche, organische Entwicklung der alten Kirche war ihm fremd.

Auch gegen diesen Gegner trat mit überlegenen Waffen der Gelehrsamkeit und des Verstandes Süskind in die Schranken, und, indem er in zwey Abhandlungen 1) die Zweifelsgründe von Horst widerlegte, zeigte er den Ungrund der neuen Hypothese. Auch Nöldeke suchte in Henke's Museum 2) die Scheinwidersprüche im Evangelium zu lösen und die Joh. Authentie zu retten. Noch Andere widersprachen der Horstischen Hypothese und vertheidigten das Evangelium mit Liebe und Gelehrsamkeit. Es erprobte sich damahls, wie tiefe Wurzel es im Christlichen Denken geschlagen hatte. Und nachdem besonders Dr. Wegscheiders Versuch einer vollständigen Einleitung in das Evangelium 3), und die gelehrte Vertheidigungsschrift des Holländers Wilh.

1) Süskinds Magazin Stück 11.: Noch etwas zur Vertheidigung der Echtheit des Ev. Joh. S. 57 ff. und über einige anscheinende Widersprüche im Ev. d. Joh. in Absicht auf das Höhere in Christo. S. 110 ff.

2) Bd. 2. Heft 1. Vergl. auch Andr. Fr. Gottl. Glaser dissert. exegetica historica de loanne apost. evangelii, quod eius nomen prae se fert, vero auctore. Helmst. 1806. 4.

3) Göttingen, 1806.

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