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von dem Leben Christi ein in sich wahres, zusammenstimmendes Gesammtbild. Sie selbst stellen uns das Leben, Lehren und Thun Christi bey aller Einfachheit als ein so reiches, mannigfaltiges dar, daß zu verwundern wäre, wenn nicht von verschiedenen Standpuncten und bey verschiedenen Fähigkeiten und Richtungen je långer je mehr verschiedene Auffassungen und Darstellungen entstanden wåren. Die oft angeführte Verschiedenheit der Xenophontischen und Platonischen Darstellung des Sokrates 1) ist eine um so treffendere Analogie, da sie einen Schluß ad maius gestattet. Bey der Kürze des öffentlichen Lebens und Lehrens, und der ungleich größeren und verborgeneren Hoheit Christi, und bey dem an sich tiefer liegenden religiósen Stoffe, mußten die Auffassungen und Darstellungen zumahl ungebildeter und ungeübter Schüler weit verschie= dener ausfallen, als dort, wo geübte Denker und Schriftz steller einen doch ziemlich begränzten, einfachen Stoff_dar= zustellen hatten. Sonach kann darin, daß die Johanneische Relation in ihrer individuellen Eigenthümlichkeit von der synoptischen vielfach abweicht, an sich kein Grund ́ liegen, ihre historische Wahrheit und apostolische Authentie zu be= zweifeln. Freylich werden wir eben deßhalb auch dem Joh. Evangelium keine absolute Glaubwürdigkeit auf Kosten der synoptischen zuschreiben dürfen. Die relative Glaubwürdigkeit hat ihre Grade; je unmittelbarer apostolisch der Bericht ist, desto größer ist sie; aber das absolute Maximum davon kann, den synoptischen Evangelien gegenüber, selbst der Apostel Johannes nicht in Anspruch nehmen, um fo weniger, je individueller feine Darstellung ist, und je spåter nach den Begebenheiten verfaßt. Uber allerdings hat die Verschiedenheit der evangelischen Berichte an der Einheit und Unveränderlichkeit der Thatsachen selbst ihre Schranke. Man würde die Joh. Relation als unapostolisch und erdichtet

1) S. Ritters Geschichte der Philos. Bd. 2. S. 43 ff.

verwerfen müssen, wenn sie mit der synoptischen Geschichte Christi in einem durchgängigen und wesentlichen Widers spruch stånde. Wer aber die drey ersten Evangelien für gleich problematisch hielte, der könnte in diesem Falle eben so gut auch den umgekehrten: Schluß machen zu Gunsten des Johannes, je nachdem ihm aus anderweitigen Gründen das Johanneische Bild von Christo das wahrere zu seyn schiene, oder auch nur das liebere. Dann aber fiele die Entscheidung ganz außerhalb des historischen Gebietes.

Bleiben wir nun zunächst auf dem historischen Gebiete stehen, und prüfen unter der Voraussehung der relativen Glaubwürdigkeit der synoptischen Evangelien die Verschiedenheiten und Widersprüche zwischen ihnen und Johannes 1) im Einzelnen genauer! Jeder angreifenden Kritik ist es natürlich, den Bogen so straff als möglich zu spannen. Und so darf nicht befremden, wenn die Verschiedenheiten und Widersprüche von den Gegnern überall auf die Spihen getrieben den Schein des Spezifischen bekommen, während sie auf ihr wahres Maaß gebracht doch nur quantitativer Art find.

Der hervorstechendste Gegensatz zwischen Johannes und den Synoptikern liegt in der Lehr- und Redeweise Jesu. Diese nun, sagt man, sey in den synoptischen Evangelien einfach, gnomisch oder spruchartig, parabolisch, voll natúrlicher, jüdischrabbinischer Beredtsamkeit, ohne dialektische Künsteley, ohne Mystik, in dem Joh. Evangelium dagegen fast von allem das unvereinbare Gegentheil.

Dieser Unterschied ist im Allgemeinen unverkennbar. Allein auch in den drey ersten Evangelien spricht und lehrt

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1) Die frühere Betrachtungsweise dieses Unterschiedes s. in E. A. Borger's Schrift: de constanti et aequabili J. Chr. indole, doctrina et docendi ratione s. Comment. de evangelio Ioannis cum Matth. Marci et Lucae evangeliis comparato. P. 1. 1816. 8. In Folge von Bretschneiders Probabilia erschien Rettberg (Gdtting. Preis: fchrift) an loannes in exhibenda lesu natura reliquis canonicis scriptis repugnet. Gotting. 1826. 8.

doch Jesus nicht überall auf dieselbe Weise, sondern in den verschiedenen Kreisen und Verhältnissen verschieden, bald überwiegend gnomisch und parabolisch, wenn er mit dem Volke zu thun hat, oder den Jüngern die ersten an regenden Belehrungen, oder in gebietender und verbietender Form besondere Instructionen ertheilt, bald aber, wenn er mit gelehrten und gebildeten Gegnern sich streitend unterredet, mehr dialektisch und argumentirend, wie z. B. Matth. 12, 22 ff. 22, 15 ff. 23 ff. 41 ff. Da die synoptischen Evangelien mehr das Leben Chrifti unter dem Volke darstellen, so ist natürlich, daß die mehr populåre Rede- und Lehrweise Christi bey ihnen vorherrscht. Die allgemeine Tradition, woraus sie hervorgegangen sind, erfaßte natürlich mehr das Frappante, Kurze, die behaltbarsten Spißen. Johannes dagegen theilt gerade eine Auswahl solcher Unters redungen mit, in denen Jesus theils rabbinische Gegner bestreitet, theils in vertrauteren Kreisen seine Lehre genauer entwickelt und eindrücklich zu machen sucht. Man kann nicht sagen, daß darin der Jüdische Typus etwa zurücktråte. Das Jüdisch Naive, Parabolische, Gnomische fehlt darin nicht ganz, vergl. 4, 9 ff. 33 ff. 6, 32 ff. 10, 1 ff. 15, 1 ff. Aber freylich spricht Jesus bey Johannes mehr allegorisirend, mehr in ånigmatischer, bildlicher Rede; als parabolisch nach synoptischer Art. Er sucht, wie es scheint, das Paradore 1), Doppelsinnige, und die bildliche Rede spinnt sich, phne Parabel zu werden, oft långer fort, als man erwartet. Allein dieß ist doch auch, wenn man will, Jüdische Art. Sie wird auch durch die synoptische, um so weniger ausgeschlossen, da, wie nachher sich zeigen wird, weder Johannes, noch die Synoptiker die Reden Christi buchstäblich authentisch referiren, und Johannes bewuß ter Weise gerade am wenigsten, so daß nach billigem Abzug

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1) Nach Weiße fehlt den Joh. Reden alle sogenannte Pointe, woran die synoptischen so_reich seyen. Über dieß ist eben nur eine handgreifliche Uebertreibung.

der Verschiedenheit, die in der unverkennbaren Johanneischen Einmischung und der synoptischen Enthaltsamkeit und auch wohl Ermäßigung liegt, die Substanz der Reden Jesu in beyderley Relationen gleicher wird.

Man wirft der Johanneischen Redeweise Jesu ein gewisses mystisches Dunkel vor, welches eben von Johannes ausgehe. Aber, wenn darunter verstanden wird das Hinausweisen Chrifti über seine irdische Erscheinung und den nächsten, populåren, praktischen Eindruck derselben auf den himmlischen Hintergrund feines Wesens, so hat freylich Johannes mehr solche mystische Reden, aber die Synoptiker lassen es doch nicht ganz daran fehlen, s. Matth. 11, 25 ff. 22, 41 ff. 25, 31 ff.

Dieß führt unmittelbar auf den Lehrinhalt der Reden Jesu, der ihre Form wesentlich bestimmt. Man hat gesagt, dieser vornehmlich sey bey Johannes ein we sentlich anderer, als bey den Synoptikern.

Die synoptischen Reden sind allerdings mehr ethischen, als dogmatischen Inhalts; sie haben vorzugsweise die sittliche Idee des Reiches Gottes zu ihrem Gegenstande, und sind in sofern faßlicher, praktischer, auch mannigfaltiger, selbst in ihrem polemischen Theile. Die Johanneischen dagegen, besonders auch die polemischen, find vornehmlich Entwicklungen des Sahes, daß der Logos in Christo Mensch geworden, also mehr dogmatischer Art, und schon in sofern einförmiger. Ihr Hauptinhalt ist die Person, Würde und höhere Natur Christi. Die Idee des göttlichen Reiches tritt in diesem bestimmten Ausdrucke mehr zurück. Aber diese Idee fehlt doch bey Johannes nicht ganz 1, 50. 3, 3 ff.; ja in anderer, weniger historischen Gestalt auf ihren wahren Inhalt, als die Gemeinschaft Himmels und der Erde 1, 52., als die Gemeinschaft mit dem Erlöser im Glauben und in der Liebe, zurückgeführt, durchdringt sie die såmmtlichen Johanneischen Reden. Mag die synoptische Fassung mehr die ursprüngliche seyn, die Johanneische ist darum

nicht unwahr, sie ist mehr Entwicklung, aber sie entwickelt dieselbige sittliche Idee. Es stånde schlimm, wenn, wie man wohl gesagt hat, Jesus in den synoptischen Relationen ein ganz anderes persönliches Bewußtseyn von sich hätte, als in der Johanneischen, dort eben nur als ausgezeichneter vorzugsweise Messianischer Prophet von besondern Gaben gelten wollte, hier aber als übermenschliches Wesen. Allein so wenig er bey Johannes verleugnet, ein wahrer Mensch zu seyn, ein großer Lehrer und Prophet, so wenig fehlt ihm in den Synoptikern, z. B. Matth. 25, 31 ff. 26, 64. 28, 18. 11, 25 ff. 22, 41 ff., das Bewußtseyn, der Sohn Gottes in einem Sinne zu seyn, der mit dem Johanneischen so sehr zusammenfällt, daß der eine den andern voraussetzt und in sich schließt. Was von Verschiedenheit zurückbleibt, erklärt sich leicht daraus, daß Johannes die synoptische Tradition voraussehend eben die Absicht hat, Christum vorzugsweise unter dem Gesichtspuncte des eingebornen Sohnes, des menschgewordenen Logos darzustel= len, und zu dem Ende die betreffenden Reden und Aussprüche Christi zusammenstellt und entwickelt. Damit hångt denn auch zusammen, daß Joh. vornehmlich dogmatische Disputationen Jesu mit seinen Gegnern mittheilt. Aber wenn man sagt, in den Synoptikern greife er die Gegner eben nur auf dem sittlichen Gebiete an, im Johannes auf dem dogmatischen, so ist auch das nur ein quantitativer Unterschied. Auch in den synoptischen Streitreden wird das falsche Dogma des Jüdischen Unglaubens bestritten, wie 12, 25 ff. 22, 23 ff. 41 ff., und im Johannes wird der Jüdische Unglaube so sehr bis in seine sittliche Wurzel, den Ehrgeiz, den Mangel an Wahrheitssinn und an Liebe zu Gott, verfolgt, daß man doch am Ende nur sagen kann, dort greife Jesus die sittlichen Erscheinungsformen des Jüdischen Unglaubens an, hier seine innersten sittlichen Wurzeln.

Weder ist der Lehrinhalt der Reden Jesu bey Johannes so einseitig, daß er nicht objectiv als Ergänzung des

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