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Zwei deutsche Fastenpredigten

von 1518.

In der Fastenzeit 1518 behandelte Luther Mittwochs und Freitags vor der Gemeinde die herkömmlichen Perikopen. Zwei dieser seiner Predigten find uns deutsch erhalten geblieben und zuerst veröffentlicht in dem sog. Hallischen Theil seiner Werke, dessen Titel, theils schwarz, theils roth gedruckt, also lautet:

Des Ehrwirdigen Herrn, || D. Martini || Lutheri || Bücher, Schrifften vnd Predigten, Welche | In den Wittembergischen, Jhenischen vnd Eislebi || schen Teilen, Kirchen, vnd Hauspostillen, auch zuletzt vor diesem || ausgangenen Aldenburgischen Tomis, nicht zu finden, vnd doch von dem tewren Man GOttes zum teil in Drud ausgangen, vnd sonst geschrieben vnd gepredigt worden sind. || Mit einer Vorrede || Herrn JOH. FRANCISCI BUDDEI, P. P. || (4 3eilen) || [Holzschnitt] || Halle, im Herzogthum Magdeburg. || 3u finden bey Johann Gottfried Rengern Buchhändlern daselbst. Anno MDCCII. ||" In Folio. Herausgeber war Johann Gottfried Zeidler zu Halle.

Hier findet sich die erste derselben, die Mittwoch nach Lätare, 17. März, gehalten, S. 110-113, die andere vom darauf folgenden Freitage . 113-116. Abgedruckt sind sie dann in der Leipziger Ausg. XII S. 614-617 und S. 618-620, bei Walch XII Sp. 1700-1711 und 1712-1721, sowie in der Erlanger Ausg. 1. Aufl. Bd. XVIII. 196-205 nach Walch, 2. Aufl. Bd. XVI S. 3-11 und S. 12-18 nach dem ersten Druck. Wir geben den Tert nach dem Hallischen Theil, wo am Rande vermerkt ist, daß er aus dem Autographon manuscriptum. genommen, das J. G. Zeidler beseffen: wo wir abweichen, wird unten Zeidlers Lesart mitgetheilt. Zu bemerken ist noch, daß Zeidler manchmal Klammern gesezt hat, wo sie dem Sinne nach nicht am Orte sind; er scheint damit andeuten zu wollen, daß er eine in der Handschrift befindliche Lücke so ausgefüllt: wir merken solche Stellen an.

Joh. 9,1-38.

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Ein Predigt Doctoris Martini Luther
Mitwoch nach Letare Anno 1518.
Johannis 9. vom Blindgebornen.

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r wisset wol, lieben Freunde Christi, das ich nicht viel predigens kan, und der halben werde ich ein Nerrisch predigt thun, denn ich bin ein Narr, das ich Gott dance. Darumb mus ich auch Nerrisch schüler haben, Und wer kein Narr sein wil, der mag die ohren zustopffen. Darzu zwingt mich dis Evangelium, denn ir hört, das Christus in diesem Evangelio nichts anders handelt, denn mit den blinden: Christus beschleusst auch, das alle, die da sehen, blind sein, und alle weisen und klugen Narren sein. Das sein Christus wort. Wenn ich das sagt, so würde man mich einen newen Propheten schelten, Aber Christus wird nicht liegen. Nu höret was 15 der heilige Augustinus sagt in der Auslegung dieses Evangelii, da er also spricht: Alles das Christus gethan hat, das sind werck und wort, Werck, in dem das sie geschehen und von Christo verbracht sind, Wort, darumb das sie etwas anzeigen und weisen. Nu ist das ein geschicht, dieweil der blinde sehend worden ist. Es sind auch wort, Denn sie bedeuten einen iglichen menschen, 20 der aus Adam geborn ist. Denn wir sind allesampt blind, und unser liecht und unser erleuchtung ist allein von Christo, unserm fromen trewen Gott.

Dieses von einander zu teilen, werd und wort, gehört einer erleuchten vernunfft. Denn wie viel ist ir gewest, die dis werck gesehen, aber die bedeutung nicht erkant! Sie haben es angesehen als ein werck, aber das wort, 25 die bedeutung, ist inen verborgen geweft. Wo sie es aber erkannt hetten, würden sie one zweivel gesprochen haben: O ich bin viel blinder, denn der ist. Und das ist der rechte verstand, und also ist es noch auff den heutigen tag, das ir viel sind, die scheinen vor der welt in grosser gewalt, kunst, weisheit, fromheit, heiligkeit, keuschheit, reinigkeit und dergleichen. Aber das 30 ist gewis, das allezeit das also verordnet, das bey einem gewaltigen ein verworffener ist, bey dem weisen ein Narr, bey dem fromen ein unfromer, bey dem heiligen ein unheiliger 2c., bey dem gefunden ein krancker, bey dem schönen ein grewlicher erfunden wird 2c. Also fihe nu in alles menschlich geschlecht, so wirstu finden reich und arm, schön und grewlich, lustig und unlustig, freude

21 von einem Christo

und betrübnis, kunst und torheit, weisheit und narrheit, frómkeit und bosheit, und wie das mag genant werden, krumb und schlecht, hoch und nider 2.

Und dis ist nicht on ursach, das Gott wil also durch seine unaussprechliche weisheit das regiment der hoffertigen und klugen hernider werffen. Derhalben hab ein iglicher acht, der mit diesen gaben viel oder wenig begabt sey, s das er sich beh leibe nicht ansehe, sondern seinen Nehesten, der die gabe nicht hat, So wird er sprechen: Ah lieber Gott, ich bin gelert oder from 2c. Aber für Gott bin ich ungelert und vol sünde, wie dieser mein bruder ist, und denn wird sich der Mensch recht finden, wie er in im selber geschickt ist. Denn es ist ein gewisse Regel von Gott ausgefaßt: Alles, was hoch ist und erhebt bey 10 Jef. 11, 3. 4. den Leuten, das ist unachtsam und ein grewel bey Gott. Esaias schreibt: Gott richtet nicht nach dem angesicht der augen oder nach dem gehör der ohren, sondern ein gerecht gericht wird er sprechen. Ob er sagen folt, Ein Mensch, nach dem er ein Mensch ist, richtet nicht weiter, denn als fern er fihet und hört. Also fihet er einen Reichen, gewaltigen, schönen, fromen 2., 15 so nennet er in, als er in sihet. Höret er etwas lustigs oder füffes, Lieblichs, so heisst er das also. Aber Gott keret das alles umb. Alles, was wir schön, Lustig, reich 2c. nennen, heist er arm, kranck, schwach, unmügenhafftig.

Phil. 2, 5-8.

So lerne nu ein iglicher Mensch, so er gnade oder gabe hat von Gott, das er sich der cuffer und schew, lasse davon, Sehe sich nicht an, sondern 20 merck wie sein Nehester geschaffen sey und spiegel sich in im. So mus er gewiss sagen: Ey hat mir Gott einen Spiegel für mein augen gehangen, und ein buch, daraus ich mich selber sol lernen erkennen, Ah Gott, ich sehe nu wol, was mein bruder auswendig ist, bin ich innen, Lernt sich also selber erkennen und sich nicht erheben. Es ist also beschlossen, es kan niemand 23 fürüber. Denn wir sehen in allen worten und werden Christi nichts denn lauter demut.

Also ists in diesem Evangelio auch geschehen. Der blinde Mensch was ein anzeigen der blindheit, die in irem herzen verborgen lag. Hieraus folgt nu, das die wort Augustini war sein, das die werck Christi wort sein und 30 wiederumb die wort werd zc. Darum beschleusst der Herr im ende dieses Evangelii, da sie sagten, die abgesonderten und geistlichen Juden: Ey find wir denn auch blind? Die da blind sind, die sehen und sein on sünde. Dieweil aber das ir sagt, das ir schet, so seid ir blind, und die fünde bleibt in euch. Schet wie ein verkertes urteil ist das von Christo. Also sol man das ver- 35 stehen mit allen gaben, die ein mensch haben mag. Die da uns gelert dünden, die sind ungelert für Gott, und wer dis nicht weis, der wird ganz ubel stehen in dem gericht Gottes.

So spricht Sanct Paulus zun Ephefern: Ach lieben brüder, ir solt euch selbs finden, gleich wie Christus gefunden ist, der sich in der form Gottes 40

4 (das) regiment 12 Gott fagt, Richtet

nicht uberhebt, das er dem Vater mocht gleich sein, Sondern er hat sich erinanirt, ganz selber verringert, angenommen die form und die gestalt eins knechts, und ist erfunden worden in aller massen und weisen ein mensch und einem menschen gleich, ja auch also gleich, das er starb umb gehorsams willen seines svaters. Nempt war, lieben freunde Christi, wie ein trefflich tieffes wort das sey. Wir sollen alle gleich sein. Denn er spricht nicht, ein schlechter Mensch, sondern ein solcher, in dem da ist die form Gottes, als da ist gewalt, ehre, gerechtigkeit, weisheit, fromheit, keuscheit, der nie kein böses gethan, der vol ift aller tugend, auch nach der Menscheit, der da uns wolt gleich sein, nicht 10 Gott, nicht als Lucifer, der nach Gottes bilde greiffen wolte, auch nicht als die hoffertigen, die iren Nehesten hernider ansehen, das sie in kaum erkennen mögen als die Hewschrecken. Also hat Christus nicht gethan, er hat abgelegt die gestalt Gottes und ist erfunden in der gestalt des Menschen, in dem fleisch der sünden, wiewol er nie gesündiget, er kund auch nicht fündigen. Darumb 15 ist er worden ein Narr, ein verspottung, verachtung, hohn alles volcks, hat aller unser unglück getragen, und in im sind erfunden alle titel unser armut, und das hat er gethan, auff das wir im freh nachfolgen.

Ist nu die Meinung: Wer in im findet die form Gottes, das ist, den titel der gaben, wie oben gesagt, der erheb sich nicht, sondern er werff sich 20 hernider und gleube genklich, das er der geringste sey in aller der welt. Und das mus also geschehen, sol er anders gen Himel komen, es geschehe mit willen oder wider seinen willen. Also sind seine werck wort. Darumb sagt jener recht: Qui non videt mysteria Dei, coecus est. Igitur hic coecus non vere, sed figura coeci qui intus est in anima. Das ist, Der da nicht sihet 25 und erkennet Gottes verborgen heiligkeit, der ist blind. Und darumb dieser in diesem Evangelio ist allein ein figur der andern blindheit, die in der seelen geschicht.

Warumb aber nu das alles ist gesagt, und wo von es kömpt, sagt Auguftinus, ist von der ubertrettung Ade, zu dem der teufel sagte: Ewer augen 1. Mof. 3, 5. 30 werden auffgethan werden, erkennen böses und gutes als wie Gott. O du böswicht, schalck und verreter! Sehet, er wil sie füren in die gestalt Gottes, darumb sagt er: Ewer augen werden sich öffnen, das ist, sie werden blind werden. Vorhin waren ire augen zu, aber nach dem fall werden sie geöffnet.

Hieraus folget, als da leret der kluge scharffe Schulmeister Origenes, 35 das da seien zweierley augen des Menschen, sein eigen augen und Gottes augen. Nu find unser beide augen innerlich und eusserlich augen Gottes. Ja auch aller unser glieder, und alles was in uns ist, sind Instrument und werckzeug Gottes, und ist nichts unser, so sie von Gott regiret werden. Aber denn sind sie unser, wenn wir von Gott verlassen werden, das ist das auge, das uns 40 scandalizirt und ergert, das sollen wir ausgraben, als Christus sagt, und von Matth. 5, 29.

11 ire Nehesten 32 (darumb jagt er)

uns werffen. Davon kömpt es her, das wir lieber sehen was schön, seuberlich, wolgestalt, als ist gold, silber, lieber ein junge Grethe oder ein jungen Hansen, denn ein alt Weib oder ein alten Hansen. Und dis ist die Meusefalle, die unser finne betrügt, als im Genesi geschrieben stehet von Adam. Also find unser augen auffgethan, das ist, wir sind gang blind worden, das wir den s schein, wie ist gesagt, auch gut achten, und armut, ungestalt 2c. für böse halten. Das hat der teufel uns geleret, des augen sind es auch. Aber Christus ist darumb komen, das er diese augen lere zu thun, und die blindheit weg zu nemen, auff das wir nicht unterscheid machen unter jung und alten, schön und grewlich 2c., sondern es gelte gleich weise oder thor, flug oder Narr, Man 10 oder Weib, und sey gnug daran, das er ein Mensch sey von unserm blut und fleisch, ein gemein leib unter allen.

Und dazu gehört ein schöne, scharffe und wolgeübte vernunfft. Christus sihet das nicht an, denn er giebt also schier einem alten ungeschaffen weib finder und ehre, als in Rachel und Lya klerlich wird angezeigt, denn einem 15 schönen Weibe. Es gilt im gleich, darinne er sein werdk scheinen lefft. Also 1. Cor. 1, 19. jagt Gott: Ich wil vertreiben die weisheit der weisen, und die klugheit der Jef. 66, 4. klugen wil ich verwerffen. Esaias spricht: Ich wil mir erwelen, das sie ver1 Cor. 1, 27. spotten, verachten. Sanctus Paulus sagt auch: also ist die ruffung Gottes, das sie die Krancken auffnimpt und die Thoren, auff das er die klugen con= 20 fundire und bescheme.

Dieweil nu Christus das thut, und schetzt das böse, das wir gut scheßen, und wiederumb, so nimpt er alles hinweg, was uns gelüftet, und gibt alles, was uns verdreust. Das hat Christus practicirt und beweret. Gott ist Mensch worden, als oben gesagt. In seinen lezten tagen finden wir, das wir 25 das ergste ubel achten, eines schmehlichen todes sterben. So wir ansehen sein ganzes leben, so finden wir nichts, das er hette etwas angenommen, das vor der welt gut were. Er ist ein mal gen Jerusalem eingeritten mit grosser Ehre, und hat seine freude mit schmerzen verbittert. Nu ist das das edelste, das Gott hat, den tod und sterben, das nimpt er an mit liebe und herzlichen 30 frölichen willen aus gehorsam des Vaters. Das fliehen wir und achten das leben edeler denn den Tod. Er umbfehet süssigkeit, gibt sein leben umb den tod, und eben da er ihund sol in den stuel der glorie tretten und mit dem Vater regiren ewiglich, da mus er, und thut es williglichen, am creuß sterben, lesset das leben faren und nimpt den Tod an.

Hat nu das Christus gethan, truß sey dem und einem iglichen, der in Himel komen wil, das er im nicht nachfolge. Und das ist das rechte Heilthumb, davon der Prophet sagt, In reliquiis tuis praeparabis vultum eorum. In deinem Heilthum, oder in deinem Testament, das da stehet im Greuß,

4 betrübt 20 confundirt 24 Das Ghristus 25 gesagt, in seinen letzten tagen. Finden wir

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