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er, dass die Herrmeister, obgleich anfänglich den Erzbischöfen untergeben, später die höchste Gewalt und Autorität im Lande erlangt hätten, denn obwol manche von ihnen sich dessen angemaasst, so wäre es doch rechtlich damit niemals so weit gekommen. Russow wisse auch nicht, dass schon Albert I. von Kaiser Heinrich VI. zum Fürsten des heil. römischen Reichs und zum Landesfürsten und Herrn über ganz Livland erhoben sei und auch dessen Bruder, Bischof von Dorpat, von demselben Kaiser die Würde eines deutschen Reichsfürsten erhalten habe. Er erzähle immer nur von den Herrmeistern und gedenke nur beiläufig und mit wenigen Worten der Erzbischöfe von Riga und der Bischöfe von Dorpat, noch weniger aber derer zu Oesel und Kurland, als ob sie alle keine regierenden Landesfürsten gewesen und wenig oder nichts in der Geschichte Livlands zu bedeuten gehabt, Orden und Herrmeister aber alles allein gethan hätten. So und in noch mehreren ähnlichen Wendungen ergeht sich der Kritiker. Es ist aber unverkennbar, wie gut diese Ausstellungen gerade in den Mund des ehemaligen erzbischöflichen Lehnsmanns und Rathes passen.

Einen zweiten wichtigen Streitpunkt bilden Russow's Anklagen des livländischen, insbesondere des harrisch-wirischen Adels, und freilich wird hier die Kritik erst recht ausfallend gegen den bauernfreundlichen Chronisten, der solche Gesinnung nur habe, weil er selbst bäurischer Herkunft sei. Folgt aber hieraus sofort, dass man den Verfasser der, begangenen Irrthümbe", solange als sein Name nicht bekannt war, für einen harrisch-wirischen Edelmann zu nehmen hatte, wie es Hildebrand in seiner Abhandlung über Heinrich von Lettland (S. 152) gethan hat? Vielmehr finden sich bei ihm wenigstens zwei sehr deutliche Anzeigen, dass er nicht in Reval oder dessen Nähe gelebt habe: 1) in No 53. Hier bescheidet er sich, dass Russow von den dänischen, schwedischen und lübeckischen Kriegen, von den beiden Belagerungen Revals und andern Estland zunächst angehenden Händeln allerdings vielleicht mehr und bessere Kunde gehabt habe als andere die weitt abgelegen seindt". 2) in No 26. Hier verwundert sich der Kritiker, dass der Adel in Harrien und Wirland dem Chronisten seine grobe und unverschämte, Belegung und Diffamation" ungestraft durchgehen lassen und auch die Stadt Reval einen solchen Verleumder in ihrem Dienst behalten,,, welches wahrlich an andern Orten nicht geschehen wäre". Demnach war der Verfasser zwar für einen Adligen, nur gerade für keinen aus Harrien oder Wirland, zu halten.

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Noch bedeutsamer aber für die Feststellung seiner Person ist es, wenn wir ihn (S. 289 der Schirrenschen Ausgabe) versprechen hören, dass dermaleinst eine richtigere Chronik als die Russowische geschrieben werden solle, durch Einen der es nicht bloss von Hörensagen oder ,,ungewissem Verzeichnusse", sondern aus gar alten glaubwürdigen Urkunden, Briefen und Siegeln habe, auch die meisten Vorgänge sowol des letzten inneren als auch des darauf folgenden moscoviterischen Krieges mit erlebt und angesehen. Gerade so ohne Zweifel konnte Heinrich v. T. im Bewusstsein seiner Erlebnisse und im Hinblick auf seinen Urkundenschatz von sich reden und rühmen. Mindestens aber geht sowol aus der soeben angeführten Stelle als auch aus dem ganzen Ton und Inhalt dieser Polemik mit Bestimmtheit hervor, dass ihr Verfasser nur ein Zeitgenosse Russow's gewesen sein kann, diejenigen neuesten Bibliographen aber weit von der Wahrheit abgeirrt sind, welche denselben in dem erst ein halbes Jahrhundert nach Russow schriftstellernden Fr. Menius entdeckt zu haben glaubten. *) Ja, aus dem lebhaften Aergerniss, welches der Kritiker an dem Buche Russow's nimmt, lässt sich erkennen, dass dieses ihm zur Zeit noch eine literärische Neuigkeit gewesen sein muss. Da sich nun vermittelst der von ihm citirten Blattzahlen Russow's feststellen lässt, welche Ausgabe desselben ihm vorlag, so ergiebt sich daraus auch eine ungefähre Bestimmung für die Abfassungszeit seiner Gegenschrift. Es ist aber die, gleich der ersten, ebenfalls noch im Laufe des Jahres 1578 erschienene zweite Ausgabe Russow's gewesen. Erinnert man sich nun der unfreiwilligen Musse, in welcher Heinrich v. T. in den Jahren 1577-82 (wol meistens in Riga) gelebt hat, so dürfte auch eine gerade in diesen Zeitraum fallende Abfassung als ein für die Annahme seiner Autorschaft günstiger Umstand bezeichnet werden.

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*) Beise, Nachträge und Fortsetzungen zum SchriftstellerLexikon, II 42, und Winkelmann, Bibl. Liv. hist. No 1607. Woher der Irrthum Beise's, dem Winkelmann gefolgt ist, stamme, wird klar aus Schirren, Verzeichniss livl. Geschichtsquellen in schwed. Archiven und Bibliotheken S. 208 No 84 u. 87, S. 211 No 102. Zwei Foliobände von verschiedenen Händen aus dem letzten Viertel des 17. saec." in der königl. Bibliothek zu Stockholm sind es, deren erster unter vielem Andern auch die „Begangenen Irrthümbe" enthält und deren ganzen Inhalt Beise dem Menius zugeschrieben hat, wie es scheint bloss weil an ihrer Spitze eine Abschrift von dem gedruckten Syntagma de origine Livonorum dieses Autors steht. Aber an keinem der übrigen Stücke hat er Antheil, und die ganze daraus gezogene Vermehrung seines Schriftenverzeichnisses bei Beise a. a. O. ist zu streichen.

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So stimmen alle innern Gründe dahin überein, das uns durch Arndt und Schievelbein überlieferte Zeugniss ihrer für uns verlorenen Handschrift zu unterstützen, und wir können jetzt, von diesem gesicherten Ergebnisse aus, zu dem Nachweise noch eines dritten Werkes desselben Heinrich v. T. übergehen.

Schon vorhin wurde aus seiner Polemik gegen Russow ein Satz angeführt, in welchem er eine demnächst abzufassende eigene Chronik in Aussicht stellt, und dieses Versprechen findet sich daselbst noch viermal (No 5, 14, 50, 54) wiederholt. In der That auch hat er es erfüllt. Die von ihm zu Stande gebrachte livländische Chronik existirt handschriftlich noch und ist auch einigen späteren Geschichtsschreibern nicht unbekannt geblieben, nur dass der Name des Verfassers ihnen nicht überliefert war und sie ihn nicht errathen konnten, weil nur die Vergleichung mit der ,,Geschlechtsdeduction" und dem ,,Verzeichniss der Irrthümer Russow's" den Schlüssel dazu giebt, von diesen beiden Schriften aber höchstens die eine ihnen bekannt war.

Arndt, Liefl. Chronik II, 72. Anm., erwähnt einer gewissen Bischofschronik, von der auch Gadebusch, Abhandlung von livl. Geschichtsschreibern S. 46-50, eine verhältnissmässig ausführliche Analyse geliefert hat. Ihr vollständiger Titel in der Handschrift, die Gadebusch besass, soll gelautet haben: Bischofs-Cronica, oder kurze Verfassung der Liefländischen Geschichte unter Regierung der Bischöfe und Erz-Bischöffe von Riga. Ob und wo diese Handschrift noch erhalten sei, ist unbekannt, denn sie hat zu der Zahl derjenigen gehört, die aus dem Nachlasse Gadebusch's an den Baron von Rosenkampff in Petersburg übergingen und jetzt meistens verschollen sind. Als Fingerzeig zu ihrer Wiederauffindung verdient angemerkt zu werden, dass sie sich, zusammen mit den Chroniken von Brandis und Nyenstedt, hinter einer Abschrift des ältesten livländischen Ritter- und Landrechts eingebunden befand, *) Verloren ist auch die von Arndt benutzte Handschrift,,von etlichen 10 Bogen", wie er sagt. Erhalten dagegen sind zwei andere in der livländischen Ritterschaftsbibliothek unter den jetzigen Bibliotheknummern 38 u. 139: die erstere geschrieben ,,mense Aprili 1650" von dem Rigaschen Rathsarchivar, späteren Rathsherrn Joh. Witte, nach einer Vorlage, die er von einem Reinh.

*) J. M. Hehn, Verzeichniss der Bücher und Münzen des Justizbürgermeisters F. K. Gadebusch. Dorpat 1789. S. 14, No 208.

v. Buxhöwden geliehen erhalten hatte; die andere undatirt und von unbekannter aber wol ungefähr gleichzeitiger, wenn nicht etwas jüngerer Hand. Zwei neuere, in der Rigaschen Stadtbibliothek aufbewahrte Handschriften, von Brotze aus dem J. 1771 und von einem Ungenannten mit dem Datum 1791, sind nur Abschriften nach Witte. *) Die Ueberschrift der ritterschaftlichen Handschrift No 139 lautet: Bischoffs Chronica oder kurtze Verfassunge der lifländischen Geschichten also, bei einiger Verkürzung, ebenso wie die von Gadebusch angegebene. Ganz anders aber und viel weitläuftiger ist der ein besonderes Blatt einnehmende Titel bei Witte, nämlich: Gewiss und wahrhaffte Beschreibung wan und zu welcher Zeit die Lande Lifflandt angefangen durch Teutsche Kauffleute aufzusegeln, und die Einwohner desselben Landes zum Christlichen Glauben bekehret, auch wie alle Bischoffe und Erzbischoffe zu Riga mit Nahmen geheissen, nach einander regieret, und dieselben Lande bezwungen, zu dem Heil. Römischen Reiche und gemeine Christenheit gebracht; neben Einführung mehr anderer Geschichte. Wass sich bey eines jeden Regierung mit des Ritterlichen Ordens Ständen, wan und zu welcher Zeit die ihren Anfang gehabt, und erstesmahl in Preussen und Lifflandt angekommen, und derselben Lande mächtig worden, begeben und zugetragen: Auss gar alten glaubwürdigen Verzeugnüssen, auch Brieffen und Siegeln mit sonderlichen Fleiss zusammen gebracht. Welcher der beiden Titel der ächte sei, unterliegt keinem Zweifel. Um der Bequemlichkeit willen konnte. der kürzere untergeschoben werden; kein Abschreiber hätte sich bemüht, den längeren zu erdenken.

Nehmen wir nun aber diesen längeren Titel als den von dem Verfasser selbst angegebenen an, so fallen in ihm sogleich einige Worte als solche auf, die wir schon fast genau ebenso aus der Feder Heinrichs v. T. zu lesen bekommen haben; denn ,, nicht bloss von Hörensagen oder ungewissem Verzeichnusse, sondern aus gar alten glaubwürdigen Urkunden, Briefen und Siegeln versprach er seine livländische Geschichte zu schreiben, und hier haben wir eine, die sich rühmt, ,,auss gar alten glaubwürdigen Verzeugnüssen, auch Brieffen und Siegeln" geschöpft zu

*) Vgl. Winkelmann, Bibl. Liv. hist. No 1757.

sein. Noch wesentlichere Anzeichen aber für Heinrich v. T. als den Verfasser dieser Chronik werden sich natürlich nur aus der Betrachtung ihres Inhalts ergeben können.

T.

Die Geschichte der Erzbischöfe steht hier im Vordergrunde und ihre Regierungszeiten bilden die Abschnitte. Von den Herrmeistern werden nur sehr wenige erwähnt. Keiner der von Heinrich v. an Russow gerügten Irrthümer findet sich wieder, wol aber ist hier Vieles ganz entsprechend den Andeutungen seiner Polemik gegen Russow und Manches sogar genau mit den Worten derselben ausgeführt, so dass der Verfasser dieser Chronik, wenn er nicht Heinrich v. T. selbst wäre, jedenfalls doch dessen ,,Verzeichniss der Irrthümer Russow's" sehr sorgfältig benutzt haben müsste. Dass er aber Heinrich v. T. selbst gewesen sein muss, zeigt des Weiteren die Vergleichung mit seiner ,,Geschlechtsdeduction". Nicht nur werden in der Chronik mehrere der Urkunden, die im Anhange der Geschlechtsdeduction stehen, für die Darstellung der allgemeinen Landesgeschichte verwerthet, sondern es erfreut sich hier auch die uns aus der Geschlechtsdeduction selbst bekannt gewordene Familiengeschichte der Tiesenhausen einer vorzüglichen Berücksichtigung. Auch hier wieder hat der Ahnherr Engelbert einen Bruder Dietrich. Sophia, Wittwe des Dietrich von Kokenhusen, ist auch hier eine Tochter Vesceca's und der Baba und heirathet in zweiter Ehe den Johann v. T. Der Streit der Tiesenhausen mit dem Erzbischof Johann v. Wallenrode um den Besitz von Kokenhusen und ihre Erwerbung des samenden Handrechts bleiben nicht unerwähnt. Endlich aber, am Schlusse der Chronik, ist die Rede von Heinrich v. T. selbst und namentlich von dem Antheil, den er an der Regierung des Landes nach vollzogener Unterwerfung unter Polen gehabt zwar in dritter Person (wie auch schon in der Geschlechtsdeduction, N. N. Misc. XVIII 90 ff.) aber in einem Ton, dem man die persönliche Gereiztheit anfühlt. Die hier gegebenen Nachrichten sind zum Theil reichhaltiger, durchweg aber frischer und ursprünglicher als die ihnen entsprechenden in dem erst 1612 geschriebenen Nachtrage der Geschlechtsdeduction, so dass an eine Ableitung derselben aus diesem letzteren nicht gedacht werden kann. Vielmehr dürfen wir überzeugt sein, dass uns hier eine autobiographische Aufzeichnung, in der ganzen Chronik aber die Erfüllung des von unserem Autor früher gegebenen Versprechens vorliegt.

Freilich eine nur dürftige Erfüllung! Gering ist schon der äussere Umfang dieser Arbeit, die ausser dem Titelblatt in der ge

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