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Krito, Zeno, Demokritus und Neoptolemus von Paros, in den Regeln desselben recht fest gesehet hatte. Indessen muß niemand denken, daß hier der Poet ein vollständiges systematisches Werk habe machen wollen. Die größten Bewunderer desselben gestehen: daß es ohne alle Ordnung geschrieben sey, ja daß es bey weitem nicht alle Regeln in fich faffe, die zur Poesie gehören. Der Verfasser hat sich an keinen Zwang einer philosophischen Einrichtung binden wol len; sondern als ein Poet, nach Veranlassung seiner Einfälle, bald diese, bald jene poetische Regel in einer edlen Schreibart versweise ausgedrückt, und mit Erempeln guter und schlechter Poeten erläutert. Aber alles, was er sagt, ist höchst vernünftig: und man kann sich von seinen Vorschriften kein Haar. breit entfernen, ohne zugleich von der Wahrheit, Natur und gefunden Vernunft abzuweichen. Die unordentliche Vermischung seiner Regeln dienet nur dazu, daß durch diese Mannigfaltigkeit und unvermuthete Abwechselung der Sa= chen, der Leser destomehr belustiget und eingenommen wird.

Es ist diese horazische Dichtkunst bereits ins englische von dem Graf Roscommon gebracht, der sie unter dem Titel Horace's Treatife concerning the Art of Poetry, drucken lassen. Französisch hat sie Dacier mit allen übrigen Gedichten desselben ans Licht gestellet; und auch nach ihm hat dieses Sanadon gethan. Bey uns ist sie schon von dem berühmten Herrn von Eckardt ins Deutsche überseßt worden, und in den poetischen Nebenstunden, die er unter den Buchstaben H. A. E. G. v. D. herausgegeben, anzutreffen. Ob ich es nun besser oder schlimmer getroffen habe, als diese gelehrten Månner, das mag der geneigte Leser selbst beurtheilen. Ich hatte die eckardische Ueberseßung mehr als einmal durchgelesen, als ich schlüßig ward, mich selbst einmal au eben dieselbe Arbeit zu wagen: ich bildete mir aber nicht ein, daß es mir so viel Mühe kosten würde, als ich hernach in der That gewahr

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Auch der berühmte Herr M. Lanz ge in Lübek hat nach der Zeit, als die meine schon fertig und gedruckt war,

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ward.

eine gleiche Arbeit ans Licht gestellet, der ich ihren Werth im geringsten nicht abspreche.

ward. Die nachdrückliche Wortfügung der lateinischen Sprache, der zuweilen abgebrochene Ausdruck des Horaz, nebst vielerley Kunstwörtern und Alterthümern, die sich so schwer deutsch geben lassen; dieses alles, sage ich, machte mir die Ar= beit so sauer, daß ich sie beynahe wieder håtte liegen lassen, als ich schon den dritten Theil davon fertig hatte. Doch nach Jahtesfrist griff ich sie von neuem an, und brachte endlich das ganze Gedicht in den Stand, darinn ich es hier ans Licht stelle.

Ich rühme mich nicht, daß ich es von Zeile zu Zeile, vielweniger von Wort zu Wort gegeben hätte: denn beydes ist zum theil unnöthig, theils auch, aus obenerwähnten Ursachen, unmöglich gewesen. Aus fünfhundert lateinischen Versen habe ich mich genöthiget gesehen, fast siebenhundert deutsche zu machen; wiewohl ich die Regel stets vor Augen hatte: Ein Ueberseßer müsse kein Paraphraft oder Ausleger werden. Habe ich aber nur in hauptsächlichen Dingen nichts versehen, oder geändert: so wird mans verhoffentlich so genau nicht nehmen, wenn gleich der völlige Nachdruck aller horazischen Sylben und Buchstaben nicht erreichet worden. Ein profaischer Ueberseßer muß es hierinn genauer nehmen: einem poetischen aber muß man, in Ansehung des Zwanges, dem er unterworfen ist, schon eine kleine Abweichung zu gute halten; wenn er nur diesen Mangel durch eine angenehme und leichtfließende Schreibart ersehet.

Dieses ist nun eine von den vornehmsten Absichten gewe= sen, die ich mir in diesem Gedichte vorgefeßet habe. Ich wollte Horazen gern so übersehen, daß man ihn ohne Anstoß, und wo möglich, mit Vergnügen in unsrer Sprache lesen könnte. Diesen Zweck aber würde ich nicht erhalten haben, wenn ich kein Bedenken getragen hätte, die Richtigkeit unfrer deutschen Wortfügung, nebst der Reinigkeit im Sylbenmaaße und in den Reimen, aus den Augen zu sehen. Das Gehör unfrer Landesleute ist im Absehen auf diese äußerliche Stücke überaus zärtlich. Kein Mensch liest ißo mehr lohensteins Gedichte: das macht, sie sind, bey so vielen gelehrten Sachen, viel zu hart und zu rauh. Selbst Hofmannswaldau ist nicht

mehr

mehr so beliebt, als er sonst gewesen: das macht, daß er von seinen Nachfolgern, auch in der Reinigkeit der Verse, weit übertroffen worden. Ja diese Zärtlichkeit geht zuweilen so weit, daß man deswegen die allerelendesten Reime, die nur etwas ungezwungen fließen, bey aller ihrer Unvernunft und Niederträchtigkeit der Gedanken, für schön; und hingegen, bey einer kleinen Hårte des Ausdruckes, die schönsten Gedichte großer Meister für elend und mager ausruffet. Wie ich aber igo denen hier das Wort nicht reden will, die in der Rauhigkeit des Ausdruckes eine Schönheit suchen; sondern ihnen immer mit dem Horaz zuruffe:

Non fatis eft, pulchra effe poemata; dulcia funto! so kann ich auch deren Geschmack nicht verwerfen, die lieber ein angenehm fließendes, als ein gezwungenes Gedicht lesen. Habe ich also nicht Ursache gehabt, mich auch vor dem Ekel der zärtlichsten Ohren zu hüten; sonderlich in einem Gedichte, daraus sie die innern Schönheiten der wahren Poesie sollen beurtheilen lernen?

Ist es mir nun darinn nach Wunsche gelungen, so trage ich keinen Zweifel, daß meine Arbeit ihren Nußen haben werde. Es ist nicht eines jeden Werk, sich mit dem Lateine der alten Poeten so bekannt zu machen, daß er seinen Horaz ohne Mühe \ verstehen, geschweige denn mit Lust lesen könnte. In deut scher Sprache wird er also vielen verständlicher seyn, und auch Anfänger auf einen guten Weg weisen, die sich vieleicht sonst durch üble Unführer håtten verderben lassen. Daß es bereits vielen so gegangen sey, daran ist wohl kein Zweifel: daß aber auch viele durch orazen von ihren Frrwegen wieder zurecht gebracht worden, das könnte ich durch mein eigen Erempel erweisen, wenn es wichtig genug wäre. Doch Benjamin Neukirch wird vermuthlich Ansehens genug haben, uns zu zeigen: daß auch Leute, die bereits in ganz Deutschland für große Poeten gehalten werden, in unserer horazischen Dichtkunst noch genug zu lernen finden. Er hat solches in einem Hochzeitgedichte von sich selbst öffentlich gestanden, welches

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er 1700. allem Anschen nach, aus Berlin nach Breslau abgeschicket hat, und woraus ich hier ein paar Stellen anführen will. Es steht in seinen von mir ans Licht gestellten Gedichten a. d. 198. S.

Er ruffet gleich anfangs die Musen um Hülfe an, weil er abermals ein Gedicht nach Schlesien zu verfertigen vorhätte; dabey er denn besorgen müßte, daß es nicht mehr so gut, als die vorigen, würde aufgenommen werden.

Ihr Musen! helft mir doch, ich soll schon wieder fingen,
Und ein verliebtes Paar in deutsche Verse bringen;
Und zwar in Schlesien. Ihr kennt dieß Land und mich,
Ihr wißt auch, wenn ihr wollt, wie sonst Budorgis fich,
Zum Theil an mit ergeht. Jht scheinen meine Lieder
Ihm, wo nicht ganz veracht, doch mehrentheils zuwider.
Die Ursache, sagt er, wäre die Aenderung, so mit seiner Poesie
vorgegangen. Er habe aufgehöret, seinen Vers mit Musca-
tellersaft und Amberkuchen zu nähren. Es sey weder Zibeth
noch Bisam, kein Plautus, Tacitus, Seneca oder
Plato mehr darinn zu spüren; ja er habe auch so gar die
Sinnbilder gänzlich ausgemustert.

Mein Reim ist mehrentheils ganz matt und ohne Kraft:
Das macht, ich tränk ihn nicht mit Muscatellersaft,
Ich speis ihn auch nicht mehr mit theuren Amberkuchen;
Denn er ist alt genug, die Nahrung selbst zu suchen.

Zibeth und Bisam hat ihm manchen Dienst gethan:
Jht will ich einmal sehn, was er alleine kann.

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Alleine? fraget ihr: Ja, wie gesagt, alleine:

Denn was ich vorınals schrieb, war weder mein, noch seine.
Hier hatte Seneca, dort Plato was gesagt,

Dort hatt ich einen Spruch dem Plautus abgejagt,

Und etwan anderswo den Tacitus bestohlen..
Auf diesen schwachen Grund, ich sag es unverholen,
Baut ich von Versen oft ein ganzes Götterhaus,
Und ziert es noch dazu mit Sinnebildern aus.

Darauf sagt er, daß ihm alle diese Pußwerke ißo ganz lächerlich vorkämen, ungeachtet sie sonst viel hundert Leser verblendet, und ihm selbst viel Ruhm gebracht hätten. Man håtte ihn gar dem großen Opitz vorgezogen, den er doch noch niemals hätte erreichen können.

Wie oftmals muß ich doch der abgeschmackten Sachen,
Wenn ich zurücke seh, noch bey mir selber lachen!
Gleichwohl gefielen sie, und nahmen durch den Schein,
So schlecht er öfters war, viel hundert Leser ein,

Ha! schrie man hier und dar: vor dem muß Opiß weichen!
Ja, dacht ich, wenn ich ihn nur erstlich könnt erreichen.
Den Willen hått ich wohl. So wie ich es gedacht,
So ist es auch geschehn. Ich habe manche Nacht,
Und manchen Tag geschwißt: allein ich muß gestehen,
Daß ich ihm noch umsonst versuche nachzugehen.

Endlich bricht er in den feurigen Ausdruck aus, der uns die
Quelle anzeiget, daraus diese merkliche Veränderung seines
Geschmackes in der Poesie hergeflossen. Es heißt:

O grausamer Hora;! was hat dich doch bewegt,
Daß du uns so viel Last im Dichten auferlegt?

So bald ich nur dein Buch mit Wih und Ernst gelesen,
So ist mir auch nicht mehr im Schreiben wohl gewesen.
Bor kamen Wort und Reim; ißt lauf ich ihnen nach:
Vor flog ich Himmel an; iht thu ich ganz gemach.
Ich schleiche wie ein Dachs aus dem Poetenorden,

Und bin mit großer Müh noch kaum dein Schüler worden.
Kommt, sprech ich oftermals, Gold, Marmel und Porphyr!
Nein, denk ich wiederum, flieht, fliehet weit von mir:
Ihr seyd mir viel zu theur, bey diesen schweren Jahren;
Ich habe jung verschwendt, ich will im Alter sparen.
Wie viel Schüler würde nicht Horaz noch bekommen, wenn
alle deutsche Poeten, die dessen bedürftig wären, dem Erempel
dieses wackern Mannes folgen wollten!

Die kleinen Unmerkungen, die ich unter den Tert gefeßet, werden vermuthlich nicht ohne Nußen seyn, und in mancher Sache ein gutes Licht geben. In Versen lassen sich nicht alle Alterthümer so erklären, daß man sie sattsam verstehen könnte, wenn man von der Zeit des Scribenten fast ein paar tausend Jahre entfernet ist. Gelehrtere Leser, die derselben nicht nöthig haben, können sie nach Belieben ungelesen lassen : wie mans mit den lateinischen Noten bey alten Scribenten zu machen pflegt, wenn man darinn schon geübt ist. Ich habe meinen Zweck völlig erreichet, wenn nur Anfänger meinen Poeten daraus etwas besser verstehen lernen.

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