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Des I. Abschnitts II. Hauptstück. Von äsopischen und sybaritischen Fabeln, imgleichen von Erzählungen.

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1. §.

er Ordnung des Alterthumes zu folgen, muß ich wohl von dieser Art der Dichtkunst, unmittelbar nach den Liedern handeln. Was eine Fabel überhaupt sen, habe ich oben im I. Theile, im zten Hauptstücke ausführlich erkläret. Sie ist eine erdichtete Begebenheit, welche erfun den worden, eine gewisse Sittenlehre darunter zu verbergen, oder vielmehr durch sie desto sinnlicher zu machen. Wir haben auch schon gewiesen, daß sie zweyerley sey; nachdem man entweder Pflanzen und Thiere, oder vernünftige We sen darinn redend oder handelnd einführet. Hier aber muß ich noch die dritte Art hinzusehen, darinnen man allegorische Personen dichtet, oder solchen Dingen ein Wesen und leben giebt, die entweder ganz leblos sind, oder doch nur den Gedanken der Menschen ihr Daseyn zu danken haben: wie sichs hernach deutlicher zeigen wird. Diese Gattung nebst der ersten von Thieren, kann man eigentliche Fabeln oder Mährlein nennen; diejenigen aber, worinn lauter vernünf tige Wesen, denkend, redend, und wirkend aufgeführet werden, pflegt man auch wohl Erzählungen zu heißen. Sie ändern aber darum ihre Natur nicht, und bleiben allemal erdich tete Begebenheiten, die ihre Sittenlehre bey sich führen. Menget man aber Thiere und Menschen, oder leblose und allegorische Personen, mit Geistern oder wirklich denkenden Wesen zusammen: so entstehen daraus vermischte Fabeln.

2. §. Daß indessen die Fabeln noch ålter, als die übrigen Arten der Gedichte, sonderlich das Heldengedicht seyn, ist leicht zu erweisen. Ohne Zweifel ist das Buch der Richter,

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wenn es gleich erst um Samuels Zeiten geschrieben wåre, ålter als Homer: und in demselben finden wir schon Jos thams Fabel von den Bäumen, die sich einen König ge wählet. Jotham also, war unstreitig lange vorm Samuel ein Fabeldichter: und da sein Gedicht dergestalt das ålteste dieser Art ist, das wir kennen: so ist es wohl werth, daß wir es hier einrücken. Es steht im 9ten Capitel des bemeldten Buches, und lautet so:

Die Bäume giengen hin, daß sie einen König über sich salbeten, und sprachen zum Delbaume: Sey du unser König. Aber der Oelbaum antwortete: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die beyde Götter und Menschen an mir preisen, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Feigenbaume: Komm du, und sey unser König! Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Weinstocke: Komm du, und sey unser König! Aber der Weinstock sprach zu ihnen: Soll ich meinen Most lassen, der Götter und Menschen frölich machet, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen alle Bäume zum Dornbusche: Komm du, und sey unser König! Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ists wahr, daß ihr mich zum Könige salbet über euch? so kommet, und versammlet euch unter meinen Schatten. Wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusche, und verzehre die Cedern auf dem Libanon.

So lautet die Fabel selbst; ihre Deutung aber mag man, nach den damaligen Umständen, in der angezogenen Stelle nachsehen. Sie ist ganz sittlich, und giebt den Sichemis tern einen deutlichen Unterricht: daß sie sich unter Gideons Söhnen gerade den årgsten ausgesuchet, der theils feine åltern und besseren Brüder erwürget hätte; theils sie selbst zu Grunde richten würde.

3. §. Die Fabel, so nächst dieser die älteste ist, steht im II. Buche Samuels im 12ten Cap. und Nathan erzählete sie dem Könige David. War die obige aus dem Reiche der Bäume genommen: so ist diese von der zweyten Gattung, und hat lauter menschliche Personen; weil nåmlich die Schafe, so darinn vorkommen, nichts reden, oder handeln.

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Von eben der Art ist die dritte, des klugen Weibes ju The koa, die im 14ten Cap. desselben Buches steht: und diese wollen einige Neuere lieber Erzählungen (Contes) nennen; weil es nämlich mehr Anschein hat, daß sie wohl geschehen feyn könnten. So liefert uns denn die Schrift selbst ältere Master von åsopischen Fabeln und Erzählungen, als die åsopischen sind: gefeßt, daß Aesopus, wie einige Gelehrte meynen, mit dem Assaph in Davids Hofcapelle einerley gewesen wäre. Allein der ganze Orient ist in den ältesten Zeiten wegen seiner Neigung zu den Fabeln und Allegorien berühmt gewesen. Kam nicht die Königinn von Saba, den König Salomon mit ihren Räthseln zu versuchen? Erzählet uns nicht Josephus, auf desjenigen Dius Bericht, der die phönizische Geschichte geschrieben, und auf des ephesinischen Menanders Zeugniß, der die Jahrbücher der Tyrier übersehet hatte: daß Salomon und Hiram einander Räthsel aufgegeben, und große Summen darauf gefeßet, wer sie nicht würde auflösen können? Selbst die Brachmanen, die Gymmosophisten, ja die Chineser haben in den åltesten Zeiten die Art an sich gehabt, alles in Allegorien und Erzählungen vorzutragen, was sie als gute Lehren fortpflanzen wollen. Die ältesten Römer müssen diese Art zu moralisiren auch geliebet haben, wie wir aus der Fabel des Menenius Agrippa, von dem Streite der Glieder am merschlichen Leibe sehen, womit er den aufgebrachten Pöbel besänftigte, und wieder in die Stadt brachte.

4. §. Doch wir müssen nåher auf die rechten Fabelschreiber kommen. Unter den Persern ist Lockmann berühmt ge worden, ja sein Ruhm ist bis nach Indien, Aegypten und Nubien gedrungen. Die heutigen Türken kennen ihn, und fehen ihn in Davids Zeiten: worinn sie sich aber, wenn er wirklich Aesopus gewesen seyn sollte, etwan um drey bis 400 Jahre irren. Man hat diese Fabeln auch in heutigen abendländischen Sprachen. Strabo erzählet, die Lehrer unter den Perfern pflegten ihren Schülern die Sittenlehre in Erdichtungen vorzutragen. Cyrus, der Stifter ihrer Monarchie,

narchie, erzählet beym Herodot den Gesandten der Jonier und Aeolier eine Fabel. Indessen ist sehr zu vermuthen, daß dieser Lockmann eben der phrygische Aesopus sey, den fast jedes Volk sich hat zueignen wollen. Die Araber geben vor, er sey von hebräischem Geschlechte gewesen; die Perser halten ihn für einen Aethiopier, welches denn die Etymologie des Namens Aesopus (Aethiops) zu bestätigen scheint. Sein Leben, welches Mircond beschrieben hat, kömmt sehr mit des Planudes Leben Aesops überein. Jenem, dem Lockmann, geben Engel die Weisheit; im Philostratus muß Mercur dem Aesop die Fabel eingeben. Kurz, die orientalischen Völker sagen, die Griechen hätten ihnen den Lockmann gestohlen, um ihren Aesop daraus zu bilden. Adam Olearius hat jenes Fabeln verdeutschet, und am Ende des persischen Rosenthals angehånget: Erpenius aber hat sie aus dem Arabischen ins Lateinische gebracht.

5. §. Von der Indianer Weisheit hat uns Sendebar, øder Sandhaber, denn man findet ihn verschiedentlich gefchrieben, ein Buch hinterlassen, davon ich einen alten Druck in lateinischer Sprache besiße. Der Titel heißt: Directorium humanæ vitæ, alias parabolæ antiquorum Sapientum: dieser ist sonder Ort und Namen des Druckers, ohne Zah len der Blåtter und Seiten, mit alten Holzschnitten in Fol. gedruckt. In der Vorrede steht, daß es eigentlich Belile ve Dimne* heiße, aus dem Indianischen ins Persische, sodann ins Arabische, hernach ins Hebräische, und endlich ins Lateinische übersehet worden. Dieser lettere Ueberseher Johannes de Capua, richtet seine Zueignungsschrift an den Cardinal Matthåus, in einem sehr barbarischen Lateine: so, wie es um die Erfindung der Buchdruckerkunst üblich war. Der Inhalt aber besteht in XVIII. Capiteln, aus lauter Fabeln, die der König Anaftres Casri, durch seinen Leib. arzt Berozias, aus Indien bekommen, als er ihn hingeschicket hatte, auf den Bergen Kräuter zu fammlen, womit

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* In Stollens Hist. der Gel. feht Kelilah wa dimnah. Welches ist recht?

man Todte auferwecken könnte. Als dieser fie nun gesammlet und zubereitet hatte, die Todten aber doch nicht auferwecken fonnte; erfuhr er von den indianischen Weisen: daß man durch die Berge die weisen Männer, durch die Kräuter aber die Weisheit, wie durch die Todten die Thoren, verstehen müßte; und bekam von ihnen das Buch der Weisheit, welches er ins Persische überseßte, und seinem Könige brachte. Diefem nun gefiel es überaus, daher er es gemein zu machen befahl. Starke hat es von neuem lateinisch übersehet; der weise Herzog zu Würtemberg Lberhard aber, soll es ins Deutsche gebracht haben. Eine sehr alte deutsche Doll metschung in Fol. habe ich zu Wien in einer Privatbibliothek gesehen; die aber ungemein selten gefunden wird.

6.§. Die Fabeln des Pilpay sind mit den vorigen fast einerley, nur die Ordnung und Einrichtung ist etwas anders. Hier ist 1. des Königs Dabschelin und Pilpays Historie nebst fünf Fabeln. Hernach kömmt das Werk selbst in 4 Capiteln. Das erste zeigt durch sechs und zwanzig Fabeln, wie man sich vor Schmäuchlern und Verläumdern zu hüten habe. Im II. sieht man in zehn Fabeln, was es mit boshaften Staatsbedienten endlich für ein Ende nehme. Das III. lehret in 8 Fabeln, wie man sich gute Freunde · erwerben könne, und was ihr Umgang nüße. Endlich zeiget das IV. durch zwölf Fabeln, daß man seinen Feinden nie trauen dörfe. Ob wir eine deutsche Ueberseßung davon haben, weis ich nicht. An französischen fehlt es nicht. La Motte hat in der Vorrede zu seinen Fabeln nicht gar zu vortheilhaft davon geurtheilet; aber ihm vieleicht unrecht gethan. Bey den Alten muß man nicht alles so genau nchmen; gefeßt, daß die Allegorie nicht jederzeit ganz richtig wåre. Pilpay soll ein Bramin, oder Brachman gewesen seyn, der unter dem Könige Dabschelin, das Ruder der Staatsgeschäffte in Händen gehabt. Dieser håtte nun alle feine Weisheit in dieß Buch geschlossen, und die Könige von Indien hätten es als einen Schaß aller Einsicht und Gelehrsamkeit aufbehalten; bis der persische König Anuservan

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