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Das IX. Hauptstück.

Von poetischen Perioden und ihren Zierrathen.

I. §.

ine Periode überhaupt ist eine kurze Rede, die einen, oder etliche Gedanken in sich schließt, und für sich selbst einen völligen Verstand hat. Ich nenne sie eine kurze Rede, um dadurch anzuzeigen, daß sie sich zu einer langen, wie ein Theil zum Ganzen, verhält: denn aus vielen Perioden entsteht erst eine gebundene oder ungebundene Schrift. Zudem ist die Kürze einer Periode eine besondere gute Eigenschaft derselben, wie bald soll gewiesen werden. Ich sage ferner, daß eine Periode einen oder etliche Gedanken in sich schließe; um dadurch die einfachen Perioden von den Zusammengefeßten zu unterscheiden. Jene bestehen nur aus einem einzigen Saße, darinn man von einer Sache etwas bejahet, verneinet, bewundert, fraget, oder in Zweifel zieht. Diese hergegen entstehen aus der Verbindung etlicher solcher Säße, die ihrer Natur nach, mit einander zusammen hången; es sey nun, auf was für eine Art es wolle. Endlich fodre ich von einer Periode, daß sie einen völligen Verstand haben solle: damit das Gemüth am Ende derselben einigermaßen befriediget und ruhig seyn könne. Denn wenn an dem völligen Sinne einer Rede etwas fehlet; so kann man noch nicht stille stehen: sondern die Gedanken ellen weiter, und wollen die völlige Meynung der Rede fassen; welches allezeit mit einiger Unruhe verknüpft ist. Diese Unruhe nun, ist dem Gemüthe eines Lesers oder Zuhörers allezeit unangenehm, und daher sehnt er sich immer nach einer Befriedigung; die er nicht anders, als beym Schlusse eines Saßes erhält.

2. S. Die Poeten haben die Ehre, daß sie die ersten Erfin. der der Perioden sind; und daß die Meister der ungebundnen

Schreib

Schreibart ihnen die Kunst haben ablernen müssen. Wie man nämlich überhaupt eher in Verfen, als in Prosa geschrieben hat: so ist auch die poetische Schreibart eher ins Geschick gebracht worden, als die prosaische. Die Poeten, Musåus, Orpheus und Linus, ja selbst Homer und Hesiodus haben lange vor dem Pherecydes gelebt: welcher zu allererst auf die Gedanken gekommen seyn soll, daß man auch ohne ein gewisses Sylbenmaaß schreiben könne. Und da man auch in diesen alten Dichtern, sonderlich im Homer, eine periodische Schreibart antrifft: so weis man hergegen unter den viel neuern prosaischen Scribenten den Jfsokrates zu nennen, der zu allererst in ungebundner Rede Perioden zu machen, ange= fangen. Cicero giebt uns in seinem dritten Buche vom Redner Nachricht davon. Die Stelle verdient, daß ich sie anführe: „Die Alten hielten dafür, man müsse in der unge,,bundnen Rede auch Verse machen; das ist, ein gewisses wohl ,, klingendes Sylbenmaaß beobachten. Denn sie verlangten, daß man nicht sowohl durch gewisse Zeichen der Abtheilung, „als vielmehr in der Rede selbst, durch die Worte und Säße, ,, in gewissen Stellen einen Schluß machen solle; nicht zwar „ unserer Müdigkeit, sondern dem Uthemholen zu statten zu ,,kommen. Und das soll vornehmlich Jfokrates aufgebracht ,,haben; damit.er die ungeschickte Schreibart der Alten, der ,,Anmuth und des Gehöres wegen, zu einem Wohlklange bringen möchte. Denn vermittelst dieser zwen Stücke, », haben die Musikverständigen, welche vorzeiten mit den Poeten „einerley waren, den Vers und Gefang zur Belustigung ausgekünstelt: damit sie sowohl durch das Sylbenmaaß, als durch die Stimme, belustigen, und dem Ekel der Ohren zuvor kommen möchten. Diese beyden Stücke nun, ,,ich meyne den Wechsel der Stimme, und die Abtheilung ,, der Rede, in geschlossene Säße, haben sie, so viel es sich ,,hat thun lassen, aus der Poesie, auch in die Beredsamkeit „, einzuführen, für rathsam gehalten.

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3. §. Wir sehen aus dieser Stelle das innerste Wesen der Perioden, und begreifen zugleich, wie die ersten Dichter auf

diese Erfindung gekommen sind. Sie suchten das Ohr zu vergnügen, und den Leuten beym Anhören ihrer Gedichte keinen Ueberdruß zu erwecken. Dahin gehörte nun eine wohlklingende Rede, die in einem Achem ausgesprochen, und doch wohl verstanden werden konnte. Sie maßen also alle ihre Zeiten ab, brachten das Sylbenmaaß darinnen auf, und schlossen, so viel möglich war, jeden Gedanken in einen, zween oder drey Verse; so viel man nämlich in einem Athem bequem aussprechen konnte. Daher entstunden nun die poetischen Perioden. Ein Erempel macht die Sache deutlich. Simon Dach schreibt auf eines liefländischen Herzogs mit einer brandenburgischen Prinzeßin Beylager 1643.

Ich bin so fremde nicht in meinem Vaterlande,

Dem, der nur etwas hält von Tugend und Verstande.

Mein Churfürst, sagt man mir durch gründlichen Bericht,
Erkennt, ob ich ein Lied geschrieben, oder nicht?

So kundig bin ich ihm!

Hier sieht ein jeder, daß in diesen fünftehalb Zeilen der Verstand sich dreymal schließt. Erst machen zwey und zwey Zeilen einen völligen Saß aus: hernach ist eine halbe Zeile ein ganzer Sah; der sich zwar auf das vorhergehende bezieht, aber doch für sich verstanden werden kann. Noch eins aus demselben Gedichte.

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-Mir dringet långst zu Ohren,

Ja auch ins Herze selbst, der süßen Sänger Schall.
Ich höre längst von fern die Heerpauk und den Hall
Der zwöf Trompeten gehn. Vor Freuden seh ich springen
Die Bergstadt Ottokars, und alles wieder klingen.
Der reiche Pregel reckt sein nasses Haupt empor,
Horcht, was da sey, und läuft geschwinder, als zuvor,
Dem frischen Hafe zu.

Hier sieht man wieder, daß der Verstand dieser acht Zeilen sich viermal geschlossen hat, nämlich da, wo die Puncte stehen. Und folglich besteht dieses Stück aus vier Perioden.

4. §. Will man dagegen sehen, wie ein Vers aussieht, darinn keine Perioden sind: so darf ich nur ein Stück aus

:: einem alten Meistersänger anführen. 3. E. Der alte Ueberseher Homers, Joh. Spreng, erzählt im Anfange des ersten Buches, wie der Priester Chryses feine Tochter wiederge. fordert habe.

Dann dieser Priester lobesam

Bald für die Schiff der Griechen kam,
Und wollt sein liebe Tochter haben,
Dieselb erledigen mit Gaben,
Bracht deren gar ein große Zahl
Für die Kriegsobersten zumal,
Lon Gold und Silber auch ein Kron
Apollinis, des Gottes frou,
Ein gülden Zepter in der Hand,
Ersucht die Griechen mit Verstand,
Fürnemlich Agamemnonem
Und Menelaum ganz bequem`
Die beyden König hochgebohrn,
Des Atrei Söhn auserkohrn,
Als hochverständig und großmüthig,
Fing an und sprach mit Worten gütig:
Ihr beyde Fürsten hochgedacht,

Und auch der Griechen große Macht ie.

Ich müßte noch ganze Seiten ausschreiben, wenn ich hier ein Ende finden wollte: so gar hångt alles 'an einander, daß man nirgends stille halten oder aufhören kann. Es hat aber auch unter neuern Poeten Leute gegeben, die nicht anders geschrieben haben, als ob die Periode in Verfen zu den verbothenen Künsten gehörte. Sonderlich in den ungemischten alexandrinischen Versen halten es einige, z. E. Amaranthes, oder Corvinus u. a. m. nicht nur für erlaubt, sondern wohl gar für eine Schönheit: wenn sie alles aneinander hån¦gen, und wohl dreyßig ja vierzig lange Zeilen wegschreiben, darinn man nirgend still stehen kann; wo man nicht durch das Athemholen den Zusammenhang der Worte und Gedanfen unterbrechen will.

5. S. Eine solche Schreibart nun, ist in ungebundner Rede schon verwerflich; vieiweniger wird sie sich für einen guten Poeten schicken, der noch körnichter, nachdrücklicher und kråfCrit. Dichtk.

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tiger

tiger schreiben soll, als ein Redner. Die große Weitläuftigkeit ist ein Zeichen schlecht verdaueter Gedanken, und übelgefaßter Ausdrückungen. Sie macht die deutlichste Sache dunkel, und den besten Leser matt und müde. Seine Gedanken werden mit gar zu vielen Dingen überhäufet; und wenn er hoffet, daß ihm die folgende Zeile den völligen Sinn des Sahes entdecken werde: so wird er von neuem, aus einem Labyrinthe in den andern gestürzet, daraus er nicht eher, als nach unzähligen Umschweifen den Ausgang finden kann. Wenn man dann endlich an einen Ruhepunct gekommen ist, so weis man selbst nicht mehr, was man im Anfange gelesen hat: so gar ist man, durch die Verwirrung unzählicher Gedanken und Ausdrückungen, überhäuset worden. Auch Günther hat zuweilen seiner Einbildungskraft, etwas zu sehr den Lauf gelassen, z. E. wenn er so schreibt:

Der bettelt geht und kömmt, und kann vor Angst nicht ruhn,
Bis daß ich Flavien erbärmlich vorgeleyert;

Wie, da sie gestern spät das Sonntagszinn gefcheuert,
Ihr aufgestreifter Arm die Schwanenhaut entblößt,
Und ihm dadurch die Milch der Hoffnung eingeflößt,
Daher in seiner Brust ein neuer Aetna brennte,
Dem auch ihr Schüsselfaß die Glut nicht löschen könnte.

Doch könnte es auch wohl seyn, daß er diese Stelle mit Fleiß, und satirischer Weise so matt und weitschweifig gemacht hätte, als ob er den Canzleystil nachahmen wollte.

6. §. Wiewohl nun dergestalt die Deutlichkeit eine Haupttugend poetischer Perioden ist; diese aber nicht leicht ohne eine beliebte Kürze erhalten werden kann: so will man dadurch noch nicht alle weitläuftige Säge in Versen verworfen haben. Es giebt freylich zuweilen lange Pecioden, die eine Menge kleiner Abtheilungen haben. Weil sie aber alle einander ähnlich sind, und an und für sich selbst verstanden werden können; so entsteht keine Dunkelheit in der ganzen Rede daraus. 3. E. wenn Neukirch in dem schönen Lobgedichte auf die Königinn in Preußen, Sophien Charlotten, ihre Eigenschaften ins Kurze faffen will; so macht er eine Periode

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