Singula quæque locum teneant fortita decenter. Et Non fatis eft, pulcra effe poëinata; dulcia funto: Ut ridentibus arrident, ita flentibus adfunt 32. Nicht jede Schreibart 2. Diese Regel Horazens ist von großer Wichtigkeit und erfodert viel Ver: stand und Beurtheilungskraft ben ei nem Scribenten: daher denn viel fältig dawider verstoßen wird. Z. E. Günther in seiner Heldenode auf den Prinzen Eugen, der bald sehr erha: ben; bald wieder höchst niederträchtig fchreibt oder wie in dem vorgedach ten Trauerspiele Schockespears die Schreibart zu niedrig ist. 33. Des Lustspiels Ton erhöhn. Die Natur gewisser Affecten bringt bochtrabende Redensarten, und einen verwagenen Ausdruck nach dem an: dern hervor. 3. E. der Zorn, davon Chremes in Terentii Komödien ein Beyspiel gicbt. Auch Molierens Misantrop kann zum Benspiele dienen. Soll nun ein Zorniger auch in der Komödie natürlich sprechen, so muß man ihn tragisch, das ist stolz und troßig reden lassen. Dieß ist eine Aus: nahme von der obigen Regel. 34. Im Klagen senkt sich 2c. Die Natur der Traurigkeit erfodert Format eine niedrige und gemeine Art der Ausdrückungen. Telephus und Ve leus, sind ein paar Helden in einer Tragödie gewefen, die Euripides ge macht hat, und worinn er diese beyde vertriebenen Prinzen in einem Bettlerbabite gan kläglich redend eingeführet hat. Sie sind beyde nicht mehr vorhanden. Ampullas 35. Wörterpracht. & fesquipedalia verba. Das erste geht auf die hohen Gedanken, das andre auf die langen zusammen gesehten Wörter, dadurch sonderlich im Griechischen die Schreibart erhoben wurde. Beydes wurde in dem Munde eines Traurigen sehr seltsam tlingen. 36. Bezaubern. Schöne Worte machens noch nicht, daß ein Gedicht schön ist: es muß auch durch den Inhalt einnehmen, bewegen, entzücken, ja fast gar bezaubern. Alle poetische Blümchen, aller Zibeth, Mosch und Ambra, Nectar und Ambrosia sind vergeblich; alle Rosen und Nelken, Lilien und Jasminen sind umsonst; aller Nicht jede Schreibart kann auf jeder Stelle stehn, (32) Laß deine Lieder nicht nur schön und zierlich seyn,' Der Scherz spricht frech und geil, der Ernst mit krauser Stirnen. aller Purpur und Marmor, alles Gold und Helfenbein, machen nichts: wenn die innerliche Beschaffenheit der Gedanken nicht das Herz rühe ret, die Affecten rege machet, und das Gemüth des Lesers oder Zu schauers, in Schauspielen oder im Lesen, nach Gefallen hin und her treibt. 37. So zeige du mir erst. Die, fe Regel gebt auch die prosaischen an. Cicero hat in seinem andern Buche vom Redner weitläuftig genug davon gehandelt. Es ist unmöglich, die Af fecten andrer Leute zu rühren, wenn man nicht selbst dergleichen an sich seiget. Volus, ein römischer Komd diant, follte die Elektra vorstellen, die ihren Bruder beweinet. Weil ihm nun eben sein einziger Sohn gestor. ben war, so holte er dessen wahrhaften Aschenkrug auf die Schaubühne, und sprach die dazu gehörigen Verse mit einer fo fråftigen Zueignung auf fich selbst aus; daß ihm sein eigner Verlust wahrhafte Thränen auspreß te. Und da war kein Mensch auf dem Der Plage, der sich der Thränen håtte enthalten können. Man sehe auch das 18 Kapitel von Aristotels Poetik nach. 38. Ausgelacht. So geht es gemeiniglich denen, die kein Geschick haben, eine Sache dem gehörigen Affecte nach auszusprechen, und alles in einem Tone herbetben. Man kann es nicht glauben, daß es ihnen ein Ernst sey; und also rühret es auch nicht. Zum Demosthenes kam einer, und verlangte von ihm, jemanden anzus klagen, der ihn geschlagen hätte. Er erzählte aber solches sehr kaltsinnig; so, daß Demosthenes es nicht glauben konnte. Er machte ihm daher viel Einwürfe: es könnte unmöglich seyn, daß er geschlagen worden; denn be leidigte Leute pflegten mit größerer Bewegung zu reden, als er: bis jener fich endlich erzürnete, und mit großer Heftigkeit und kläglichen Worten seine Klage zu wiederholen anfing. Nune mehr glaube ich dir, gab der Redner zur Antwort: denn so pflegt ein Bes leidigter zu sprechen. B 3 39 Der Format enim natura prius nos intus ad omnem Si dicentis erunt fortunis abfona dicta: 39. Der Seelen Innerstes c. Hier giebt Horaz den philosophischen Grund seiner Regeln an: und daher fieht man, wie nöthig es auch Dichtern fen, die Weltweisheit gelernt zu haben, fonderlich den Menschen wohl zu ten nen; welches ohne die Geist und Sit tenlehre nicht geschehen kann. 40. Spricht irgend 2. Die Rede ist noch immer von den Schauspielen, wo der Poet jede Person so muß reden laffen, wie es ihr Character crfodert, Die Komödianter. finden hier gleich: falls ihre Regel, was die Ausfprache betrifft. Ja auch die Auficher der Bühnen haben hier ein Geset, ihre Rollen fo auszutheilen, daß nicht ein altes Weib die Person eines jungen Mädchens, oder ein weibischer Kerl die Person eines Helden zu spielen bekom me. Denn dieses kann sich niemals recht schicken. Doch muß man nicht denken, die andern Voeten waren hier ausgenommen. Ein jeder, der andere Personen redend einführet, muß fie nach ihrem Character reden laffen, Per Hierinn sind Homer und Virgil große 41. Das ganze Rom 2. Eigent: lich die Edlen, und das gemeine Volt. Die Römer hatten schon einen ziemli chen Geschmack, und konnten es leicht merken, wenn jemand auf der Schaubühne dergleichen Fehler machte. Unsere Zuschauer find so geübt noch nicht, daß sie dergleichen Urtheil fällen könn= ten; weil sie wenig Schauspiele gese= hen haben: Es wäre denn, wenn FebÍer ganz handgreißlich find. Z. E. wenn man einen dummen Herrn, so, wie einen dummen Jungen reden läßt. 42. Herr 2. Knechte sc. Davisne loquatur an herus. Andere sehen für Herus, Heros, und für Davus, Divus, wie z. E. Dacier will: weit er mennt, die Götter, so in alten Tragödien vorkommen, sollten anders reden, als die Helden. Dies ist zwar nicht zu leugnen; doch da beyde in erhabner Schreibart sprechen müssen: fo giebt es keinen großen Unterscheid. Mir kömmt es also wahrscheinlicher Der Seelen Innerstes sey erst in uns bewegt, (39) Von Schrecken überhäuft, von Gram und Furcht zerschlagen: Spricht irgend die Person, wie sichs für sie nicht schickt, (40). So lacht das ganze Rom, (41) so bald es sie erblickt. Drum unterscheide man Stand, Alter und Geschlechte: Und muntrer Jüngling spricht. Dieß Wort steht Ammen an ; Von Jugend auf gekannt. Wen Argos Bürger heißt, yor, Davus und Herus, ein Knecht und Herr, sey von dem Poeten einans her entgegen gefekt worden; und da ist die Verschiedenheit der Charactere groß genug. Kömmt Davus mehr in Komödien als Tragödien vor: so ist nichts daran gelegen. Diese Regel ist allgemein für uns, und trifft alle Schauspiele. 43. Bauren. Hier ist es augen: fcheinlich, daß Horaz auch auf die Ko: mödie feine Absichten gerichtet, denn Kaufleute und Bauren kommen in Tragödien fast gar nicht vor. Dacier fucht sich hier vergeblich auszuwickeln. Aristophanes hat diese Regel, nach Plutarchs Urtheile, recht beobachtet: denn so viel verschiedene Personen er aufführet, so viel Gartungen des AusDruckes giebt er ihnen. Auch Des Tou: fches ist ein großer Meister darinnen, wie denn auch Herr Baron Hollberg dieses Lob verdient. 44. Nichts ungereimtes. Nun Wenn kömmt der Poet von der Sprache auf die Charactere der Personen, die in dramatischen und epischen Gedichten vorkommen. Diese müssen nun der gestalt gemacht werden, daß die Handlangen derselben wahrscheinlich_herauskoiminen, und es niemanden Wunder rebine, daß diefer oder jener so oder anders verfahren ist. Denn so wie man geartet ist, so handelt marr auch. Das Erempel Achills macht die Sache klar. 45. Medeen. Euripides hat sie in einer Tragödie so abgeschildert. Sie ermordet mit eigner Hand ihre zwen Kinder, schicket ihrer Nebenbuhlerinn ein Kleid, welches sich entzündet, und fie verzehret. u. f w. G. den Seneca. 46. Irion. Er soll der erste Mör: der in Griechenland gewesen seyn. Er bath seinen Schwiegervater Dejonejus zu Gaste, und brachte ihn ums Leben. Als ihn Jupiter aus den Händen der Richter befreyete, und zu sich in den Perfidus Ixion, Io vaga, triftis Orestes. Nec circa vile patulumque moraberis orbem; Himmel nahm, wollte er die Juno norzichtigen. Darum stürzte ihn der Gott in die Hölle, wo er auf einem Rade liegend, immer in die Runde läuft. Aefbylus hatte davon eine Tragödie gemacht. 47. no. Eine Tochter des Kad mus, fürzte sich mit einem ihrer Kin der ins Meer, als ihr Mann Athamnas rafend geworden war, ihren ältesten Sohn umgebracht hatte, und den andern auch tödten wollte. Euripi des batte sie deswegen in einem Trauerspiele sehr kläglich redend aufgefüh: ret. 48. Jo, des Inachus Tochter, ward vom Jupiter geliebet, in eine Kuh ver wandelt, und von der eifersüchtigen Juno rasend gemacht: da sie denn vie Le Länder durchstrichen, und endlich in Aegypten wieder ihre vorige Gestalt bekommen, und unter dem Namen Isis verehret worden. Aeschylus hat fie in seinem Prometheus bis ins in nerste Scythien kommen lassen. 49. Orestes, war der Sohn Aga memnons und der Klytemnestra, der den Tod seines Vaters au seiner Mutter rachete, und deswegen rasend ward Man lese die Elektra des Sophokles Par nach. Euripides bat ein eigen Trauz erspiel von ihm gemacht, und seinen Zustand so jämmerlich abgebildet, daß er mehr einem Gespenste und Schatten, als einem lebendigen Menschen abnlich sah. So groß war sein Unglück, seine Wuth und Rasercy ge= worden. 50. An neue Fabeln. Vorber wies Horaz, wie man Personen, die in den Fabeln schon bekannt sind, charaz cterijiren solle; nå lich so, wie sie von den Alten beschrieben_worden; ißo zeigt er, wie man die Charactere der Personen in neuen Fabeln bilden solle; nämlich nicht widersinnisch, sondern gleichförmig mit sich selbst. Ein Stolz jer muß fich stolz, ein Furchtsamer furchtsam,ein Geiziger acizig bezeigen; und bis ans Ende der Fabel so bleiben. Dieses ist nichts leichtes. Indessen hat Homer den Ulysses und Achilles, Virgil den Aeneas, Plautus feinen Großsprecher,Terentius seinen Schma rußer; Gryphius seinen Schulfuchs, Sempronius, und Hollberg feinen lean de France so entworfen. 51. In neue Verse. Homers Jlia as hat zu vielen Tragödien Anlaß ge geben; ob wohl Ariftoteles sagt, daß |