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Qui variare cupit rem prodigialiter unam.
Delphinum filvis appingit, fluctibus aprum.
In vitium ducit culpæ fuga, fi caret arte.

28. §. Ich könnte noch von dem Wunderbaren, das in Glücks- und Unglücksfällen vorkömmt, allhier handeln. Dieses betrifft ebenfalls die Menschen, und gehöret also in diese Classe. Die Begebenheiten, davon die Poeten ihre Gedichte verfertigen, müssen auch in der That eben sowohl seltsam und ungemein seyn, als die Personen und Handlungen derselben. Es muß ihren Helden viel Unvermuthetes begegnen, welches bald zu ihren Absichten behülflich ist, bald denselben zuwiderläuft. Theils entsteht dieses aus den Wegen der göttlichen Vorsehung, die Großen und Kleinen oft einen Strich durch ihre Rechnung macht, und ihnen ganz andere Wege zeiget, als sie zu gehen gedacht: theils aber kömmt es auch unmit= telbar von andern Leuten her. Diese hindern oft einander in ihren Verrichtungen und Absichten; entweder unwissend, oder mit gutem Bedachte: und daher entstehen so viel plößliche Veränderungen, daß man darüber erstaunet; ob es gleich alles ganz natürlich zugeht. Eben dahin rechne ich die Verkleidung und Entdeckung gewisser Personen, die bisweilen einer Sache schleunig einen andern Ausschlag giebt; die Ankunft abwesender Personen, der Tod der Kranken, oder das unvermuthete Leben derer, die man für todt gehalten. Rechtshändel, die man gewinnet, oder verlieret, Erbschaften, die man thut, Testamente, Heirathen, Briefe, u. d. m. verursachen oft recht wunderbare Zufälle. Doch weil in allen diesen Stücken hauptsächlich der Knoten, oder die Verwirrung der Fabeln besteht, die in Schauspielen hauptsächlich vorkommt: so muß ich es bis dahin versparen.

29. §. Die dritte und lehte Gattung des Wunderbaren ist diejenige Art desselben, die auf Thiere und leblose Dinge ankömmt. Diese braucht nun ein Poet am wenigsten; weil er sich mehrentheils mit den Menschen beschäfftiget, und das Uebrige nur in so weit braucht, als es hierzu dienlich seyn kann. Neue Gattungen von Thieren zu dichten, ist wohl

faum

kaum erlaubt: weil es doch nur Chimåren werden könnten, die in einem bekannten Lande keinem glaublich vorfåmen. Die Rabinnen und Mahometaner beschreiben solche große Vögel und Fische, daß man ihre lächerliche Phantasie mehr, als die Misgeburten derselben bewundert. Aus weit entle= genen Ländern läßt sich zuweilen etwas Wunderbares entleh nen: man muß aber wohl zusehen, daß man nichts Ungereimtes mit einstreue, was unglaublich ist. Siam und Peru, Ceylon und Japan, sind schon mit solchen lügenhaften Wun dern angefüllet worden: daß die Einwohner dieser Lånder große Ursache hatten, uns mit den Chinesern für einåugigte zu halten; weil wir solche Narrenpossen von ihren Ländern schreiben und glauben. Das beste und vernünftigste Wunderbare ist, wenn man auch bey Thieren und leblosen Dingen, nur die Wunder der Natur recht nachahmet, und allezeit dasjenige wählt, was die Natur am vortrefflichsten gemachc hat. Es kommt hier alles auf gute Beschreibungen recht außerordentlich schöner, großer, erschrecklicher und schlechter Sachen an: denn die mittelmäßigen werden nichts Wunderwürdiges abgeben. Beschreibt man eine Gegend, einen Garten, ein Gebäude, einen Wald, einen Berg, eine Höle, eine Heerde Vieh, eine Jagd u. d. m. so muß dieses alles, nach der Absicht des Poeten, in seiner Vollkommenheit geschil dert werden. Nur die edelsten Dinge muß man der Phantafie des Lesers vormalen, um dieselbe zu gewinnen.

30. §. Zuweilen treibt man in Oden und Heldengedichten die hyperbolischen Ausdrückungen so hoch, indem man von leblosen oder unvernünftigen Dingen redet, daß es recht wunderbar klinget. Deswegen aber will ich nicht sagen, daß ein Poet immer mit Gold und Perlen, Rubinen und Diamanten um sich werfen; lauter Adler und Löwen, Panther und Tyger bey sich führen, lauter Jasmin, Nelken und Rosen streuen, lauter Ambrosin und Nektar auftragen, oder fonst alle Kostbarkeiten Indiens verschwenden solle. Diesen Misbrauch hat Benj. Neukirch in dem Gedichte schon lächerlich gemacht, welches im Vorberichte zu der übersehN 2

ten

ten ho:azischen Dichtkunst großentheils eingerücket worden. Imgleichen lefe man den deutschen Antilongin nach, den Herr M. Schwabe aus dem Englischen überseßet, und mit Erempeln aus unsern Poeten erläutert hat. Davon wird aber in dem Hauptstücke von den verblümten Ausdrückungen mehr vorkommen. Die ovidianischen und åsopischen Fabeln könn ten auch einigermaßen hieher gezogen werden, weil jene den Ursprung vieler Thiere und Blumen u. f. w. anzeigen; diese aber viel Wunderbares von solchen Geschöpfen erzählen. Allein weil hiervon schon oben gehandelt worden, so ist eine Wiederholung hier unnöthig. Ob man aber auf der Schaubühne Drachen, Löwen, Båren, und andre Thiere vorstellen dorfe, oder solle, davon lese man den Zuschauer im I. und II. Theile nach, der die Opern mit diesen lächerlichen Dingen, an verschiedenen Orten verspottet hat.

31. §. Die Gestirne sind endlich noch übrig, von denen die Poeten auch viel seltsames und ungemeines zu erzählen pflegen. Die Kometen, die sich sehen lassen, haben bey ihnen gemeiniglich eine böse Bedeutung, und einen wunderbaren Einfluß. Die Sonn- und Mondfinsternisse werden von den Alten sehr schrecklich beschrieben; ja die Ungewitter, Erdbeben, Schiffbrüche und Sturmwinde, machen auch einen großen Theil des Wunderbaren in ihren Schriften aus. Was die ersten Stücke anlangt, so muß man freylich die Alten entschuldigen; wenn sie sich aus den himmlischen Zeichen zu viel gemachet haben. Man verstund dazumal die Naturlehre sehr schlecht: allein ießo würde es eine Schande für den Poeten seyn, wenn er uns viel von dem Einfluffe des Himmels reden, und seine Leser mit langen Beschreibungen eines Nordlichts, fallenden Sterns, oder einer Sonn- und Mondfinsterniß, aufhalten wollte. Auch klingt die gewöhn= liche Opersprache sehr lächerlich, wenn es immer heißt: die Sterne, der Himmel, und seine Lichter hätten dieses oder jenes gethan: es wäre denn, daß man darunter das Verhangniß oder die Vorsehung verstehen könnte. Die Leute in Geflirne zu verwandeln, das geht heute zu Tage nicht mehr an,

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nachdem der ganze Himmel so genau überzählet ist, daß man feinen etwas großen Stern finden kann, der nicht schon vor. hin bekannt gewesen wäre: es müßte denn zum Scherze seyn, wie Pope in feinem Lockenraube, Belindens Haar zum Sterne werden lassen. Erschiene aber irgend ein neuer Stern, so könnte freylich ein Poet dichten, daß dieses oder jenes dazu Gelegenheit gegeben hätte.

32. §. Die leßtern Stücke aber, die oben erwähnet worden, kann ein Dichter mit gutem Fortgange brauchen. Ungewöhnliche Witterungen, Schiffbrüche, fruchtbare und unfruchtbare Jahre, pestilenzialische Seuchen, Feuersbrünste, Verheerungen des Krieges, hohe Gebirge, schöne Thaler voller Dörfer und Heerden, u. d. gl. sind freylich sehr wunderbar, wenn sie nur natürlich beschrieben werden. Das ist aber die Kunst! In Opitzens Vefuv und Zlatna, imgleis chen in seinem Trostgedichte von Widerwärtigkeit des Krieges, stehen ganz unvergleichliche Erempel davon. Auch Dach und Flemming sind große Meister darinn gewesen, die man sicher nachahmen kann. Von den alten, ist Homer sonder. lich darinn zu loben, daß er auch den natürlichsten Dingen, durch seine Beschreibungen ein wunderbares Ansehen zu geben gewußt: worinn Virgil und Ovid ihm ziemlich gut nachgefolget sind. Diesen Meistern muß man die Kunst ablernen. Ich weis wohl, das man von dieser Materie noch viel subtiler auseinander gewickelte Regeln geben kann; wenn man seinen Kopf anstrengen, und eine Menge alter und neuer, guter und böser Stellen aus den Dichtern beurtheilen will. Einige haben dadurch meine Meister werden wollen, nachdem ich ihnen die Bahn gebrochen hatte. Allein was haben sie damit gefruchtet? Aus ihrer Schule des Wunderbaren sind die seltsamsten und ungereimtesten Erfindungen entstanden. Ich habe meine Regeln kurz gemacht, wie es sich in ein Buch für Anfänger schicket, die man nicht mit unnüßen Subtilitäten verwirren muß. Wer die Alten fleißig dabey liest, und sonst einen guten Kopf hat, wird nichts mehr brauchen, und sich überall klüglich zu verhalten wissen.

N 3

Das

Das VI. Hauptstück.

Von der Wahrscheinlichkeit
in der Poesie.

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us dem vorigen Hauptstücke wird man zur Önüge ersehen haben, daß das Wunderbare in der Dichtkunst

nicht ohne Unterscheid statt finder': es muß auch glaublich herauskommen, und zu dem Ende, weder unmöglich noch widersinnisch aussehen. Daher kömmt es denn, daß man auch im Dichten eine Wahrscheinlichkeit beobachten muß: ohne welche eine Fabel, Beschreibung, oder was es sonst ist, nur ungereimt und lächerlich seyn würde. Ich verstche nämlich durch die poetische Wahrscheinlichkeit nichts anders, als die Aehnlichkeit des Erdichteren, mit dem, was wirklich zu geschehen pflegt; oder die Uebereinstimmung der Fabel mit der Natur. Horaz hat gleich im Anfange seiner Dichtkunst die Thorheit eines Malers verspottet, der in einem Gemälde einen Menschenkopf auf einen Pferdehals sehen, einen Vogelkropf mit bunten Federn hinzufügen, und den Leib aus Gliedmaßen verschiedener anderer Thiere zusammen flicken wollte. Die Ursache dieser seiner Regel aber ist keine andre, als, weil solch ein Bild wider alle Wahrscheinlichkeit laufen würde. Es thut auch der Einwurf dieser Vorschrift keinen Eintrag, den er sich im Namen gewisser poetischen Freygeister machet:

Pictoribus atque Poëtis

Quidlibet audendi femper fuit æqua poteftas.

Denn, wie schon oben in den Anmerkungen der Uebersehung dieser Stelle erinnert worden, so beantwortet er denselben gleich darauf so: daß er die Freyheit im Dichten in gebüh rende Gränzen einschränket.

Scimus,

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