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vom Christenthum abwehren wollen. Mit dem eben besprochenen Passahstreit hat der Montanismus unmittelbar nichts zu thun, denn die kleinasiatische Partei, die bei einem Vergleich zwischen beiden Richtungen den Montanisten entsprechen müsste, strebte zwar auch darnach, das Christenthum in seiner Fortentwicklung zu einer selbstständigen und nur auf sich selbst gegründeten einheitlichen Heilsanstalt für die ganze Welt aufzuhalten und den Zustand zu bewahren, in welchem es sich ursprünglich befand, aber wenn beide Bewegungen hierin bewusst oder unbewusst dasselbe negative Ziel haben, nämlich die Assimilation der Kirche mit der Welt zu hindern, so ist der positive Zustand, den beide Parteien anstreben, und es sind die Mittel, mit denen sie ihn herbeizuführen suchen, sehr verschieden. Bei der kleinasiatischen Partei ein Zustand der Gebundenheit der Kirche an die dem Gesetze und der Theokratie nahestehenden Formen des Urchristenthums, bei den Montanisten die einseitige Consequenz des weltfeindlichen Geistes des Urchristenthums, die Forderung des Bruches zwischen Kirche und Welt. Dort der beschränkte, aber praktisch verständige, nüchterne Geist eines gesetzlich aufgefassten Christenthums, das dem Fleisch giebt, was ihm gehört, hier die gänzlich ungebundene, willkürlichste, selbst über das Urchristenthum weit hinausschreitende Aeusserungsform des Geistes, die Ekstase und die Zurückweisung selbst aller berechtigten Formen der Sinnlichkeit; dort nur die stille, abwartende Gemeinde der Wächter über das Ueberkommene, welche befriedigt ist, wenn nichts Fremdes, Feindliches, Heidnisches diesen Zustand stört und verunreinigt, hier das unruhige, hastige Drängen nach Erfüllung des letzten Zieles, nach Trennung von der Welt, Vernichtung des Bestehenden und Beginn eines völlig neuen Zustandes 1).

Stehen sich daher diese beiden Richtungen trotz einiger

1) Es stimmt mit dieser Vergleichung beider Parteien, wenn wir hören, die Montanisten seien Quartodecimaner gewesen (Socrates, H. E. 4, 28. Sozomenus, H. E. 7, 18 und Spätere. Vgl. Schwegler, nachapost. Zeitalter S. 216), aber nichts davon erfahren, dass die quartodecimanische Partei etwa im Ganzen sich der montanistischen Bewegung angeschlossen hätte; das Beobachten des gesetzlichen Passah war wohl ein Moment der montanistischen Reaktion, aber diese ging weit hinaus über das conservative Judenchristenthum.

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Berührungen im Ganzen fern, so hat die montanistische Bewegung mit dem auf den ersten Blick ihr gänzlich fremdartigen und feindlichen Gnosticismus bei Weitem mehr Gemeinsames. Wohl sind die Gnostiker und die Montanisten auf jeden Fall die verschiedenartigsten Menschen gewesen, die man nebeneinanderstellen konnte, und wohl ist Alles, worin sie das Wesen des Christenthums sehen, einander entgegengesetzt, aber dennoch ist es nicht zufällig, dass sie zu gleicher Zeit auftraten. Ihnen ist beiden die Erkenntniss aufgegangen, dass der gesammte Weltverlauf das Christenthum zum alleinigen Ziel hat, und dass alles Vergangene und Zukünftige ihm dienen muss, sie sehen im Christenthum nicht allein die Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen, nicht bloss die Ergänzung der Gesetzesreligion, sondern etwas durchaus Selbstständiges, üher alle früheren Entwicklungen der Menschen Hinausgreifendes, das letzte Ziel alles Geschehenden; Christus ist ihnen nicht mehr bloss das Heils princip für die einzelne Menschenseele, er ist ihnen das Weltprincip, und sie bringen deshalb den gesammten Weltverlauf mit ihm in Verbindung, ordnen ihn ihm unter. Die Gnostiker thun dies in Bezug auf die Vergangenheit, die Montanisten in Bezug auf die Zukunft, jene stellen die gesammte vorchristliche Religionsentwicklung unter den Gesichtspunkt der Vorbereitung Christi, diese erklären die gesammte Weltentwicklung der Zukunft so sehr für allein Christo angehörig, dass sie nicht schnell genug das Ende alles Ausserchristlichen, der gesammten bestehenden Welt, kommen sehen können. Aber auch das Andere ist ihnen gemeinsam, dass sie im vollen Gefühl dieses neuen Bewusstseins von der absoluten Bedeutung des christlichen Princips sich hoch über alle andern Menschen erheben. Die Gnostiker wie die Montanisten nennen sich, so verschieschiedenartig ihr Begriff vom лvεvμа ist, doch beide Vεvuazizoi im Unterschiede von den unter ihnen stehenden, des neuen Bewusstseins unfähigen vzizoi, den katholischen Christen. Der Gnosticismus und der Montanismus sind also beide Erscheinungen, die auf dem Stadium der Entwicklung des Christenthums zur weltbeherrschenden Religion, auf welchem dasselbe sich seiner Aufgabe völlig bewusst wurde, sehr wohl erklärlich sind. Sie sind beide Ausartungen, aber Ausartungen eines an sich völlig berechtigten und auch dem Streben

der katholischen Kirche zu Grunde liegenden Princips. Was aber in der Kirche stets nur auf der festen Grundlage des Ueberlieferten, des sittlichen Kernes des Christenthums und in geordneter Weise erstrebt wurde, das trat bei Gnostikern und Montanisten als etwas absolut Neues und daher nur als Gegensatz gegen das bisher als christlich Geltende hervor. Den Gnostikern insbesondere galt die ganze historische Ueberlieferung und sittliche Grundlage des Christenthums als überwundener Standpunkt, und deshalb konnten die Katholiker, wie wir nachher am Beispiel des Irenäus sehen werden, dieselben stets nur als Feinde des Christenthums betrachten. Die Montanisten hielten am Positiven fest und traten nur in Gegensatz gegen alles, was irgend als Anbequemung an die Welt, als nicht völlige Durchführung des christlichen Princips, als Verläugnung des neuen Zeitalters des Parakleten erscheinen konnte, gegen alle Befreundung mit der Welt, und darum war ihr Gegensatz gegen die Katholiker ein nur sehr theilweiser, ein überwiegend das sittliche Gebiet betreffender. Darum ist von vorneherein zu erwarten, dass der Kampf der Vertreter der katholischen Kirche gegen sie ein bei Weitem milderer und weniger principieller sein wird. Mussten sie doch in den Montanisten und ihren Forderungen theilweise ihr eigen Fleisch und Blut erkennen und konnten daher nur das an ihnen bekämpfen, was die Verbindung der christlichen Kirche mit der Welt völlig unmöglich machte, nämlich den durchaus unpraktischen und undurchführbaren Rigorismus ihrer Sittlichkeit und die völlige Willkürlichkeit ihres Offenbarungsprincips.

Aus diesen Gesichtspunkten wird sich die Frage nach der Stellung des Irenäus zum Montanismus entscheiden lassen. Wir können dabei von einer Untersuchung über den geschichtlichen Anfangspunkt des Montanismus gänzlich absehen. Die Richtung desselben ist, wie die des Gnosticismus, nicht plötzlich entstanden, sondern hat sich allmälich vorbereitet; seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts aber fängt der Montanismus an, die kirchliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, darum kann man jedenfalls annehmen, dass zur Zeit, als Irenäus sein Werk gegen die Häretiker schrieb, also ungefähr im Jahre 190, die montanistische Bewegung schon als solche deutlich erkennbar gewesen sein muss, wenn es auch andrerseits nicht feststeht,

dass ihre Anhänger schon damals irgendwo aus der Kirche ausgeschlossen waren. Es wird darauf ankommen, die drei Haupteigenthümlichkeiten des Montanismus: seine nahe und dringende Erwartung des Weltendes und der Wiederkunft Christi, seine Betonung der Ekstase als der vollkommensten Aeusserungsform des Geistes und seinen Gegensatz gegen die kirchliche Ordnung, endlich seinen sittlichen Rigorismus im Einzelnen zu betrachten und das Verhältniss des Irenäus zu ihnen zu bestimmen.

Was den erstgenannten Punkt anbetrifft, so kann es auf den ersten Blick scheinen, als ob Irenäus den Montanisten darin sehr nahe stehe: auch er erwartet die Wiederkunft Christi in nächster Nähe, in dem Auftreten der vielen gotteslästerlichen Häresien sieht er die Anzeichen des letzten Kampfes zwischen der alten Schlange und Christo, er glaubt in den letzten Zeiten zu leben') und lehrt den sinnlich gefärbtesten, von der Kirche später verworfenen Chiliasmus 2). Aber diese Erwartung tritt bei ihm durchaus nicht in den Vordergrund, er legt zwar seine eigenthümlichen, grellen Ansichten über die letzten Dinge sehr ausführlich dar, aber darin liegt noch nichts Motanistisches, er hat dies mit den Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte überhaupt gemein, und das charakteristische Merkmal des montanistischen Chiliasmus, ein unruhiges Erwarten des Neuen und ein Hindrängen und sich Sehnen nach dem Umsturz aller Dinge findet sich bei ihm entschieden nicht. Sein Wirken für die Gegenwart, sein Streben nach dem Ausbau der für diese Welt berechneten kirchlichen Verfassung war ein viel zu lebendiges und sein Sinnen und Denken viel zu sehr in Anspruch nehmendes, als dass er dem Gedanken an das nahe Weltende sich in der Weise des Montanismus hätte hingeben können 3). Für die ekstatische Form der Prophetie scheint auch eine Stelle bei Irenäus zu sprechen, nämlich 3, 11, 9. p. 473 f., wo er gegen diejenigen heftig auftritt, welche das Johannesevangelium wegen der

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1) IV. Praef. p. 560: Nunc autem quoniam novissima sunt tempora, extenditur malum in homines, non solum apostatas eos faciens, sed et blasphemos in plasmatorem instituit multis machinationibus, id est per omnes haereticos, qui praedicti sunt. cf. 5, 26, 1. p. 787. 2. p. 790.

2) Besonders ausführlich Lib. 5, c. 32-36.

3) Dies gegen Schwegler, Geschichte des Montanismus S. 539.

darin verheissenen Sendung des Parakleten verwarfen und dadurch zugleich den prophetischen Geist und das Evangelium aus der Kirche trieben: Alii vero ut donum spiritus frustrentur, quod in novissimis temporibus secundum placitum Patris effusum est in humanum genus, illam speciem non admittunt, quae est secundum Joannis evangelium, in qua Paracletum se missurum Dominus promisit; sed simul et evangelium et propheticum repellunt spiritum. Infelices vere qui pseudoprophetas quidem esse nolunt'); propheticam vero gratiam repellunt ab ecclesia: similia patientes his, qui propter eos qui in hypocrisi veniunt, etiam a fratrum communicatione se abstinent. Datur autem intelligi quod hujusmodi neque apostolum Paulum recipiant. In ea enim epistola, quae est ad Corinthios, de propheticis charismatibus diligenter locutus est et scit viros. et mulieres in ecclesia prophetantes. Per haec igitur omnia peccantes in Spiritum Deum in irremissibile incidunt pecca

1) Die Veränderung der hergebrachten Lesart: qui pseudoprophetae quidem esse volunt in: qui pseudoprophetas quidem esse volunt scheint mir nicht glücklich, denn Irenäus würde darnach an unsrer Stelle den von ihnen angegriffenen Häretikern den Wunsch nach falschen Propheten imputiren, während er doch wissen musste, dass die Angegriffenen selbst jedenfalls wahre Propheten meinten. Erklärt man diese Lesart aber so, dass Irenäus seine Ansicht von der Falschheit jener Propheten unwillkürlich durch ein vor prophetas gesetztes pseudo ausgedrückt hätte, so hebt man die Schwierigkeit nicht, um derentwillen die hergebrachte Lesart verworfen wird. Diese Schwierigkeit besteht eben darin, dass ein Wunsch der Häretiker darnach, selbst falsche Propheten zu sein, ausgesprochen wird, und sie wird nicht geringer, wenn man den Irenäus statt dieses den wenig veränderten Wunsch aussprechen lässt, dass sie überhaupt falsche Propheten gewollt haben.

Auch fordert der Zusammenhang nach rückwärts wie nach vorwärts einen andern Gedanken. Es heisst im Vorhergehenden, die Häretiker hätten das Johannesevangelium verworfen, weil darin die Sendung des Parakleten, des heiligen Geistes ausgesprochen war. Offenbar weil in Folge der Sendung des Geistes an Alle sich denselben viele Unberufene anmaassten, die als falsche Propheten erkannt wurden. Im Folgenden aber sagt dann Irenäus, dass die Häretiker durch diesen Gegensatz gegen die falschen Propheten nun den prophetischen Geist überhaupt aus der Kirche vertrieben. Dieser Gedanke fordert die Lesart: qui pseudoprophetas quidem esse nolunt. Wer die hier angegriffenen Häretiker sind, ist nicht ganz klar. Am Besten passt die Verwerfung des Johannesevangeliums auf die von Epiphanius, Haer. 51, geschilderten Aloger, obgleich wir freilich wenig klar über ihren Charakter sind.

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