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um namentlich die jungen Kleriker vor diesem Einfluss zu bewahren 1).

Ueber das Ende des Irenäus steht so viel fest, dass er in den Verfolgungen unter Septimius Severus den Tod als Märtyrer gefunden hat, doch bleibt es ungewiss, ob dies, wie gewöhnlich angenommen wird, schon im Jahre 202 geschah, als das erste Edikt des Severus zur Verfolgung erging, oder erst bei den massenhaften Hinrichtungen, die bei Gelegenheit der Durchreise des Severus nach Britannien und bei seinem Aufenthalt in Lugdunum stattfanden3).

Nach dem Gesagten hat Irenäus zu den drei wichtigsten Fragen der kirchlichen Entwicklung in seiner Zeit, zur Passahdifferenz, zum Montanismus und zum Gnosticismus entschiedene Stellung genommen und in Bezug auf alle drei sogar persönlich in die kirchliche Entwicklung eingegriffen. Um nun auf sicherer Grundlage eine Darstellung der Theologie des Irenäus geben zu können, erscheint es nothwendig, seine Stellung zu diesen drei Hauptfragen zunächst genauer zu prüfen und sie womöglich aus dem Bedürfniss der Zeit, der er dienen wollte, wie aus dem Standpunkt, der dem Irenäus durch seinen Bildungsgrad und durch seinen Charakter angewiesen war, einheitlich zu begreifen, um so die richtigen Umrisse und Grundlinien für das Bild der christlichen Kirche zur Zeit des Irenäus zu gewinnen. Ehe wir jedoch hierzu schreiten, müssen wir sein Verhältniss zu den kirchlichen Richtungen vor seiner Zeit ins Auge fassen und die Frage beantworten, welchen Stand dieser Richtungen wir aus dem Werk gegen die Häretik er erschliessen können.

1) Die Zeitgenossen erwähnen freilich nichts davon, und der Libellus Synodicus (ed. Joh. Pappus. Argentorati 1601. p. 2), der es uns wirklich berichtet, kann es ebensowohl, wie auch wir, aus der bekannten kirchlichen Wirksamkeit des Irenäus geschlossen, als einer älteren Quelle entnommen haben.

2) Gregor. Turon. Hist. Franc. Lib. 1. c. 29.

Vierter Abschnitt.

Die Stellung des Irenäus zu den kirchlichen Parteien seiner Zeit.

Erste Abtheilung.

Der Paulinismus des Irenäus.

Es kommt, um den kirchlichen Standpunkt des Irenäus sicher zu bestimmen, vor Allem darauf an, eine feste Ansicht darüber zu gewinnen, ob er der paulinischen, heidenchristlichen oder der judenchristlichen Richtung zuzuweisen ist. Denn wenn auch die Gegensätze dieser beiden Richtungen selbst nicht mehr in ihrer noch in der Mitte des zweiten Jahrhunderts erkennbaren Spannung innerhalb der Kirche bestanden, ist es doch vielleicht möglich, Anzeichen für die Herkunft des Irenäus von der einen oder anderen Seite zu entdecken, und jedenfalls ist es vom grössten Interesse, aus seinem Werke Belehrung darüber zu suchen, inwiefern diese Gegensätze in der Kirche sich abgestumpft haben und in welchen ausserkirchlichen Parteien wir sie wiedererkennen können. Nun ist aber bekanntlich schon die Frage, welcher dieser beiden Richtungen der bedeutendste kirchliche Schriftsteller unmittelbar vor Irenäus, der Märtyrer Justin, angehört, eine äusserst verschiedenartig beantwortete, und von Baur ist die Möglichkeit ihrer Beantwortung in dieser Fragestellung sogar abgelehnt worden'), da er schon in Justin das, wenn auch noch nicht geradezu so genannte und unverhüllt auftretende, doch der Sache nach vorhandene „katholische Christenthum mit der Ausgleichung der Differenzen und Parteirichtungen“ sieht, welche bisher einander noch gegenüberstanden". Doch ist auch nach Baur Justin der Sache nach Pauliner", und dieser Satz stimmt mit der Nachweisung paulinischer Grundgedanken bei Justin von Seiten Ritschl's vollkommen überein. Vielleicht ist es möglich, auch bei Irenäus, wenn nicht gerade Paulinismus oder Ebionitismus, so doch die Herkunft von der einen

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1) Kirchengeschichte der 3 ersten Jahrhunderte Tüb. 1863 p. 139 ff. 2) Die Entstehung der altkathol. Kirche Bonn 1857 p. 310.

oder andern Seite zu erweisen. Hierbei ist jedoch die Frage nach dem Heiden christenthum und nach dem Paulinismus des Irenäus wohl zu unterscheiden, denn, wenn ich auch der Ritschl'schen Trennung beider Begriffe 1) für die vorjustinische Zeit in der Hauptsache entschieden nicht zustimme, so passt diese Unterscheidung um so sicherer für die irenäische Zeit. Ein Hauptbegründer der katholischen Kirche wie Irenäus ist in der That, auch wenn er Heidenchrist war, deshalb noch lange kein Pauliner gewesen. Dass er nun aber, oder seine Eltern, aus dem Heidenthum ins Christenthum übergegangen sind, ist schon als entschieden wahrscheinlich und fast unzweifelhaft erwiesen worden. Es fragt sich nur: verräth Irenäus noch seine Anlehnung an den Paulinismus, oder lässt er nur eine degenerirte paulinische Richtung, oder endlich lässt er entschieden judenchristliche Einwirkung erkennen? Dass Irenäus den Namen und die Autorität des Paulus mit der der anderen Apostel vollkommen auf gleiche Stufe stellt und nicht wie Justin trotz entschiedener Anlehnung an ihn seinen Namen verschweigt, beweist noch nichts für seinen Paulinismus, denn Irenäus braucht eben nicht mehr wie Justin auf eine grosse judenchristliche Partei innerhalb der Kirche Rücksicht zu nehmen 2) und die ausserkirchlichen Judenchristen tadelt er offen wegen der Verwerfung dieses Apostels 3).

1) a. a. O. p. 271 ff.

2) Dass Justin aus Rücksicht auf die Juden den Apostel mit Stillschweigen übergeht, wie Semisch (Justin der Märtyrer Brsl. 1840 - 42, 2. Band p. 239) mit Zustimmung Ritschl's (a. a. O. p. 309 u. ff.) meint, scheint mir undenkbar. Müsste uns seine Apologie des Christenthums gegen das Judenthum im Gespräch mit Tryphon doch sehr schwächlich vorkommen, wenn er aus Furcht, Anstoss zu geben, vermieden hätte, den Namen des grössten Verfechters des Christenthums gegen das damalige Judenthum auch nur zu nennen! Er sagt dem Tryphon ja sonst die derbsten Wahrheiten, von denen gar nicht abzusehen ist, wie sie diesem weniger anstössig gewesen sein sollten als die Nennung des Paulus. Vergl. d. c. Tr. cap. 15. 39. 120 u. s. Nur die Rücksicht auf einen grossen Theil seiner Mitchristen, die Rücksicht darauf, dass er nicht der Partei, sondern der ganzen Christenheit, der einheitlichen Kirche, dienen wollte, erklärt auf dem katholisch werdenden, aber noch nicht wirklich katholischen Standpunkte des Justin seine Umgehung des Paulus.

3) Ebionaei apostolum Paulum recusant, apostatam eum legis dicentes 1, 26, 2. p. 255.

Auf der anderen Seite freilich berechtigt uns auch die entschiedene Hervorhebung der menschlichen Freiheit von Seiten des Irenäus sowie seine Forderung der Werke neben dem Glauben und seine Abschwächung des paulinischen Glaubensbegriffes ebenso wenig zur Annahme einer ursprünglich judenchristlichen Richtung, denn die Betonung der Freiheit ist durch den Gegensatz gegen den Gnosticismus nothwendig gemacht, und den abgeschwächten Glaubensbegriff theilt Irenäus, wie wir sehen werden, mit allen gleichzeitigen kirchlichen Schriftstellern, ja auch mit weit früheren, entschieden der paulinischen Richtung angehörenden Schriften. Selbst die Auffassung des Christenthums als eines neuen Gesetzes bei Irenäus ist nicht als eine Spur früheren Judenchristenthums anzusehen, denn alle unbestritten paulinischen Schriften der ersten Jahrhunderte sind dem Irenäus darin vorangegangen. Schon der Barnabas - Brief setzt an die Stelle des jüdischen Ceremonialgesetzes ein neues christliches Gesetz C. 2. 9. 10. 19. 21, der erste Brief des römischen Clemens fasst das Evangelium als ein neues Sittengesetz C. 1. 2. 13. 49, und in den pseudoignatianischen Briefen ist noch weniger ein Zweifel an dieser Verleugnung des ursprünglichen Paulinismus z. B. ad Magn. c. 13. ad Trall. c. 7. 13. ad Philad. c. 1.') Die in dem ganzen irenäischen Werke fortwährend wiederkehrende Betonung der Einheit und Allmacht Gottes, seiner Identität mit dem Weltschöpfer, ist ebenfalls nichts Judenchristliches, sondern lediglich auf den Gegensatz gegen den gnostischen Gottesbegriff zurückzuführen.

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Gegen judenchristliche Einflüsse bei Irenäus spricht aber entschieden der Umstand, dass er der erste kirchliche Schriftsteller ist, der die Ebioniten als ausserkirchliche Partei, als Häretiker, betrachtet 1, 26, 2. p. 254 ff. 3, 11, 7. p. 467. 3, 15, 1. p. 501. 3, 21, 1. p. 532 (cfr. 3-10. p. 533 ff.) 4, 33, 4. p. 667. — 5, 1, 3. p. 715 ff. Dass er ihnen aber gerade die Vorwürfe macht, welche ein irgendwie vom Judenchristenthum berührter Schriftsteller entschieden hätte zurückhalten oder mildern müssen, zeugt noch deutlicher für seine Freiheit von judenchristlichen Einflüssen. Er wirft ihnen hauptsächlich

1) Zu allen diesen Stellen ist zu vergleichen Hilgenfeld, die apostolischen Väter, Halle 1853.

Ziegler, Irenäus,

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vier Punkte vor: 1) das Festhalten an der Beschneidung und am Gesetz sowie an Jerusalem als dem Sitze Gottes 1), 2) ihre Verwerfung des Paulus als Apostel, 3) ihre alleinige Anerkennung des Matthäus- Evangeliums und endlich 4) am häufigsten und stärksten ihre Leugnung der göttlichen Natur Christi und seiner übernatürlichen Geburt 2). Alle diese Beschuldigungen deuten auf ein sehr objectives Urtheil über das Judenchristenthum, und nirgends zeigt sich eine Spur davon, dass es dem Irenäus schwer wird, diese Verurtheilung auszusprechen. Kann man nach Justin's mildem Urtheil über die Judenchristen in ihren verschiedenen Schattirungen (d. c. T. 47) zweifelhaft sein, ob Justin Pauliner ist, so liegt uns bei Irenäus eine vollständige und gänzlich ungescheute Verurtheilung des Judenchristenthums vor, bei der gar kein Unterschied mehr zwischen milderen und strengeren Anhängern dieser Richtung gemacht wird, und es ist trotz der katholischen Richtung des Irenäus, die diese Ansicht hervorgebracht hat, doch nicht denkbar, dass ein früherer Judenchrist sich je, namentlich als der Erste, zu solchem Urtheil bequemt hätte 3). Auch das Verhalten des Irenäus im Passahstreite lässt die paulinische Herkunft seines Christenthums erkennen, denn er steht in der Hauptsache auf Seite der Occidentalen und denkt über Jesus als das wahre, ein für alle Mal geschlachtete, Passahlamm ganz paulinisch und johanneisch 1).

1) Domus Dei 1, 26, 2. p. 255.

2) Sehr dunkel ist der Sinn der von den Ebioniten gebrauchten Worte: quae autem sunt prophetica, curiosius exponere nituntur 1, 26, 2. p. 255. Ich habe bis jetzt nirgends eine genügende Erklärung derselben gefunden. Sollte nicht vielleicht der Begriff des „wahren Propheten" in den pseudo-clementinischen Schriften, der auf eine Gleichsetzung des Christenthums mit dem Judenthume hinausläuft, gemeint gein?

3) Hierbei sei bemerkt, dass Iren. auch einen Unterschied zwischen Nazarenern und Ebioniten wie Epiphanius Här. 29. 30 und Hieronymus ad Jes. 5, 18 nicht kennt. Ebenso wenig ist eine Unterscheidung vulgärer und gnostischer Ebioniten, wie sie zuerst Schliemann (die Clementinen und der Ebionitismus Hamb. 1844 p. 498 ff.) aufgestellt chat, bei ihm wahrzunehmen.

4) Dass Iren. theilweise der oriental. Chronologie der Leidenswoche folgt, erklärt sich hinreichend aus der Differenz der Evangelien selbst über diesen Punkt.

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