Obrazy na stronie
PDF
ePub

spieler das einzige, was Adel und Volk mit gleicher Sympathie begrüssten. In Wien haben sich die Traditionen der deutschen Volksbühne am längsten bewahrt; lange nachdem der Leipziger Dictator den Hanswurst standrechtlich behandelt hatte, führte dieser in der Hauptstadt wie in den Provinzen des österreichischen Staates seinen lärmenden rauschenden Hofhalt weiter fort und fand in den aus Italien zufliessenden Einwirkungen neue Nahrung und Unterstützung. In der unläugbaren Rohheit und Derbheit, die den Begriff des unschicklichen gar nicht kannte und vor keiner Trivialität zurückschreckte, lag dennoch ein guter und echter Kern eingeschlossen, der sich allmälig aus den Hüllen losschälte, von den Schlacken sich reinigte und säuberte. Altberühmte Stoffe wurden aus Deutschland auf die Wiener Bühne verpflanzt und kehrten in der Form, die ihnen hier gegeben wurde, wieder nach Deutschland zurück. Das vielleicht wichtigste Problem in der Geschichte dieser Wechselwirkung, die Umgestaltung und Umwandlung der Faustsage, harrt noch ihrer Lösung. Ein gutes Stück jener alten Theaterüberlieferungen steckt auch in den besten Dichtern, die der bajuvarische Stamm in Oesterreich hervorgebracht hat. Gewiss ist Grillparzer der grosse Dichter, als welchen ihn die gegenwärtige Generation verehrt, nur geworden, indem er die Weimarer Traditionen im weitesten Sinne des Wortes in sich aufnahm und fortbildete; aber er hat selbst gesagt, man merke es seiner ganzen dramatischen Production an, dass er sich in seiner Jugend an den Zaubermärchen des Leopoldstädter Theaters ergötzt habe; 'Die Ahnfrau', 'Der Traum ein Leben' sind ganz auf diesem

Boden erwachsen; die Vorliebe für sagenhafte Stoffe, die er bis zu seinen reifsten und letzten Werken beibehielt und die so gross war, dass er sogar einen historischen Stoff wie den Bancban als Sage auffasste, ist durch diese unvergesslichen Jugend

drücke zu erklären. Auch sonst wird sich mancher Zusammenhang mit den autochthonen dramatischen Erzeugnissen Oesterreichs in seinen Stücken aufdecken lassen. Um aus der Fülle der Beispiele nur eines auszuwählen, der liebenswürdigste aller Küchenjungen Leon in 'Weh dem der lügt' hat in den Speisezettel absingenden Köchen der Hafnerischen Komödien, hat in dem Aschenschlegel Perinets, der durch das unvergleichliche 'Butterkrapfel' sich die Gunst der Fürstin von Idealien erobert, seine unverkennbaren Vorläufer. Ferdinand Raimund aber ist nur der genialste Repräsentant der alten Wiener Localposse und die reifste seiner Figuren, der Valentin im 'Verschwender' nur der alte Wiener Hanswurst in der denkbar edelsten Gestalt.

Alt-Wien und Alt-Oesterreich sind längst zu Grabe getragen. Die Grenzen der Stadt und die Grenzen des Reiches sind erweitert und verschoben worden; aber auch die Scheidewände sind längst gefallen, die das vormärzliche Oesterreich von allen Seiten wie ein eiserner Ring umklammerten. In dieses Alt-Wien mit seinen Wällen und Basteien, mit seinem Censurzwang und Geistesdruck, aber auch mit seiner unverwüstlichen Lebensfreude und Lachlust, seiner Heiterkeit und Naivetät, seiner sprichwörtlich gewordenen Gemüthlichkeit sollen Sie die alten Bändchen zurückführen, die ich Ihnen hier in neuem, wenn auch ein

fachem Gewande vorlege. Sogar der unsterbliche Hanswurst wagt es wieder an die Pforte zu klopfen; aber er fällt nicht mehr wie weiland Stranitzkys Nachfolger Gottfried Prehauser auf die Kniee nieder, um

aufgehobenen Händen die Gunst des Publicums sich zu erflehen: sondern er bittet nur schüchtern um ein Beifallslächeln und um gerechte Würdigung dessen, was er geleistet, sowie dessen, was er leider auch verbrochen.

Auch Ihr geliebter heimischer Dialect soll auf den früheren Stufen seiner Entwickelung Berücksichtigung in dieser Sammlung erfahren. Und gerade in dieser Beziehung kann ich bei Auswahl und Einkleidung der Denkmäler Ihres Rates und Beistandes nicht entbehren. Ich möchte aber wünschen, dass die eifrige Hingabe, die wir jüngeren der Dialectforschung entgegenbringen werden, auch Sie wieder bewegen möchte, zu Ihren mit Unrecht unterbrochenen Forschungen auf diesem Gebiete zurückzukehren; dass Sie Ihren beiden schönen Proben eines Wörterbuchs der österreichischen Volkssprache' nach der fast zwanzigjährigen Pause neue umfangreichere Fragmente nachfolgen liessen, und ich würde mich glücklich schätzen, wenn das zweite österreichische Unternehmen, das meine Freunde und ich in demselben Verlage ziemlich gleichzeitig eröffnen, wenn unsere 'Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und des geistigen Lebens in Oesterreich' sich recht bald mit einer Arbeit von Ihrer Hand schmücken könnten.

Lemberg, am 12. October 1882.

Dr. August Sauer.

Zwei Jahrhunderte sind im nächsten Jahre verflossen, seitdem die vorliegende Flugschrift: 'Auf, auf ihr Christen! verfasst wurde; es ist nur billig, wenn inmitten der grossen Erinnerungsfeier, welche Wien den heldenmütigen Kämpfern um seine Befreiung widmet, auch des würdigen Mannes gedacht wird, der aus dem stillen Kloster im Münzgraben zu Graz seine tiefgefühlten Worte ausgehen liess, um die christliche Welt zum Kriege aufzurufen, die ausziehenden zum Kampfe anzuspornen, die heimbleibenden zum Gebete aufzufordern.

Aus wirklicher patriotischer Erregung geflossen, von Ueberzeugungstreue eingegeben, von christlicher Humanität durchweht, hat diese 'frischeste und lebensvollste Gelegenheitsschrift Abrahams, wie sie Karajan nennt (Abraham a Sancta Clara Wien 1867 S. 277) noch heute nichts von ihrer Wärme und Wahrheit verloren; ist Abraham a Sancta Clara 'interessanter und lesbarer als Sebastian Brant, als Murner, als Fischart, als Moscherosch' (vgl. Scherers glänzende Charakteristik Abrahams in seinen Vorträgen und Aufsätzen Berlin 1874 S. 151), so ist diese Schrift die interessanteste und lesbarste von allen, energischer, packender, glühender als seine früheren, massvoller, ernster, einheitlicher als seine späteren,

in denen der Prediger so oft zum Götzendiener der zuhörenden Menge, der meisterhafte Rhetoriker und Stilist so oft zum übertreibenden Virtuosen wird; mit jedem Worte und mit jeder Wendung in dem momentanen Bedürfnisse des Tages fussend, ist sie mehr als andere Documente jener Zeit im Stande, uns die drückend schwüle Atmosphäre zu vergegenwärtigen, welche vor dem erneuten Ausbruch des grossen Unwetters über Wien und seinen Bewohnern lastete. Darum ist es kein Zufall, dass es gerade dieses Werk Abrahams war, welches, wie oft gezeigt worden ist, Schillern das Vorbild für seine Kapuzinerpredigt in Wallensteins Lager abgegeben hat. Goethes Worte, mit welchen er den betreffenden Sammelband an Schiller übersandte: 'Es ist . . . ein so reicher Schatz, der die höchste Stimmung mit sich führt', sind eben so ehrend für Abraham als Schillers späteres Urteil: 'dieser Pater Abraham ist ein prächtiges Original, vor dem man Respect bekommen muss, und es ist eine interessante und keineswegs leichte Aufgabe, es ihm zugleich in der Tollheit und in der Gescheidigkeit nach- oder gar vorzuthun. Indess werde ich das Möglichste versuchen.' Die Parallelstellen zum Wallenstein hat am übersichtlichsten Boxberger in Schnorrs Archiv für Literaturgeschichte II, 402 ff. zusammengestellt, wo auch die frühere einschlägige Literatur verzeichnet ist.

Abraham stand im reifsten Mannesalter, in seinem 39. Lebensjahre, als er diese Schrift verfasste. Im Jahre 1682 war er aus dem Ordenshause in Wien, wo er bereits als Prior fungirt hatte, an das neu gegründete Kloster zu St. Anna in Graz abge

« PoprzedniaDalej »