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I.

LESESTÜCKE.

Weinhold, mittelhochd. Lesebuch. 4. Aufl.

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I. EPISCHE POESIE.

I. Volksthümliches Epos.

1. Aus der Nibelunge nôt.

Das mære von der Nibelunge nôt, wie das Nibelungenlied in den meisten Handschriften heisst, ist das bedeutendste Denkmal der deutschen Heldensage. Die mythische Sage von Siegfried dem Drachentöter ist darin mit der geschichtlichen Sage von dem Untergange des rheinischen Burgundenreiches durch die Hunen verschmolzen. Die Siegfriedsage berichtete ursprünglich wie Siegfried, ein Heros oder ein Gott selbst, durch weiblichen Zauber in die Gewalt der Söhne der Nacht (Nibelungen) gerät und seinen Untergang findet. In dem sich ausbildenden Epos gab die Siegfriedsage die Einleitung des Ganzen. Denn das Gefühl des Alterthums forderte die Bestrafung der Mörder Siegfrieds. Atila, der Hunenkönig, vollzog dieselbe. Die Nibelungen waren in der Sage mit den burgundischen Königen verschmolzen worden, die in Worms herrschten, und die geschichtliche Niederlage König Gundiharis durch die Hunen im Jahre 437 gab den Anlass, dass Atila (Etzel) zum Rächer Siegfrieds gemacht ward. Atila wirbt nach der Sage später um Kriemhild, Siegfrieds Witwe, und tötet die Nibelungenkönige. So lautet die Erzählung in den altnordischen Liedern, welche auf einer älteren Stufe der Sagengeschichte stehn als das mittelhochdeutsche Epos.

In diesem ist nicht Etzel, sondern Kriemhild die Bluträcherin Siegfrieds. Der Hunenkönig ist damit zur Nebengestalt herabgedrückt. Kriemhild aber ward die Hauptgestalt des Gedichts, namentlich im zweiten Theile, der nach Siegfrieds Ermordung beginnt. Die dämonischen Züge ihres Charakters werden nur durch die unerlöschliche Liebe zu dem toten Gemahl gemildert, wie andererseits die schuldigen Nibelungen Günther und Hagen durch die grossartige Tugend der gegenseitigen Treue fast entsühnt werden.

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In den zweiten Theil wurden Helden aus verschiedenen Zeiten und Gegenden, geschichtliche und ungeschichtliche, eingefügt.

In Lied- und Erzählungsform wurden die einzelnen Abschnitte der weit ausgesponnenen Geschichte vorgetragen. Schon gegen Ende des 10. Jahrhunderts liess Bischof Pilgrim von Passau daraus ein Epos gestalten und zwar in lateinischen Versen. Dasselbe ist verloren; nur das Gedicht die Klage" nimmt Beziehung darauf.

Als aber im 12. Jahrhundert grössere weltliche deutsche Gedichte entstunden, wurden in Oesterreich, dem Lande, in dem seit Jahrhunderten die Nibelungensage besonders beliebt und ausgebildet worden war, Versuche gemacht, die Lieder und Büchlein von Siegfrieds Jugend bis zum notvollen Untergang der NibelungenBurgunden zu einem grossen Ganzen zu verbinden. Eine österreichische Strophe ward als äussere Form gewählt. So ist aus grösseren Theilen, die als Vorstufen anzunehmen sind, zuletzt durch einen Unbekannten das ganze mære von der Nibelunge nôt zusammengefügt worden. Es ist durch den festen Zusammenhang der Ereignisse, sowie durch die Strophe ein einheitliches Ganze. Durch die Verschiedenheit des Tons, der Darstellung, des Wortgebrauchs, auch thatsächlicher Angaben, die sich widersprechen, weist es aber auf seinen Ursprung aus verschiedenen Bestandtheilen.

Reime und Wortgebrauch führen auf die Übergangszeit von der alterthümlicheren Art zu der höfischen Kunst. Als Zeit des ersten Abschlusses des Ganzen wird sich ungefähr 1190 ergeben.

Das Gedicht liegt in zwei Hauptgestalten vor, die nach den Schlussworten der Nibelunge nôt und der Nibelunge liet genannt werden.

Der Nibelunge nôt zerfällt in zwei Recensionen: A. vertreten durch die Hohenems-Münchener Handschrift (in phototypischer Nachbildung? herausgegeben von L. Laistner, München 1886), die den kürzesten und nach Lachmanns Ansicht ältesten Text (der dem verlorenen Original am nächsten steht) enthält. Auf ihr beruht die Ausgabe von K. Lachmann, Berlin 1827, 1841 (und öfter wiederholt); vergl. dazu K. Lachmann zu den Nibelungen und zur Klage. Berlin 1836. B. hauptsächlich vertreten durch die St. Gallener Handschrift. Der Text hat 62 Strophen mehr als in A. und ist überarbeitet mit dem Bestreben, manches alterthümliche zu entfernen und einiges besser zu begründen. Auf B. beruhen die Ausgaben durch v. d. Hagen (Breslau 1816, 1820, 1842) und durch K. Bartsch, Leipzig 1866 u. ö. und eine grössere (in 3 Bänden) 1870-80.

Der Nibelunge liet ist durch C., die Hohenems-Lassbergsche Handschrift hauptsächlich vertreten (treuer Abdruck im 4. Bande des Liedersaals von Jos. von Lassberg. Constanz 1821 St. Gallen 1846). C. hat 124 Strophen

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mehr als A. und steht dem höfischen Geschmack noch näher als B. Auf ihr beruhen die Ausgaben von A. Holtzmann, Stuttgart 1857, 1868 und von Fr. Zarncke, Leipzig 1856-1886. Holtzmann und Zarncke vertheidigten die Ansicht, dass in C. der älteste und beste Text überliefert sei.

Zur Einführung in die Streitfragen über das Nibelungenlied dienen:

R. v. Muth, Einleitung in das Nibelungenlied. Paderborn 1877 (vom Lachmannschen Standpunkt aus).

Hermann Fischer, Die Forschungen über das Nibelungenlied seit Lachmann. Leipzig 1874 (von der Ansicht von Bartsch ausgehend, dass in B. die echteste Gestalt vorliege).

Fr. Zarncke, Einleitung zu seiner Ausgabe.

Die von uns mitgetheilten Stücke geben den Text nach Lachmann und dessen Ausscheidungen unechter (später eingeschalteter) Strophen.

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