ich wæn der lip iht anders eische der liute leider allermeist, wan daz fanfte tuot dem fleifche. 95 des ift daz fleisch volleist: waz daz fî, als ich wæne, 70 daz ift niemanne feltfæne, dem ot ie dehein gemach an dem libe gefchach. der werde und ir wünne 80 der ift kurz und der fêle vluft. Des libes gerunge wizzen alt und junge. ich wæn ab lützel ieman der fêle girde erkennen kan. 90 ir girde gegen der hohe fwebt, fô daz fleifch darnider ftrebt; fus ift ein ftrît under in. diu werlte ziuhet aber hin wan daz fleisch gert anders niht dan daz ez hæret unde fiht. fô wil diu fèle alz dahin. daz kein menfchlicher fin 100 erkennen mac oder kan. fô ziuht ie dag fleisch herdan. die wil fi dârin ift behaft, fi kumt doch etfwenn an die kraft diu minne twingen alfô harte und minneclîche war nimt Wer ift der liebe des fi wartet? Jefus der alfo fuoze zartet. fô man in an der wart erwischet, von fîner kumft daz herze erhischet 115 als ez ein blic von himel rüere. ich wæn ich des für in wol fwüere, fwern zeim mâl an der warte erluoget, daz in des nimmer wol genuoget, fwaz er då erluogen kan, 120 fwie flîzeclîche er warte dran. 84. die Freude in Leid verwandelt. 85. die ungleichen Abschnitte des Gedichts schliessen stets mit einer fünfversigen Reimverbindung a b a b a. 88. lützel ieman, niemand. 92. der Streit der Sele mit dem Leibe meist nach dem Tode oder in traumhaftem Zustande ist Gegenstand vieler mittelalterlicher Dichtungen in lateinischer und in den Landessprachen. 93. werlte Nebenform zu werlt im bairischen und ostfränkischen. 98. so strebt die Sele stets nach dem. 108. liebes, Genitiv der Attraction. ist als eine Frau gedacht, die von der Zinne nach dem schaut. Syon ist der Ort des seligen Schauens der Sele. swer in. 110. die Sele Geliebten aus 117. swern Ei herre got! waz warte ift daz? fô der fin und der muot 125 alfô hôhe geftiget, daz der lip gefwiget fo fich an die warte machet diu fêle ûz des lîbes kraft, 130 die wîl fie ift fô manhaft daz fie des libes fin geleget ein vînt ift der werlde fchîn, 155 des her ift manger flaht gezierde. der ander ift des fleifches girde, des her ift manicvalt geluft. der dritte des tiuvels unkuft, des her ift maneger flahte fchünden, 160 daz er uns tuot zuo den sünden. dife drier flahte vînde ful wir fwîgund unde schrînde überwinden an der warte, wand fi vârent unfer harte und sie sich an die wart erweget, 165 mit stæter låge alle zît. 135 Sŷôn spricht ze diute ein warte. nû wundert lîht in harte, fwem diu rede ist unbekant, durh waz diu fêle genant ein tohter von der warte fî. 140 dâ ist bezeichenunge bî: Sŷôn heizt ein berc, der lît ze Jerufalêm an einer fît. der berc ift vefte unde guot und ift diu ftat dâ wol behuot 145 gegen der vînde anevart. lô fie mit wer ift wol bewart, fam ift der fêl daz herze ein stat. der berc, den fie darinne hât, daz ift der geiftliche fin. 150 kumt fie an die warte drin, zehant ift fie in folher veste daz die vîntlichen geste kein fchade ir enmugen sîn. nu ful wir hüeten uns vor in, daz uns ir liftege gegenftrît mit kündekeit iht ziehe hin ûz unfer wer in ir hâmît. 170 Swer eine guote burc hât und diu wol berüftet stât mit fpîfe und mit vefter wer, ift daz befitzet die ein her, fwie vil daz allenthalben 175 daran fturmet ûzerhalben, fine mugen fie doch niht gewinnen die wil fie werent fich beinnen. fam ift fwer in dem muote fîn herze hât in guoter huote: 180 fwie vil den geftungen mit ir bekorungen diu werlt mit ir valfchen schîne, daz fleifch mit fins geluftes pîne, der tiuvel mit den boefen ræten, 185 fwie gerne fie dem schaden tæten, 131. geleget: niederlegt, überwindet. 135. Syon wird von Lamprecht 147. so ist auch das Herz für 152. Welt, Fleisch und Teufel sind die als specula, Wartturm, Burg Zion gefasst. Feinde der Sele. 169. aus unsrer vertheidigten Stellung. Weinhold, mittelhochd. Lesebuch. 4. Aufl. 178. in gleicher 12 fi mugen in wol müen vil. die wil er aber fich weren wil, fo enkunnen fie den lift niht vinden dâmit fie im an gefigen. 190 die fêle enmac niht überwinden, fi enwelle dan felb underligen und lâze fich die fünde binden. In des herzen burcringe fol diu fêle vier dinge 195 war nemen mit emzeger huote: daz ein ift daz fie in dem muote die werlt lâze varen gar. wand fwer des rehte nimt war wie fie fich hebet und zergêt 200 und wie unlange sie stêt, Jefum fchînbærliche fiht, daz dâ fchînet alfô schône dem mac versmâhen harte 225 difer werlde wolenste. diu ift des tiuvels gespenste und ist ein reizel gegen der helle; daz merke fwer genefen welle. fwen von herzen des gezimt 230 daz er der vierre war nimt, dem mac fie wol fîn unmære 205 ân underlag, an endes zit in dem hellefiure gît. Idiu dritte warte diu ift er mac die helle ouch furhten wol, wand diu ift jâmers alfô vol daz fie enmac noch enkan leides nimmer werden wan. swer daz niht ensitzet, des herze ift ungewitzet. fwen von herzen des gezimt, daz er der vierre war nimt, fô mac er Jêfum ouch wol minnen, 240 der finen lip liez enkinnen gein der marter, die Chrift durch des menfchen fælecheit 210 fterbund an dem criuze leit: diu warte ift in der beften huote, fwer fi alle zît hât in dem muote. diu vierde wart ift gegen der freude, 245 diu von gotes befcheude 215 diu fêle im himelrîche hât, fô man in fîner majestât mit fünf wunden an fünf enden, an fîten füezen und an henden, daz fîn nôt ringert unfer nôt und fîn tôt toetet unfern tôt. fwer Chriftes marter rehte merket, des herze wirt gesterket in dem inren finne zuo der wâren minne. 190. niht = nichts. 193. Seuse nennt in ähnlicher Weise den innersten Grund der Seele die inburcheit d. i. das sein in der inneren Burg. 194. die vier Dinge sind: Verzicht auf die Welt (Weltentsagung), Betrachtung des ewigen Todes, Betrachtung des Leiden Christi, Betrachtung der himmlischen Freuden im Anschauen Jesu. in mac ouch wol belangen fêre 250 gegen der wunnerîchen êre die man ze himel gît ze lône. diu fêle, diu got lieben hât, heizt ein tohter von Sŷône; diu mit der werlde umbe gât, 255 ist ein tohtr von Babylône. Bâbylôn, waz ift daz? daz fprichet fchande. ôwê waz diu fêle fchanden gwinnet, diu für got die werlte minnet! 260 hüet dich mîn tohter von Sŷôn, daz du iemêr von Babylon ein tohter werdes genant, des namen wurdes du gefchant. du folt ze Sŷôn immer fîn 265 und warte aldâ dem friunde dîn, wenne er kume und dich triute und dich im neme z' einer briute. Sŷôn sprichet ouch ein spiegel. diu fêle ist aber ein rower ziegel, 270 diu fich mit irdifcher geluft bewillet in des herzen bruft. fwer werltlicher fuore pfliget und in tœtlichen funden liget, Idem ift diu fêle miffevar. 572 darumb enmac fi niht gewar himelifcher dinge werden, wand ir daz herze in der erden mit den funden lît befolget, die wîle sie dem fleische volget. 280 fo fi aber lûter unde reine ift von tœtlichem meine, fo ift fie ein fpiegel der minne dâ fich Jêfus erfihet inne. in welhen wîs daz mac gefchehen, 285 daz wizzen die fæligen wol, den der inren ougen sehen 252. lieben, prädicativer Accusativ. 257. Babilonie daz betiutet confusio, daz ist ein schande, Grieshaber Pred. 1, 92. Babylon heizet die shant unde bediutet dise werlt, wan swaz man nâch üppicheit unde nâch shanten tuot, daz pringet die êwigen shante, Leyser Pred. 2, 30. 268. Syon betiutet alsô vil, swerz in tiutsche betiuten wil, ein spiegel und ein schowen, Mone, Schausp. des Mittelalt. 1, 217. 269. die weltliche Sele ist ungeeignet, dass sich Gott in ihr spiegle. IV. PROS A. I. Geistliche Prosa. Eine Predigt, aus einer Strassburger Handschrift herausg. von Wilhelm Wackernagel in Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthum 7, 140–148. In ascensione domini. ,Numquid ad praeceptum tuum elevabitur aquila et in arduis ponet nidum suum.' Bene autem Christus aquilae comparatur propter sanctissimam communionem, propter gloriosissimam resurrectionem, propter sublimissimam ascensionem, propter limpidissimam cognitionem. Difiu wort diu ich in der latîn hân fürgeleit, diu vinden wir in der alten ê gefchriben und spricht fiu unfer herre zuo dem guoten Jôb und frågete in und fprach zuo ime 'Numquid ad præceptum tuum' etc. Er fprach: 'fage an Jôb, bift du alfo gewaltic 5 daz dû dem adelar gebiuteft, daz er fich ûfhebe und daz er sîn neft fetze in die hohe?' und diu felben wort füegent wol eigenlîche der ûffart unfers herren die wir hiute begân. Wer ift nu der adelar? fich, fæliger menfche, daz ift der almehtige got, der hât fich hiute erhaben mit fîner ûffart und 10 hât ouch fîn neft in die hohe gefetzet, daz ift daz er hiute zuo himel ist gevaren und dâ fitzet zuo der rehten hant fînes vater ebenhêre und ebengewaltic. Nu füln wir merken daz unfer herre dem adelar ift gelîch umbe vier dinc: zuom êrften umbe die heilige gemeinfame, zuom 15 andern mâle umbe die êrlîche urftende, zuom dritten mâle umbe die hôhe ûffart, zuom vierten mâle umbe die liehten erkantnifse. Nu ift unfer berre zuo dem ersten mâle dem adelar gelîch umbe die heilige gemeinfame. alfo wie? dâ lefen wir alfo von dem adelar, daz er alfô êrbære ist und alfô milte, daz er fîne 20 fpîfe lât gemeine andern vogeln und den wol gan daz fie mit ime ezzent. fich! alfo hât der almehtige und der milte got ouch 1. Job 39, 27. 14. wegen vier Sachen, aus vier Gründen. wie? fortführende Frageformel. 20. lât gemeine, ergänze fîn. 18. alsô |