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allmächtig gewesen, so wird dies die Klassicität durch ihn werden, und das Uebergewicht eines auswärtigen, des antiken, über das nationale und populäre Element, der Form über den Inhalt, die fatale Trennung der höftschen und Kunstdichtung von dem Volksgeist, sich auf lange Zeit hinaus entscheiden.

Zwar Vieles, aber wenig Bedeutendes hat diese Schule aufzuweisen. Racine's Tragödie zeigt zwar unbestreitbare Vorzüge in Form und Styl, ist aber im Ganzen weit entfernt, das so viel beschrieene Muster dieser Gattung zu bilden. Der andere große Name der Schule, Boileau, hat, abgesehen von dem Lutrin, nur Verdienst als tüchtiger, unbestechlicher und geschmackvoller Kritiker, ist dagegen als Lyriker ganz unbedeutend und im Drama gar nicht thätig. Und wie schnell geht es abwärts mit den Späteren, unter welchen sich, in der rein schülerhaften Nachahmung anerkannter Muster, manch schönes Talent verloren haben mag, in den Dramatikern Campistron und Crébillon, in den Odenschmiedern J. B. Rousseau und Louis Racine, bis auf die modernen, von den Romantikern vernichteten Klassiker der Verfallzeit“ herunter!

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Nicht mit diesen, sondern eigentlich schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts endet die klassische Schule. Voltaire gehört ihr nur sehr bes

dingter Weise an, und seine Versuche einer theore tischen und praktischen Wiedergeburt jenes zerfallenden Styls sind nicht minder gescheitert als die gleichfalls dorthin gehörigen Bemühungen der Chénier und Lemercier zu Ende des achtzehnten, der Ponsard und Rachel in den Vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Anderer fremder Einfluß, erst der englische und dann der deutsche, trat schon von damals her an ihre Stelle.

Nach der Befruchtung der englischen Dichtung durch die französische, welche seit 1680 eintrat, findet etwa fünfzig Jahre später das umgekehrte Verhältniß Statt. England beginnt nun plöglich und gewaltig auf das Land zu reagiren, unter dessen ästhetische Geseze es sich noch kurz vorher sklavisch gebeugt hatte, eine förmliche Anglomanie lebt in Frankreich auf, und die meisten der bedeutenderen Schriftsteller, welche seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich auftraten, lassen sich unter die Fahnen einer großen, alle Literaturzweige umfassenden, englischen Schule einreihen. Freilich macht sich dieser Einfluß nicht in der Weise geltend, daß das epische und dramatische Blüthenalter Albions unter Elisabeth, ein Spenser, ein Shakspeare, ein Ben Jonson, als Muster aufgestellt würden. Diese bleiben vielmehr zunächst noch ganz aus dem

Spiel, dagegen ist es die nüchterne Kunstschule Pope's find es die Anbauer der schönen Prosa, wie Addison und Steele, die realistischen, moralischen, satirischen und humoristischen Romanschreiber Richardson, Fielding, Smollet, Goldsmith, Sterne und Defoe, ist es endlich das moralische Rühr- und Familien drama, welche die Richtung der Ma rivaux, Prevôst, Lesage, St. Pierre, Diderot, J. J. Rousseau bestimmen, und endlich und hauptsächlich auf den vielseitigen Tonangeber zweier Menschenalter, auf Voltaire, selbst wirken.

Durch die Revolution und die nachfolgenden Kriege mit England plöglich unterbrochen, wird dieser Einfluß, und zwar mit dem deutschen verbunden und zu einer Bewunderung Shakspeare's, der sogenannten Senschule, Walter Scotts und Byrons modificirt, in den Anregungen erneuert, welche die Vorläufer der französischen Romantiker, die Stael und Chateaubriand geben. Zugleich aber blüht das Verständniß und der Einfluß deutschen Geistes auf, eingeleitet durch das Buch der Stael sur l' Allemagne, an Schiller, Göthe, T. A. Hoffmann und später auch an die Jungdeutschen, namentlich an Heine knüpft sich, allerdings mit mehr Eifer als Verständniß, der literarische Umschwung durch die Romantiker, durch V. Hugo, A. de Vigny,

Nodier, A. de Musset und Lamartine und ist diese Schule auch, nach dem kurzen Glanz ihrer unbeschränkten Herrschaft, zu Grunde gegangen weil ihre Kräfte ihr aufgestelltes Programm nicht zu erfüllen vermochten, und ihre Leistungen dem Volksgeiste allzu heterogen waren, so hat die Wirksamkeit deutscher Elemente in Frankreich darum doch nicht aufgehört, sondern sich seither in unverkennbarer Weise und vielfach, besonders in den Leistungen eines Karr Gérard de Nerval und zum Theil auch der George Sand, kundgegeben.

Nachdem wir so die Hauptgesichtspunkte festgestellt haben, welche die nachfolgende Charakteristik der wichtigsten poetischen Erscheinungen in Frankreich seit der Reformationsperiode leiten werden, laden wir unsere Leser ein, zu der Betrachtung des Einzelnen vorangehen.

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