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Muse, den König aller Lustspieldichtung der Welt, den gedankentiefen Possenreißer Molière, und den heiteren, harmlosen Naturmenschen, den französischen Bonhomme par excellence, Jean Lafontaine. Allein auch ihre beiden größten Zeitgenossen, die Klassiker Boileau und Racine, tragen jener Muse, vielleicht wider Wissen und Willen, ihren schuldigen Tribut in werthvollen Gaben ab, Racine in dem satirischen Lustspiel les Plaideurs, Boileau in dem komischen Epos le Lutrin.

Die kosmopolitische Bedeutung, welche durch das Zeitalter Ludwig XIV. die französische Sprache wie Literatur, beim Uebergang des siebzehnten in das achtzehnte Jahrhundert, in ganz Europa gewann, war der Weiterentfaltung des nationalen Geistes in der Dichtung um so weniger günstig, als sich das achtzehnte Jahrhundert überhaupt durch eine Abwendung der hervorragenden Genien von der Poesie zu Gunsten der schönen Prosa und der exakten und politischen Wissenschaften, kennzeichnet. Dennoch aber finden sich die, zumeist auf den lezteren Bahnen dahinschreitenden Voltaire, Lesage, Marivaux, Prevôst und Andere auch auf dem nationalen und poetischen Gebiet wieder, ganz aber gehören auf dasselbe der Satiriker Gresset, der vielseitige Beaumarchais und endlich das ge

waltig aufblühende, politisch satirische Volkslied, die Chanson, welche damals unwiderstehlicher Ausdruck der öffentlichen Meinung in Paris, zu einer neuen Macht im Staate wurde.

In der neueren und neuesten Zeit hat sich der gallische Styl, zum Theil durch die anerkennenden Rückblicke der romantischen Schule auf die früheren Jahrhunderte begünstigt, zu frischer und schöner Blüthe erhoben, und es will uns scheinen, die ganze poetische Zukunft Frankreichs liege in einer Weiterentfaltung ihrer volksthümlichen Elemente. Der hochgeweihte Prophet dieser Richtung ist der greise Béranger, ein in seiner Art so ideales Dichterbild, wie es nur ein Dante, ein Camoëns, ein Cervantes, ein Milton vorstellen. An ihn schließt sich eine Reihe tüchtiger Volksliederdichter, wie Pierre Dupont, und der Satiriker Barbier an, das mächtige Talent Alfred de Musset's schweift, aus der der Mitte romantischen Schule, mit häufigen Schritten in jenes Gebiet hinüber, und endlich werden wir an dem gegenwärtig wichtigsten Dichtungszweig Frankreichs, dem Roman, bemerken, daß gerade seine tüchtigsten Vertreter, wie die beiden Musset, Sandeau, Charles de Bernard, Madame de Girardin, Balzac, Soulié, Nerval, Karr, den, dem nationalen Interesse feindlichen romantischen

und klassischen Elementen ganz oder theilweise fremd bleiben wollen.

Um zu dem Gegensaß dieser, sich immer gleichartigen nationalen Richtung, zu den exotischen Einflüssen überzugehen, welche zu verschiedenen Zeiten in der französischen Dichtung vorgewaltet haben, so kann man hier mit Recht von bestimmten, sich selbst bewußten poetischen Tendenzen und Systemen reden, welche eigentliche Schulen hervorriefen. Solcher Schulen find, seit der Renaissance bis auf unsere Tage, fünf aufzuzählen: die antikisirende und italienische, die spanische, die eigentlich klassische, die englische und endlich die deutsche.

Italien war dasjenige Land, welches die Elemente der Renaissance, die Reste der antiken Literatur und Kunst, zum größten Theil bei sich selbst barg und nach deren Auffinden sie am schnellsten in sein eigenes geistiges Leben aufnahm. So wurde es für die anderen Völker, welche die neue Sprache erst stammeln lernten, während es selbst sie schon geläuftg sprach, deren natürlicher Vermittler und Dollmetsch, und in der ersten Zeit der Renaissance war es kaum der antike Styl so sehr als die, auf den antiken Styl gebildete italienische Dichtung, welche Einfluß übte und Nachahmung fand. In Frankreich trat dies namentlich bei der ersten der genannten Schulen

Büchner, Literaturbilder.

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ein, dem sogenannten Siebengestirn und seinen Anhängern, unter Ronsard, Jodelle und Dubellay, und dieser nur zur Hälfte antike, zur andern Hälfte aber italienische Einfluß begründet einen hauptsächlichen, wenn auch nicht den alleinigen Unterschied der ersten von der späteren, klassischen Richtung, der unter Ludwig XIV. Nicht veranlaßt wohl aber sehr begünstigt wurde der geistige Verkehr mit Italien und der wiedererweckten Antike durch die Einführung italienischer Prinzessinnen aus einem Hause, welches recht eigentlich die Wiege der Renaissance genannt werden muß, aus dem Hause der Medicäer, auf den französischen Thron.

Bald darauf macht sich ein weiterer fremder allein von der Antike ziemlich unäbhängiger Einfluß geltend, der Spaniens. Er bezieht sich jedoch nicht auf alle Dichtungsgattungen, sondern, neben der Pastoralpoesie, wesentlich nur auf's Drama. Vermittelt wird derselbe durch die damalige politische Präponderanz Spanieus im Allgemeinen und insbesondere für Frankreich durch seine Kriege und vielfachen sonstigen Beziehungen zu jenem Lande unter Richelieu, sowie durch die Erhebung einer spanischen Prinzessin, Anna's von Oestreich, auf den Thron der Bourbonen. Die spanische Schule bildet eine Reihe mittelmäßiger Bühnendichter, welche Stücke

aus der Blüthenzeit des spanischen Drama bald nur schlecht überseßten, bald mit eigenen, oder Zuthaten antiken und italienischen Ursprungs, verunzierten, aber auch mitunter ansprechende, kraftvolle und romantische Züge aufzuweisen haben: die Théophile Viaud, Mairet, Rotrou, Scarron u. s. w. Als Uebergang und Wendepunkt von dort aber in eine neue Aera erscheint Corneille mit dem Cid, welcher, obwohl auf einen spanischen Stoff und ein spanisches Stück begründet, dennoch das erste Musterdrama klassisch französischen Styls ist. Troß dieser Wendung starb übrigens der direkte Einfluß der Madrider Bühne auf die französische nicht sogleich aus, sondern fand noch während des „, großen Zeitalters" zahlreiche Nachahmer.

Die nicht dramatischen Gattungen hatten schon lange, vorher ihren klassischen Reformator gefunden in dem gelehrten Pedanten und galligen Kritifer Malherbe, Boileau's Vorgänger, dem französischen Gottsched. Zwar nicht als Dichter, wohl aber als Geschmacks- und Sprachreiniger sehr verdienstvoll, ist dieser Mann, obwohl noch Zeitgenosse Ronsards und Heinrichs IV., doch der Anfangspunkt der klassisch französischen Schule, welche unter Ludwig XIV. ihre Blüthezeit erreichte. Waren seither die fremden Einflüsse nur mächtig, allein nicht

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