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sprache gebildet haben. Die zunehmende Propaganda der, Aehnliches bezielenden, philanthropischen und handelspolitischen Friedensdoktrinen ist bekannt. Ob die Darstellung des Schönen im Leben, die Kunst, und insbesondere die Poesie, von diesen Aussichten und Bestrebungen ebensoviel Gewinn zu erwarten hat wie die rein praktische Seite unseres Daseins, das steht dahin, und erst der Erfolg wird diese Frage endgültig entscheiden können. Mögen sich dann aus jener Umgestaltung neue poetische Gesichtspunkte ergeben, mag sich der Lyriker durch den Anblick eines Luftschiffs begeistern, der Didaktiker die Einrichtung des elektrischen Telegraphen besingen wollen, mag das Drama unerhörte Kontraste zwischen der werdenden und der vergehenden Welt entdecken, und der Roman aus der Verwischung der Individualität der Nationen die unendlichsten Verwicklungen ableiten. Bis jetzt lehren uns Theorie wie Praxis nur, daß der Kosmopolitismus dem poetischen Interesse immer feindlich gewesen ist, da, so reiche Erfolge oft auch die gegenseitige geistige Befruchtung der Völker erzielt, die höchsten Grade ihres künstlerischen Verdienstes doch immer nur in denjenigen Stoffen und Formen gelegen haben, welche ihre besonderen, inneren Eigenthümlichkeiten ausdrückten, ihrer nationalen Geschmacksrichtung zusagten, ihrem

angeborenen Talent entsprachen, sich ihren historischen Antecedentien anpaßten.

Zwar dürfte Niemand mehr die Allgemeingültigkeit gewisser ästhetischer Begriffe und Grundsäße, wie für alle Künste, so für alle Zeiten und Nationen, leugnen wollen. Allein das verhindert nicht, daß manche Gattungen und Formen der Kunst dem Einen Volk mehr als dem Anderen passen, daß das Eine mehr auf diesem, das Andere mehr auf jenem Felde leistet. Wer wird den Griechen den Vorrang in der Plastik, den Römern in der monumentalen Kunst, den Italienern in Musik und Malerei, den Engländern in der Tragödie und im Roman, den Deutschen in der Lyrik und in der kirchlichen Architektur, den Franzosen im Lustspiel und in der Mimik bestreiten wollen? Wenn wir es uns also in den nachstehenden Aufsägen zur Aufgabe machen, die Wirksamkeit der legteren Nation auf dem Gebiete der Dichtung zu betrachten, so müssen wir vor allen Dingen erwägen, welche poetischen Stoffe und Formen ihrer Fähigkeit am angemessensten sind, welche Gattungen sie mit besonderer Vorliebe und dem größten Erfolg gepflegt haben, wo ihre Thätigkeit im Dienste der Musen ihre starken, und wo sie ihre schwachen Seiten hat. Eine unbefangene Würdigung der hervorragenden

dichterischen Genien unseres großen Nachbarlandes in ihrer historischen Reihenfolge wird uns dann zeigen, wie dieselben immer am Meisten in den Fällen leisteten, wo sie als rechte Franzosen, als eigentliche Kinder ihres Volkes, unbeirrt durch fremde Einflüsse, arbeiteten, und uns, als Schlußresultat, die Bestätigung unseres obigen Sages von der Solidarität des poetischen und des nationalen Interesses liefern.

Vor allen Dingen ist bei dieser Betrachtung nicht zu vergessen, daß wir es mit einem südlichen und mit einem romanischen Volk zu thun haben. Das Maß, mit welchem wir unsere eigne oder etwa die Dichtung der stamm- und geistesverwandten Eng länder messen, darf hier nicht strikt angelegt werden, sonst läuft man Gefahr, Vieles lächerlich, unpassend oder selbst unbegreiflich zu finden, was dem Franzosen nur ganz natürlich erscheint. Denn der Abstand unserer nordischen, germanischen Natur von jenem südlichen, romanischen Wesen, welchem, von Ronsard und Calprenède bis auf Dumas und Granier aus Cassagnac, immer etwas mehr oder weniger Gaskonnade anhängt, ist kaum geringer als der zwischen Hamlet und Romeo. Ein sinnliches, katholisches Element, eine faft gänzliche Abwesenheit aller spekulativen Gedankentiefe

bildet dort das Wesentliche der Kunst, während der Germane diese, in ihrer Art sehr berechtigte Erscheinung gern mit der Bezeichnung unbedeutender Aeußerlichkeiten abthut, um nur auf einen recht geiftigen, wenn auch formlosen Inhalt zu reflektiren. So ist die Kultur des Styls um seiner selbst willen eine ganz besondere und wichtige Erscheinung in der französischen Dichtung, auf welche zu achten wir nicht versäumen dürfen.

Selten zwar in Frankreich selbst, allein um so häufiger im Ausland, hat man anerkannt, und bei uns ist es schon vor fünfzig Jahren von dem trefflichen alten Bouterwek entschieden betont worden, daß die Franzosen ihre poetische Hauptstärke nicht in der gepriesenen Tragödie der Corneille, Racine, und Voltaire, nicht in den klassischen Bestrebungen ihrer „großen Literaturepoche“ unter Ludwigs XIV. Regierung gezeigt haben. Vielmehr beruht dieselbe zumeist, statt in den ernsten und erhabenen, in den komischen und leichten Fächern, statt in der Tiefe und Gediegenheit des Inhalts in der gefälligen Form und in der Anmuth des Styls, statt in der pedantischen Nachahmung der Antike in dem freien. Ausdruck des heiteren Volksgeistes, statt in der neuromantischen Uebertreibung in Entfaltung der alten gallischen Bonhommie. Sie

dichterischen Genien unseres großen Nachbarlandes in ihrer historischen Reihenfolge wird uns dann zeigen, wie dieselben immer am Meisten in den Fällen leisteten, wo sie als rechte Franzosen, als eigentliche Kinder ihres Volkes, unbeirrt durch fremde Einflüsse, arbeiteten, und uns, als Schlußresultat, die Bestätigung unseres obigen Sazes von der So lidarität des poetischen und des nationalen Interesses liefern.

Vor allen Dingen ist bei dieser Betrachtung nicht zu vergessen, daß wir es mit einem südlichen und mit einem romanischen Volk zu thun haben. Das Maß, mit welchem wir unsere eigne oder etwa die Dichtung der stamm- und geistesverwandten Engländer messen, darf hier nicht strikt angelegt werden, sonst läuft man Gefahr, Vieles lächerlich, unpassend oder selbst unbegreiflich zu finden, was dem Franzosen nur ganz natürlich erscheint. Denn der Abstand unserer nordischen, germanischen Natur von jenem südlichen, romanischen Wesen, welchem, von Ronsard und Calprenède bis auf Dumas und Granier aus Cassagnac, immer etwas mehr oder weniger Gaskonnade anhängt, ist kaum geringer als der zwischen Hamlet und Romeo. Ein sinnliches, katholisches Element, eine fast gänzliche Abwesenheit aller spekulativen Gedankentiefe

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