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Zwei Zungen.

36. ZWEI ZUNGEN.

L. 12.

59

9

Walthers siegreiche Dialektik rückt der päbstlichen Partei ihre Doppelzüngigkeit vor und fragt, an welchen Ausspruch sich die Laien eigentlich halten sollten, den alten, der den Kaiser zum höchsten Richter der Christenheit eingesetzt habe, oder den neuen, der ihn mit dem Bannstral belege.

'Got gît zu künege swen er wil.

dar umbe wundert mich niht vil:

uns leien wundert umbe der pfaffen lêre.
Si lêrten uns bî kurzen tagen,

5 daz wellents uns nû widersagen.

nû tuonz dur Got und dur ir selber êre,
Und sagen uns bî ir triuwen,

an welher rede wir sîn betrogen;

volrecken uns die einen wol von grunde,

10 die alten ode die niuwen.

uns dunket einez sî gelogen:

zwô zungen stânt unebne in einem munde.

37. DER ZINSGROSCHEN.

L. 11.

Auch mit Gottes Wort ist der Pabst in Widerspruch, denn dieses hatte befohlen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers sei. Dô Gotes sun hien erde gie,

do versuohten in die juden ie;

sam tâtens eines tages mit dirre frâge.
Si frâgten obe ir frîez leben

5 dem künege iht zinses solte geben.

dô brach er in die huote und al ir lâge.
Er iesch ein münizîsen,

er sprach 'wes bilde ist hie ergraben?'
'des keisers', sprâchen dô die merkære.

10 dô riet er den unwîsen

daz si den keiser liezen haben

sîn küneges reht, und Got swaz Gotes wære.

38. GOTT ALS KLÄGER.

L. 12.

In diesem und dem nächsten Spruche betrachtet der Dichter den Kaiser nun schon als anerkannten Herrn und obersten Richter der Welt, vor dem er als Gottes Abgesandter auftritt, die Klage wider die Heiden anhängig zu machen. Daß drei Sprüche dieses Tons mit Hêr keiser beginnen ist wohl nur Zufall; viel wichtiger scheint die so eben angedeutete innere Gliederung.

Hêr keiser, ich bin frônebote

und bring iu boteschaft von Gote.

ir habt die erde, er hât daz himelrîche.
Er hiez iu klagen (ir sît sîn voget):

5 in sînes sunes lande broget

diu heidenschaft iu beiden lasterlîche.
Ir muget im gerne rihten:

sîn sun der ist geheizen Krist,

er hiez iu sagen wie er verschulden welle :

10 nû lât in zuo iu pflihten.

er rihtet iu dâ er voget ist,

klagt ir joch über den tievel ûz der helle.

39. AAR UND LÖWE.

L. 12.

Kleinlauter als der vorhergehende klingt dieser Spruch, denn eh er sich an die Heiden wagt, soll der Kaiser erst die ganze Christenheit versöhnen; aber das wird er nicht vermögen, wenn er nicht zuvor Deutschlands innern Frieden befestigt hat. Allerdings ist hier die Idee der römisch-deutschen Weltherschaft ausgesprochen; aber von ihrer Verwirklichung ist es noch weit, und der Dichter selbst muß erst noch für seinen Kaiser in den Kampf ziehen. Allein die Waffe, deren er sich bisher bedient hatte, den ersten Ottenton, vertauscht er dazu mit einer stärkern, weiter reichenden. Jener hatte sich zu kurz erwiesen, den Feinden des Reichs klaffende Wunden zu schlagen; erst mit dem zweiten Ottenton konnte er seinen ganzen Haß gegen Deutschlands Verwüster austönen. Der

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Dichter setzte sich indes bei den hier beabsichtigten heftigen Angriffen auf den Pabst dem Vorwurf der Gottlosigkeit aus. Diesen abzuwenden schickt er seinem neu erfundenen Ton gleichsam als Weihe die zunächst folgenden Strophen gottesdienstlichen Inhalts voraus, wie er es seitdem auch bei den folgenden zu Ehren deutscher Könige gesungenen Tönen hielt; selbst dem Nr. 94 beginnenden Bogners-Ton geht eine Weihe von vier Sprüchen voraus, die gleichsam Strophen eines Liedes bilden. Die Gleichheit oder Ungleichheit des Geschlechts der Stollenreime bildet keinen Unterschied im Ton. - Der hier zuletzt erscheinende Ton ist durchaus jambisch gedacht und von einigen ausfallenden Senkungen abgesehen auch durchgeführt.

Hêr keiser, swenne ir Tiuschen fride
gemachet state bî der wide,

sô bietent iu die fremeden zungen êre.
Die sult ir nemen ân arebeit,

5 und süenent al die kristenheit:

daz tiuret iuch, und müet die heiden sêre.

Ir tragt zwei keisers ellen,

des aren tugent, des lewen kraft:

die sint dez hérzéichen an dem schilte.

10 die zwêne hergesellen,

wan woltens an die heidenschaft!

waz widerstüende ir manheit und ir milte?

Z. 8. Der Adler ist das Reichswappen, der Löwe das braunschweigisch-sächsische; manheit geht auf den Löwen, milte auf den Adler, von dem es hieß, er verzehre seine Beute nie ganz.

ZWEITER OTTENTON.

40. AN DIE JUNGFRAU.
L. 36.

:

Die Stollen haben hier und in Nr. 53 beide weiblichen Reim (nicht klingenden), wie Nr. 64 beide männlichen auf die eine wie die andere Weise ließ sich dem strengen Gesetze der Gleichheit der Stollen genügen, dem sich der Dichter in Nr. 45-52 und 54-63 zu fügen verschmäht, wie er das auch

in den beiden Friedrichstönen nicht anders hält. Zwischen männlichen und weiblichen Reimen, die beide nur eine Hebung tragen, ist kein erheblicher Unterschied; nur klingende Reime, wie sich in Nr. 1 und 119 finden, sind von beiden wesentlich verschieden. Die Behandlung des Maßes ist in den Sprüchen mit gleichem Geschlecht in den Stollen den übrigen nicht abweichend.

Marîa klâr, vil hôhgeloptiu frouwe süeze,

von

hilf mir durch dînes kindes êre deich mîn sünde büeze. Dû flüetec fluot barmunge tugende und aller güete, der süeze Gotes geist û dînem edelen herzen blüete: 5 Er ist dîn kint, dîn vater, unde dîn schepfære. wol uns des daz dû in ie gebære!

den hohe tiefe lenge umbegrîfen mohte nie,
dîn kleiner lîp mit süezer kiusche in umbevie.
kein wunder mohte dem gelîchen ie:

10 der engel küneginne, dû trüeg in ân alle swære.

41. DER ENGEL GABRIEL.

L. 36.

Der Zusammenhang dieser Strophe mit der vorhergehenden kann nicht bestritten werden, sie könnte sogar der ersten voranstehen, da sie von der Verkündigung handelt, jene aber schon von Christi Geburt. Die Einheit aller vier Strophen würde so auch deutlicher,

An dem frîtage wurd wir vor der helle gefrîet von dem der sich drîvalteclîchen eine hât gedrîet. Der engel Gabrîêl Marjâ die botschaft kündet, dâ von himel und erde wart mit grôzer fröide enzündet. 5 Er sprach zuo ir âvê, daz minneclîche grüezen: dur ir ôre enpfienc si den vil süezen,

der ie ân anegenge was und muoz ân ende sîn.
des sî dir lop und êre geseit,

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Marîâ künigîn.

10 dû gæbe in uns ze trôst, der al der werlt mac swære

büezen.

Die Kreuzigung II.

63

Z. 3 ist kündet kein Praeteritum, sowenig als weint in Nr. 42 Z. 6 und erzeiget in Nr. 43 Z. 4; selbst Lachmann sah sie nicht dafür an; auch hat er diese schönen Strophen keineswegs für unecht erklärt. Die neuern Herausgeber, statt die Mängel der Ueberlieferung zu heilen, suchen sie erst recht hervorzukehren. Z. 6. Marieens Empfängniss durch das Ohr stellen auch Gemälde dar, z. B. in der Kirche zu Oppenheim, Vogt Rhein. Sagen II, S. 280; im Kloster Marieenthal im Rheingau, Bodmann S. 220. Z. 8 u. 9 bildeten vielleicht nur eine Zeile, die beim Vortrag mit Auslassung von geseit wiederholt ward.

42. DIE KREUZIGUNG. I.

L. 37.

Wenn wir schon bei dem vorigen Spruch an bildliche Darstellungen der evangelischen Geschichte erinnert wurden, so glauben wir hier gar vor altdeutschen Gemälden zu stehen. Sünder, dû solt an die grôzen nôt gedenken,

die Got durch uns leit, und solt dîn herze in riuwe

senken.

Sîn lîp wart mit scharpfen dornen gar versêret: dennoch wart manecvalt sîn marter an dem kriuze

gemêret:

5 Man sluoc im drîe negel dur hende und ouch dur füeze. jâmerlichen weint Marjâ diu süeze,

dô si ir kinde dez bluot ûz beiden sîten fliezen sach. trûreclîche Jêsus von dem kriuze sprach

'muoter, jâ ist iuwer ungemach

10 mîn ander tôt; Jôhannes, dû der lieben swære büeze.'

Z. 10 lautet in der Handschrift: Johan, du solt der lieben swære büezen. Die leichte Aenderung stellt gewiss nur das Ursprüngliche her.

43. DIE KREUZIGUNG. II.

L. 37.

er

Der Blinde ist Longinus, der Z. 7 selber thut, was Z. 1 seinem Knechte zu thun befiehlt. Der scheinbare Widerspruch erklärt sich aus dem alten Drama von Jesu Leiden

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