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diesem Streit hat er, als er schon der Welt entsagt zu haben schien, doch ausgeharrt bis ans Ende; und wenn seine Lieder damals dem Reich nicht den Sieg errangen, wie schweres Gewicht sie auch in die Wagschale warfen, so mögen sie ihm noch künftig zum Siege verhelfen, denn jene Kämpfe sind noch nicht für alle Zeit ausgefochten, sie können sich täglich wieder erneuern und werden es allem Anschein nach bald. So hat Walther, wie er durch hohe künstlerische Ausbildung und bewunderungswürdige Kraft der Gestaltung alle seine Kunstgenoßen übertraf, auch als der vielseitigste und reichste Dichter seiner Zeit eben diese Zeit weit hinter sich gelaßen, um ein Dichter für alle Zeit zu werden, den wir noch heute mit Bewunderung, ja mit Entzücken lesen und der auch noch die kommenden Geschlechter begeistern wird.

Sprüche.

Von keinem Dichter der ersten Blüte unserer Lyrik können wir so viel wißen als von Walther von der Vogelweide; selbst Ulrich von Liechtenstein, dessen Selbstbiographie wir doch, wenn auch nur in Versen, besitzen, ist uns nicht so lebendig. Zwar werden wir über Walthers Geburtsort wohl niemals ins Klare kommen, obgleich darüber neuerdings, und zwar von demselben Literaturhistoriker, zwei widersprechende aber mit gleicher Zuversicht vorgetragene Behauptungen aufgestellt worden sind. Doch darauf kommt wenig an, da wir wißen, daß er in Oesterreich erzogen und gebildet worden ist. Aber über sein äußeres und inneres Leben liegen uns ausführliche Zeugnisse in seinen Liedern und Sprüchen vor. Werden die Sprüche nach seinen

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Dienstverhältnissen zu Königen und Kaisern, nach seinem Aufenthalte bei den Herzogen von Oesterreich oder dem Landgrafen von Thüringen u. s. w., die Lieder nach den Stufen seiner innern Entwickelung, von der sie Zeugniss ablegen, geordnet, so geben sie genügenden Aufschluß über sein Thun und Laßen, Denken und Empfinden. Sie bedürfen auch keines Commentars, sie erklären sich selbst, sobald man sie in der richtigen Ordnung liest, und was hier zu ihrer Erläuterung beigebracht ist, zielt meist nur dahin, von der Richtigkeit der angenommenen Reihenfolge zu überzeugen. Diese aufzufinden war leicht bei den Sprüchen, welche der Dichter selbst nach Tönen geordnet, und jeden der Haupttöne einem deutschen Könige oder Kaiser gewidmet hat, woraus sich die chronologische Aufeinanderfolge fast von selber ergab. Die Namen dieser Töne rühren von dem Herausgeber her; aber der Dichter selbst hat ihnen die Bestimmung angewiesen und schon von dem zweiten Ottenton an einem jeden seine poetisch-religiöse Weihe vorausgeschickt. So besitzen wir zwei Philippstöne, zwei Ottentöne, zwei Friedrichstöne, wie ich das anderwärts (Uebersetzung 4. Aufl. 318 ff.) näher ausgeführt habe. Philippstöne sind darum zweie vorhanden, weil Philipp zweimal gekrönt wurde, da es das erstemal nicht von dem rechten Bischof, dem von Köln, noch am rechten Orte, Achen, geschehen war, worauf der König mit seiner ganzen Partei Gewicht legte, weshalb auch der Dichter die zweite Krönung durch Erfindung eines neuen Tons zum Preise seines früher schon in einem andern Ton besungenen Herren feierte. So sind auch zwei Friedrichstöne vorhanden, der eine zu Ehren des jungen Königs erfunden, als sich ihm der Dichter bald nach

seiner Wahl und Krönung 1215 zuwandte, der andere, als ihm 1220 in Italien die Kaiserkrone zu Theil ward. Mit den beiden Ottentönen verhielt es sich etwas anders: beide galten dem Kaiser Otto; aber der erste genügte dem Dichter als ein zu enges Gefäß bald nicht mehr, seinen Zorn gegen die Zerrütter und Verwüster des Reichs zu entladen. Diesen sechs Tönen gieng ein siebenter, der Wiener Hofton, voraus, der sich in engern örtlichen Grenzen hielt, und über Oesterreich hinaus erst ganz zuletzt einmal einen Blick ins Reich hinaus warf. Sobald aber der Dichter mit seinen Sprüchen den Reichsboden betrat, bediente er sich jenes ersten Tones nicht mehr, wie ihm denn stäts, mit Einer gleich zu besprechenden Ausnahme, jeder neue Ton den frühern verdrängte, was man bei der Zeitbestimmung der Sprüche unbeachtet gelaßen hat. So sang er im ersten Philippston nicht mehr, nachdem der zweite erfunden war, in diesem zweiten nicht mehr nach Erfindung des ersten Ottentons, nicht mehr im ersten Ottenton nach Erfindung des zweiten, nicht mehr im ersten Friedrichston, als er den zweiten erfunden hatte. Nur mit dem zweiten Ottenton, und das mag geirrt haben, hielt es der Dichter anders, denn nachdem er Ottos Partei, fast der letzte seiner Anhänger, endlich verließ, glaubte er sich auch aller Pflichten gegen diesen unmilden, undankbaren, wortbrüchigen Herren entbunden, und so fiel der Ton, in dem er früher dessen Kaiserrechte gegen die päbstliche Partei verfochten hatte, an den Dichter zurück und konnte jetzt unbedenklich zu neuen Zwecken verwendet werden. So ergeben sich uns für diese sieben Fürstentöne folgende Zeitbestimmungen: 1. Wiener Hofton, von 1194-1198,

2. Erster Philippston, von 1199-1204,

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Einleitung.

3. Zweiter Philippston, von 1205-1212,

4. Erster Ottenton, 1212,

5. Zweiter Ottenton, von 1212—1219,

6. Erster Friedrichston, von 1215-1220,

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7. Kaiser Friedrichston, von 1220-1227 im Gebrauch.

Beachtet man diese Töne und die ihnen angewiesenen Grenzen, so wird man in der zeitlichen und örtlichen Beziehung der Sprüche Walthers nicht leicht fehlgreifen. Hierin hat man aber seit Lachmanns Tode nur Rückschritte gethan und namentlich war es Abel, der das Beispiel gab, diese vom Dichter selbst gezogenen Schranken zu überhüpfen. Lachmann hatte diese Schranken anerkannt; zu 104 gedenkt er der falschen Deutung unseres fünften Spruchs auf Friedrichs Wahl und fährt dann fort: »aber es ist nicht erweislich, daß Walther so spät noch in jener Weise gesungen hat, daher man die Pfaffenwahl richtiger mit Wackernagel auf Ottos Wahl am 1. Mai 1198 deuten wird«. Allein der hier der richtigen Ansicht wegen belobte Wackernagel ist ihr später, von Rieger verleitet, wieder untreu geworden. Freilich hatte auch noch Lachmann den Wiener Hofton über seine oben bezeichneten Grenzen ausgedehnt und dadurch unsägliche, noch in der neuesten Ausgabe fortwuchernde Verwirrung gestiftet.

Liedersprüche.

Noch ein anderer Gebrauch Walthers pflegt unbeachtet zu bleiben zu großem Schaden der Auslegung. Wo er in einem Tone nicht mehr als drei Sprüche gedichtet hat, da bilden diese drei ein untheilbares Ganze auf dieselbe Zeit, denselben Ort, dieselben Ver

hältnisse bezüglich, auch wenn der Dichter sie nicht durch gleichlautenden Anfang oder Schluß, wie Nr. 1 und die beiden letzten Sprüche (114. 115), als zusammengehörig bezeichnet hat. Abel, der die jetzt herschende falsche Zeitbestimmung der Strophe Ich sach mit mînen ougen (16) durchgesetzt hat, wuste das wohl, ich hatte ihn darauf aufmerksam gemacht und so führt er es Ztschr. IX, 139 selber an zugleich mit noch einem andern Grund, der ihn hätte warnen sollen; aber er schlug alle Warnungen in den Wind und stürzte sich und die Welt Hals über Kopf in den handgreiflichsten Irrthum; ich vermochte ihn zu nichts weiter als daß er beider gegen ihn sprechenden Gründe Erwähnung that und sie zu beseitigen versuchte. War aber mein Hauptgrund, auf den es mir hier ankommt, damit widerlegt, wenn er sagte, es sei nicht auffallend und auch nicht ohne Beispiel, daß »Walther für sein Gedicht einen Ton wählte, in dem er einige Jahre früher Lieder verwandten Inhalts und gleicher politischer Gesinnung abgefaßt hätte«? Wenn er bloß den gleichen Ton gewählt hätte, und zwar einen Ton, in dem schon mehr als zwei Sprüche vorhanden waren, so gäbe es dafür freilich so zahlreiche Beispiele, daß eher das Gegentheil auffallend wäre; aber hier handelt es sich um den dritten und letzten Spruch eines Liedertons, einen Spruch mit ganz gleichlautendem Anfang (Ich saz, ich sach, ich hôrte) wie die beiden andern, was entscheidend ist, weil ihn die Vergleichung der übrigen dreisprüchigen Töne hätte belehren mögen, daß auch diese drei Sprüche so gut wie alle andern, die diese Zahl nicht überschreiten, als ein Ganzes zusammengehören, zumal sie der gleiche Anfang verbindet, was hier noch als ein äußeres Kennzeichen hinzutritt.

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