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führt haben. Dafür spricht schon der Name Leich, der Spiel und Tanz bedeutet. Bei Walther finden wir noch den religiösen Inhalt des Leichs wie in den Sequenzen; die spätern Minnesänger gaben ihn seiner ursprünglichen Bestimmung, dem Tanz, zurück.

Kunstgesetz.

Sowohl Lieder als Sprüche und Leiche sind dem Kunstgesetz der Symmetrie unterworfen, das in jeder Strophe drei Theile fordert, zwei gleiche und einen ungleichen: die gleichen heißen Stollen, der ungleiche Abgesang; dem Abgesang pflegt man auch den Aufgesa ng entgegenzusetzen, der dann beide Stollen begreift. In volksmäßiger gebildeten Tönen hat der Aufgesang nur Einen Stollen, wie in Nr. 1. 115. 119. Ursprünglich wurde dann wohl der Aufgesang wiederholt, bevor der Abgesang gesungen ward. Das Wort Stolle ist nach einer dem Mittelalter eigenthümlichen Vergleichung rhythmischer Gebäude mit wirklichen von der Architectur hergenommen, zunächst von zwei Pfeilern, die ein übergelegter Balke verbindet. Die lyrische Strophe ruht gleichsam auf zwei Füßen. In der That gilt jenes Gesetz in den räumlichen Künsten nicht minder als es der Dichtkunst und Musik von jeher gemein war. Nur steht in jenen, wo das Auge das Ganze auf einmal übersehen kann, der ungleiche Theil in der Mitte, weil er eben das Unterscheidende und Verbindende ist; das Ohr verlangt aber die Wiederholung derselben Melodie, bevor ihm eine zweite geboten wird, weil ihm jene erst vertraut werden muß, damit es sie von jener unterscheiden könne. Daher wird in der Musik der erste Theil wiederholt,

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bevor das Trio einfällt; daher geht bei den Griechen Strophe und Antistrophe der Epode voraus, daher in der nordischen Poesie die beiden Nebenstäbe in der ersten Halbzeile dem Hauptstabe'in der andern; daher stehen bei den Minnesängern gewöhnlich die beiden Stollen vor dem Abgesang. Auch in dem sapphischen und alcäischen Maß können die beiden ersten Zeilen als zwei gleiche Stollen, das Uebrige als Abgesang betrachtet werden. Die Octaverime hat nur scheinbar drei Stollen, was nicht zu billigen wäre; der Abgesang beginnt eigentlich mit der fünften Zeile. So ist auch wohl die englische Form des Sonetts aufzufaßen: der Abgesang hebt schon mit dem dritten Quartett an, während in dem italienischen die beiden Quartette leicht als Stollen, die Terzette als Abgesang zu erkennen sind. Wenn

auch sie wieder in zwei gleiche Stollen zu zerfallen scheinen, so geschieht dasselbe auch bei Walther z. B. im ersten Philippston. Die Canzone der Italiener wird bei aller Mannigfaltigkeit ihrer Töne dem Kunstgesetz der Dreitheiligkeit nie ungetreu, wenn sie gleich in den Stollen eine kleine Ungleichheit liebt, wie sie auch Walther zuläßt. In den Nibelungen bildeten die beiden ersten Zeilen die Stollen, was früher deutlicher war, als sie noch klingend ausgiengen und acht Hebungen trugen, während die dritte Zeile, mit welcher der Abgesang begann, um eine Hebung gekürzt war, in der vierten dann erst das Gesetz der acht Hebungen zur vollsten Geltung gelangte.

Die stärkste Abweichung von der Regel der Dreitheiligkeit ist es natürlich, wenn sich weder Stollen noch Abgesang nachweisen laßen. Solche Fälle sind aber äußerst selten und man muß sich hüten, sie mit drei geringern Abweichungen zu verwechseln: wenn

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der Abgesang in der Mitte steht, wenn das Geschlecht der Stollen verschieden, und endlich wenn in zweitheiligen Gesetzen nur Auf- und Abgesang zu unterscheiden ist. Die beiden ersten Fälle kommen auch verbunden vor, ja jener erscheint bei Walther ohne diesen nur 196, man müste denn den mehrdeutigen Ton 159 mit mir so verstehen, daß der Abgesang in zwei Hälften zerfiele, von welchen eine dem ersten, die andere dem zweiten Stollen angehängt wäre, wo dann doch nur ein Theil des Abgesangs in der Mitte stünde. Wo sonst noch der Abgesang die Stollen trennt, wie in den beiden Friedrichstönen, da tritt zugleich auch die Abweichung ein, daß das Geschlecht der Reime in den Stollen verschieden ist. Das ungefährlichste Beispiel dieser Art findet sich 181, wo im ersten Quartett die weiblichen Reime nach außen gewendet sind, die männlichen in der Mitte stehen, was sich im zweiten umkehrt. Diese Quartette sind Stollen, die der Abgesang trennt, der aus zwei durch den Reim verbundenen Zeilen besteht und eine so treffliche Scheidewand bildet, daß diese Abweichung sich rechtfertigt: denn hier kann auch das Ohr die schon in sich geschloßenen Stollen, welche ein so einfaches Mittelglied zugleich verbindet und sondert, leicht unterscheiden. Deshalb wird man diesen zehnzeiligen Ton der spanischen Decime vorziehen, mit der er die überraschendste Aehnlichkeit hat. In der Decime ist die erste Zeile des in Mitte stehenden Abgesangs auf das erste, die zweite auf das andere Quartett bezogen, was zwar einen trefflichen Uebergang, aber keine so fühlbare Unterscheidung gewährt. Vielleicht hat nur ein solches Gefühl Walthern abgehalten, die Decime vor den Spaniern zu erfinden, denn auch

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156 und 196 war er offenbar bedacht, den Abgesang recht stark von den Stollen zu unterscheiden.

Für sich allein begegnet die zweite Abweichung nur in dem zweiten Ottenton, jedoch nicht in allen dazu gehörigen Sprüchen, denn in einigen derselben hat der Dichter die Ungleichheit der Stollen wieder aufgehoben, was in doppelter Weise geschehen konnte: indem beide Stollen mit weiblichen oder beide mit männlichen Reimen ausgestattet wurden. Für klingend gebe ich solche weibliche Reime nicht aus, deren zweite Silbe tonlos ist. In Nr. 1 und 119 tragen die weiblichen Reime zwei Hebungen und nur diese dürfen klingend heißen; wie ich auch nur zweisilbige männliche Reime stumpf nenne, deren zweite Silbe verstumm t.

Einheit des Gedankens.

Bei Walthern hangen die Strophen desselben Liedes nicht immer so strenge zusammen als in unsern lyrischen Gedichten. Die liegt theils daran, daß die dreigliedrigen Strophen schon ihrer Natur nach länger sein und mehr ein Ganzes für sich bilden müßen als unsere kurzathmigen Systeme; theils erklärt sich aus der Sitte, kein zweites Lied wieder in demselben einmal gebrauchten Tone zu dichten, die Neigung, spätere Zusatzstrophen gelegentlich anzuhängen oder einzuschieben, sofern nur die Einheit des Gedankens nicht gefährdet wurde. Diese nur zu sehr verkannte Einheit nachzuweisen bin ich sowohl in der Anordnung der Strophen als in den Bemerkungen zu den einzelnen Liedern ausgegangen. In ihr besteht ein wesentlicher Fortschritt der Waltherschen Lyrik im Vergleich mit

seinen Vorgängern, bei denen die Strophen desselben Tons sich seltener zu einem Ganzen fügten. Eigenthümlich ist Walthern auch jene Verbindung dreier Sprüche desselben Tons zu einem liedähnlichen Ganzen, was nur in Tönen geschieht, die sonst nicht wieder vorkommen. Wenn auch zuweilen außer dieser Verbindung einzelne Sprüche von öfter gebrauchten Tönen gleichsam zu einem Liede zusammentreten wie bei den ersten Strophen des Bogner- und des zweiten Ottentons, so finden sich dafür Gleichnisse schon bei Spervogel.

Ausfall der Senkungen und Wegfall der Auftacte.

Die Senkungen läßt Walther viel öfter aus als es Lachmann zugab oder die neuern Herausgeber wollen: der Nachweis wird bei jedem einzelnen Falle geführt; es sind aber besonders die Sprüche und ältern Lieder, die dabei zur Sprache kommen. In den Sprüchen ist der jambische Gang vorherschend; doch giebt es einige Töne, in welchen an bestimmten Stellen Ausnahmen einzutreten pflegen, wie namentlich bei dem Wiener Hofton. Gegen die Handschriften eine größere Regelmäßigkeit einzuführen ist bedenklich, da sie ja doch nicht durchgeführt werden kann. Die Lieder schreiben sich bald jambischen bald trochäischen Gang vor, bald beschränkt sich die vorgeschriebene Regel nur auf einzelne Zeilen, so daß der Auftact an bestimmten Stellen erscheint, an andern fehlt; zuweilen aber ist diese Regel nicht unverbrüchlich, der Dichter erlaubt sich wohl Ausnahmen und man darf ihm gegen die Handschriften diese Freiheit nicht verkümmern, auch nicht, wenn in einem durchweg trochäisch gemeßenen Lied sich einmal ein Auftact zeigt. Von dem vorgeschrie

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