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Ueber die Dreizahl hinausgehende Sprüche, die zu keinem der oben benannten Fürstentöne gehören, bilden kein Ganzes; ihrer Entstehungszeit nach werden sie sich aber wohl nahe stehen und die sechs Sprüche 67-72 glaube ich noch immer alle in Walthers zweiten Thüringer Aufenthalt setzen zu müßen; von einem dritten wißen wir nichts.

Lieder.

Nahezu eben so sicher als die Sprüche laßen sich die Lieder anordnen, wenn man darauf achtet, welcher Stufe der Minne sie angehören. Wenn man schon bisheran in Walthers Liedern zwei verschiedene Liebesverhältnisse, eines mit einem Dorfmädchen, ein anderes mit einer fürstlichen Frau unterschied, und deshalb auf 173 Gewicht legte, wo er der niedern Minne die hohe entgegensetzt, so zeigt sich jetzt, daß ihm der hohen Minne noch die gemäße folgte, späterhin aber der Dichter sich von allen drei Stufen weltlicher Minne lossagte und der göttlichen Minne zuwandte. Vollbracht sehen wir diese Wendung erst in Nr. 196, wo er sagt, er habe nun vierzig Jahre »von minnen und als iemen sol« gesungen; für sich hoffe er jetzt nichts mehr vom Minnesang: er trete ihn Andern ab, die sich seiner Lieder bedienen und ihm dafür ihre Gunst schenken möchten. Durch sie, wenn auch nur durch ihre Fürsprache und Verwendung, gedachte der Dichter wohl die Mittel zu erwerben, an dem Kreuzzug von 1228 als Pilger theilzunehmen, ein Wunsch, den er in Nr. 115 deutlich genug ausspricht. Man darf ihn aber nicht so verstehen als habe er die vollen vierzig Jahre

von Minne gesungen. Die hinzugefügten Worte »>und. als iemen sol bezeichnen noch andere Gegenstände seines Gesangs: ich beziehe sie auf Alles was sonst noch Gegenstand des Gesanges sein durfte: diesem hatten schon längst neben den Liedern seine Sprüche gegolten und in den letzten Jahren war die wohl der ausschließliche Inhalt seiner Poesie gewesen. Nach dem Obigen müßen wir das Lied, das jene Zeitbestimmung enthält, in das J. 1228 setzen: ziehen wir davon jene vierzig Jahre ab, so gelangen wir in das J. 1188 als die ungefähre Zeit, wo er zu dichten begann. Damals wird er etwa zwanzig Jahre alt gewesen sein, denn von den ersten Jugendversuchen, die nicht in die Oeffentlichkeit traten, dürfen wir wohl absehen. So gewinnen wir das Jahr 1168 als sein Geburtsjahr: mithin war er 1198, als sich seine Sprüche zuerst auf den abschüßigen Boden der Reichskämpfe wagten, ein Dreißiger, ein Ergebniss, das durchaus zu unsern Erwartungen stimmt, denn jene ersten Sprüche zeigen uns den gereiften, selbstbewusten, wenn auch über die. Zerriẞenheit des Reichs tiefbekümmerten Mann.

Wenn er aber 1188 zu singen begann, so werden wir die anmuthigen, duftigen, aber leichtfertigen Lieder seiner Jugendzeit, die zur niedern Minne zählen, wohl kaum über die ersten fünf Jahre ausdehnen: um 1193, dürfen wir also wohl annehmen, habe er sich schon der hohen Minne zugewendet, zumal ihm dazu am Hofe zu Wien, wo er singen und sagen lernte (59), Reinmars Beispiel und Lehre vermocht haben wird, der in Deutschland als der eigentliche Heger und Pfleger dieses doch wohl aus Frankreich geimpften Reises anzusehen ist. Die hohe Minne nimmt in Walthers Buch der Lieder bei Weitem den grösten Raum ein:

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wir theilen ihr volle zwanzig Jahre zu und gelangen damit zu dem Jahre 1213, wo wir den Dichter in Ottos Dienst beschäftigt finden, die Eingriffe des Pabstes von Kaiser und Reich abzuwehren. In dieser Zeit beginnen also die Lieder der gemäßen Minne, die aber, so weit sie den Dichter noch nicht mit der Welt zerfallen zeigen, so wenig zahlreich sind, daß wir ihnen wieder nicht mehr als fünf Jahre anzuweisen brauchen, womit wir in das Jahr 1218 gelangen. Auch dieß stimmt zu unsern Erwartungen, denn in Liedern, die wir in diese Zeit setzen, nannte der Dichter wie sein Kaiser die Frauen wîp und die Aebte Mönche, ja er sprach ihm das Wort nach: mir ist umbe dich rehte als dir ist umbe mich. Vgl. Lachmann zu 104. In den folgenden zehn Jahren begiebt sich dann die Wendung von der weltlichen zur göttlichen Minne. Anfangs preist er zwar noch dieselbe Geliebte, welcher die Lieder der gemäßen Minne gegolten haben, so daß dieß Verhältniss leicht noch andere fünf Jahre fortgewährt haben möchte; dann aber scheint der Dichter sich entschieden der göttlichen Minne zuzuwenden, wenn dieß auch erst in jenem Liede, das wir in das Jahr 1228 gesetzt haben, zu vollem Ausdruck gelangt.

Hienach fallen die Lieder der niedern Minne unter Kaiser Friedrich I. und die beiden ersten Jahre Kaiser Heinrichs VI.; die Lieder der hohen Minne sang der Dichter unter Kaiser Heinrich und König Philipp; die der gemäßen unter Kaiser Otto und König Friedrich; die Wendung von der weltlichen zur göttlichen Minne bereitet sich schon nach dem Jahre 1218 vor, vollendet sich aber erst zehn Jahre später, worauf der Dichter unsern Blicken entschwindet. Das zweite Kreuzlied scheint er im gelobten Lande gesungen zu haben; er

wird jedoch, wenn er wirklich in Würzburg begraben liegt, von diesem Kreuzzug zurückgekehrt bald darauf gestorben sein, da wir weitere Gedichte von ihm nicht besitzen.

Von Walthers Technik will ich hier nur das Nöthigste sagen, da sie bei jedem einzelnen Liede wieder zur Sprache kommt. Wir finden bei den Minnesingern einen Reichthum von Tönen, gegen welchen die Armut der neuern Lyrik sonderbar absticht. Nicht nur erfand jeder Meister seinen eigenen Ton nebst der dazu gehörigen Sangweise und musikalischen Begleitung, sondern gewöhnlich für jedes Lied einen neuen Ton, eine neue Weise. Lied nehme ich hier in dem heutigen Sinne, wo es ein lyrisches Gedicht bedeutet; die Minnesänger nannten aber auch jede einzelne Strophe ein Lied oder ein Gesetz, ja bei den ältern pflegte das Lied nur aus einer Strophe zu bestehen, und waren mehrere Strophen nach derselben Weise gedichtet, so bildeten sie nicht immer ein Ganzes; erst Walther verband alle Strophen seiner Lieder durch den Gedanken. Für jedes Lied ward ein eigener Ton erfunden, außer dem aber auch eine eigene Weise. Ton hieß was wir Maß, Weise was wir Melodie nennen. Doch wird gewöhnlich dem Wort die Weise entgegengesetzt, als Maß und Melodie umfaßend.

Bei den Sprüchen galt die Regel nicht, daß Ton und Weise nicht wiederkehren durften. In demselben Ton und nach derselben Weise können mehrere Sprüche gedichtet werden, von welchen jeder ein Ganzes bildet; nur wenn die Sprüche eines Tons die Dreizahl nicht überstiegen, wie in unserm ersten Spruch, da bilden sie ein untrennbares Ganze, das ich Liederspruch nenne, das aber auch Spruchlied heißen könnte. Doch auch öfter wiederkehrende Spruchtöne sind in

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Bezug auf die Zeit, in der sie entstanden, und die Herren, in deren Dienst sie gesungen wurden, gewissen schon oben besprochenen Beschränkungen unterworfen.

Leich.

Eine eigene Gattung der mittelhochdeutschen Lyrik bilden die Leiche, die zu Liedern und Sprüchen das Dritte bilden; doch hat Walther nur Einen Leich. Wenn die Lieder aus einer oder mehrern gleichgebauten Strophen bestehen, so verbinden die Leiche vielerlei Töne ungleicher Structur zu einem größern, meist sehr belebten Ganzen. Nicht alle so verbundenen Töne zerfallen in Stollen und Abgesang, häufig fehlt letzterer; jedoch kann der nächste Ton als Abgesang des vorhergehenden betrachtet werden. Der schnelle Wechsel der Töne, das rasche Ueberspringen aus einem Gesetz in das andere, ohne daß ein Ruhepunkt abgewartet würde, begünstigt einen fast dithyrambischen Schwung, giebt aber doch zuletzt dem Ganzen etwas Unstätes, Haltloses. Da diese Gedichte indes, wie erwiesen ist, für den Gesang bestimmt waren, so müste man, um entscheidend zu urtheilen, die Weisen vor sich haben. Ohne die Musik bilden sie so wenig ein Ganzes als unsere heutigen Cantaten und Oratorien, mit denen sie die gröste Aehnlichkeit haben und geschichtlich zusammenhängen, wie denn Lachmann im Rheinischen Museum die Verwandtschaft mit der alten Kirchenmusik überzeugend nachgewiesen hat. Nur dürfte Notker Balbulus, der als Erfinder jener kirchlichen Sequenzen und Prosen gilt, nur eine volksmäßige Gattung, welche Gesang und Tanz verband und mit Weisen und Touren wechselte, in den Kirchengesang überge

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