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den wenigen größten Poeten des Menschengeschlechtes zuerkannt werden muß. Aber dies vermochte er eben nur dadurch, daß er in seinen Stoff und jede einzelne Situation desselben einen tiefen Strom der Gefühle hineinzulenken verstand, auf dessen Wellen nun das Fahrzeug des prüfenden Verstandes mit sicherem Steuer dahinfährt, und die Sonne der Phantasie ihre Silbersäulen und ihren Lichtschimmer legt. Das ewige Weh des Menschen und der ewige Trost ringen mit einander, bis der letztere die Oberhand gewonnen. Aber auch in späteren Epochen fehlte es dem israelitischen Geiste, selbst wenn er eine einseitige Richtung eingeschlagen, niemals an Stoff auch für die übrigen Seelenkräfte. Als die aristotelische Philosophie, die phantastische Kabbala und die halachische Discussion sich um den Vorrang stritten, hatte die Vorsehung dem jüdischen Stamme in seinem furchtbarem Mißgeschick und wiederum in seinem heißathmigen Familtenleben Impulse der erhabensten und vollkräftigsten Gefühlsbewegungen, in seinen Messiashoffnungen zur Entzündung der Einbildungskraft reichlich gegeben, um die Religion des Judenthums nicht zu vereinseitigen und ihr eine gewisse innere Harmonie zu erhalten.

Es war naturgemäß, daß mit dem Eintritt der neuesten Entwickelungsperiode, die wir seit Mendelssohn datiren, gerade die Denkkraft vorzugsweise wieder hervortrat, um sowohl ihr auflösendes als auch wiederbauendes Werk zu beginnen und fortzuführen. Man erinnere sich, daß die Zeit Mendelssohns vorzugsweise eine metaphyfirende und zwar in populärer Weise war. Ihr höchstes Interesse nahm die Discussion über einen Begriff, eine Definition, die Lösung einer metaphysischen und psychologischen Frage in Anspruch; Empfin= dung und Phantasie waren ihr eben nur Gegenstände des Denkens, für Geschichte hatte sie gar keinen Sinn. Es war dies eine nothwendige Erscheinung, und nur durch sie konnte die Cultur und Bildung hemmende Schranke durchbrochen und dem Geiste eine gewisse Freiheit, Geschmack und Adel zurückgegeben werden. Aber in ihrer Einseitigkeit hatte sie für die Religion neben unentbehrlichen Folgen auch sehr nachtheilige. Sie unterwühlte den großen Unterbau der Religion, das geschichtliche Leben derselben, und zerschnitt das Band der Entwickelung, das überall, besonders aber in der Religion, Gegenwart und Vergangenheit und so auch die Zukunft an einander knüpft; sie entnüchterte durch ihr vorherrschendes Verstandesleben die Religion,

daß der Geist völlig noch aus ihren Formen verschwand, und ließ die Seelen durch ihr Philosophiren erkalten. Aber so schädlich dies auch war, so sehr sich auch unsre Zeit diesem Frosthauche wieder entwinden mußte und muß, so bildet doch das vernunftmäßige Denken ein zu starkes Element des Judenthums und ist es der Schöpfer eines so energischen Bewußtseins, daß wir seine Wiedereinkehr in das Judenthum nicht hoch genug anzuschlagen und es, wenn auch bereichert durch Gefühl und Phantasie, festzuhalten haben. Eine Religion, welche die Einzigkeit und die unbedingte Unkörperlichkeit Gottes zu ihrem Grunde und Höhenpunkte hat, welche die großen Prinzipien des socialen Rechtes verkündet, und darum in dem richtigen Abwiegen der Individualität, der Nationalität, der Staatlichkeit und der Menschheit einen Angelpunkt hat, kann in dieser Wesenheit nur durch vernunftgemäße Erkenntniß begriffen, erkannt und erhalten werden. Ja sie faßt dann die Liebe mit ihrem unerschöpflichen Gehalte in das erhabene Gefäß, und wirft den Sternenmantel der Geschichte um ihr ganzes göttliches Gebilde. Aber nur in dieser Vereinigung findet sie ihre Vollendung und Erfüllung. ·

Wie es nun gekommen, mögen wir hier nicht erörtern, daß in der jüngsten Zeit die Menschen im Allgemeineu, und so auch die Juden von dem Obwalten der Denkthätigkeit wieder allzusehr abgekommen. Aber in der That ist es so. Allerdings erhält sich die Wissenschaft ihre ganze Strenge, und fördert von Tag zu Tag die Erfolge ihrer Prüfung und Forschung zu Tage. Nicht so jedoch die große Welt, und namentlich die sg. gebildete Welt. Man sebe nur zu; gebet der Mehrzahl der Menschen eine ernstgehaltene Schrift, welche Nachdenken, Anstrengung des Verstandes, Aneignung von Wissen fordert und fördert, in die Hand, und gar schnell wird sie derselben entfallen. Was nicht zugleich Kuriositäten bringt, oder gleich Roman ist, das findet keine Verbreitung. Alles soll die Einbildung beschäftigen und das Gefühl anregen. Zum Denken ist man lässig, und was sich von diesem zur Verarbeitung darbieten will, muß in das Gewand der Dichtung sich kleiden und der Gefühlsbewegung wechselnden Anstoß geben. Es mag sein, daß augenblicklich hiermit auch der Religion eine neue Nahrung gereicht, ein gewisses Bedürfniß nach ihr wieder angeregt, und momentan die Seele ihr wieder geöffnet wird sicher ist es, daß dem wesentlichen Inhalte des Judenthums dadurch großer Abbruch geschieht. Das Feuer,

welches durch Gefühl und Einbildung entzündet wird, ist nur ein flackerndes Strohfeuer. Nur die tiefe Ueberzeugung und die aus dieser erfließende Gesinnungstüchtigkeit schafft eine wahre und dauernde Begeisterung für das Judenthum. An der Schwelle desselben steht der große Gottesmann Moses, und weiset alles Verborgene und Geheimnißvolle von demselben zurück; nicht was im Himmel, nicht was jenseits des Meeres, sondern was dir ganz nahe, in deinem Munde und deinem Herzen ist, das ist sein Judenthum (5. Mos. 29, 28. 30, 11-14). Die bloße Gefühlsseligkeit und das ungebundene Spiel der Phantasie führen innerhalb des Judenthums zu Auswüchsen, wie der Chassidismus ist, oder ganz außerhalb des Judenthums, wo die Zurückweisung und Verkeßerung der Denkthätigkeit Grundlage mystischer Dogmen ist. Wer, mag er auf anderen Gebieten noch so klar denken, in der Religion nur eine Befriedigung von Gefühlen und eine Anregung der Phantasie sucht, wird allen möglichen Verirrungen ausgesetzt sein und sich, ehe er es sich versieht, von fanatischen Schwärmern oder geschickten Betrügern in's Net gelockt sehen, das Judenthum aber will innerhab seines großen Lehrkreises ein vernunftgemäßes Denken; was vor diesem nicht besteht, weist es als ihm nicht ursprünglich angehörig zurück, und nur hierdurch sichert es sich seinen Bestand durch den weiten Gang der Zeiten.

Demungeachtet ist es hiermit nicht genug. Das bloße logische Raisonniren reicht in der Religion nicht aus, sondern es muß dies sich auch auf religiöses Wissen stüßen und von diesem seinen Inhalt erhalten. Wenn unsre romandurstige Zeit sich des religiösen Denkens so sehr entschlagen hat, so liegt gewiß eine Hauptursache dessen in dem Mangel an allem positiven Wissen auf dem Gebiete des Judenthums. Die jüdische Jugend ist seit langer Zeit ohne Kenntniß der h. Schrift, des jüdischen Lebens, der jüdischen Geschichte aufgewachsen. Noch heute fehlt es an vielen Orten an genügendem Unterricht hierin, und selbst wo dieser vorhanden, entzieht ihm ein großer Theil der Eltern ihre Kinder. Was die Kenntniß der Bibel betrifft, so steht sicherlich mancher Schüler einer Dorfschule zahlreichen Kindern sog. gebildeter Juden voran, und viele dieser wissen von den Erzvätern, von Moses, von den Propheten, von den Sängern und Königen Israels weit weniger, als in einer gewöhnlichen Volksschule gelehrt wird. Verhindert doch selbst die sonst so gerechtfertigte

Bemühung, der Jugend einige Kenntniß des Hebräischen beizubringen, den mehr sachlichen Unterricht, ohne daß dafür die erlangte Vertrautheit mit der hebräischen Sprache, eben weil sie so mangelhaft bleibt, einen Ersatz böte. Mit den einfachsten Grundsazungen des Judenthums bleibt eine große Masse ganz unbekannt, und am wenigsten ist ihnen eine Erklärung der Bräuche geläufig. Bei solchem Mangel an positivem Wissen ist es nicht zu verwundern, daß die Denkthätigkeit nur geringen Stoff und noch geringere Anregung und Veranlassung hat; ist es noch weniger zu verwundern, daß diese krasse Ignoranz im Religiösen allen möglichen Verirrungen und Verkehrtheiten Vorschub leistet. Wie sollte der Blinde über die Farbe, ob sie echt oder falsch sei, urtheilen können!

Was ergiebt sich hieraus? Nichts Anderes als: forget, daß eure Kinder einen tüchtigen religiösen Unterricht genießen, und in und mit ihrer Religion vertraut werden; gehet selbst ihnen hierin mit gutem Beispiele voran. Sorget dafür, daß ihr tüchtige Lehrer habet, welche mit einem bedeutenden Wissen noch ein bedeutenderes Lehrgeschick und einen warmen Eifer verbinden und selbst durchbildet sind. Ihr Lehrer aber, habet vor Augen, daß besonders im religiösen Unterrichte das zwiefache Ziel erstrebt werden muß, der Jugend ein reiches Wissen zu geben, aber auch die Dent kraft zu entwickeln und zu schärfen und an Thätigkeit zu gewöhnen. Auf diese Weise werdet ihr überzeugungstreue, gesinnungstüchtige Menschen schaffen!

VIII.

Stoff und Geist in der Natur.

In allen Erscheinungen und Gebilden der Welt gewahren wir eine zwiefache Beziehung derselben, den Stoff, aus dem die Erscheinung oder das Gebilde besteht, und den Geist, der diesen Stoff gestaltet und beherrscht. Der Stoff, das ist das Sinnlich - Wahrnehmbare, das der Erscheinung zur Unterlage dient, um Erscheinung werden zu können; der Geist, das ist der Gedanke, der in Zweck, Form und Einrichtung der Erscheinung sich ausprägt. Gehen wir nun die ganze Reihe der Wesen durch, so erkennen wir theils Solche, in welchen dieser Geist eben nur als das allgemeine Gesetz vorhanden ist, wie es sich aus der Allgemeinheit heraus unter den gegebenen Bedingungen in dem individuellen Wesen individualisirt ; theils Solche, in welchen der Geist als ein für sich seiendes, beson= deres Dasein erkannt, oder doch angenommen wird. Zu den Letzteren gehören, so weit die Wesen unserer Kenntniß unterliegen, nur der Mensch und die höher organisirten Thiere, wogegen zu den Ersteren die niederen Thierarten, die Pflanzen, die anorganischen Dinge und die Weltkörper gezählt werden. Da ist es denn eben geschehen, daß die Menschen in ihrer Auffassungsweise sich trennten; die Einen, insonders die, welche sich vorzugsweise mit dem Stoffe abgaben, mit der Kenntniß seiner Beschaffenheit, Zusammensetzung, Form u. s. w., leugneten den Geist, und auch das Leben, das sich in seiner Mannigfaltigkeit an dem Stoffe manifestirt, sahen sie lediglich als Produkt und Eigenschaft des Stoffes selbst an; die Anderen, welchen in der Regel die Kenntniß der Natur abging, und die Alles von Innen heraus zu abstrahiren suchten, vergaßen des Stoffes, und wollten die ganze, unendliche Natur auf die Leisten

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