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Arme des ehernen Gözen legt, der Priester, der den Scheiterhaufen: für den Kezer entzündet, der Derwisch, der zu Ehren der Gottheit die scheußlichsten Tänze ausführt, bis er in convulsivische Zuckungen verfällt, was sagt ihnen ihr Verstand? was bewegt sie für eine Empfindung des Herzens? Sie sind den Phantasmen der Einbildungskraft unterworfen, die ihnen Gott als ein menschenverzehrendes Wesen vorstellt oder das an den Schmerzen und Sprüngen der Menschen Wohlgefallen hat. Die einfachen Lehren der Vernunft, die Gefühle der Menschen- und Elternliebe, der Weihe und Heiligkeit schwinden vor den Extravaganzen der Phantasie, deren Dornen= ruthe von Blut und Thränen trieft.

Dies sind allerdings in die Augen fallende Ausschreitungen der Phantasie in den Religionen, aber wir wissen allzu gut, daß auch diese nicht selten und von nicht kurzer Herrschaft über die Menschen waren und zu keinem kleinen Theile noch sind. Aber, wenn auch von minderer Graßheit und weniger verderblicher Wirfung, existiren dergleichen Gebilde der Phantasie in allen Religionen und treiben ihr Spiel mit den Menschen, ihr böses Spiel; denn am Ende sind sie es, welche der reinen Erkenntniß und Verehrung Gottes, dem Verständniß und der Uebung der wahren Pflicht, der Wahrheit, dem Recht und der Liebe die größten Hindernisse schaffen, und die darum um so gefährlicher sind, weil sie aus jedem ihrer Samenkörner zu aller Zeit wieder aufzuschießen, ihre Zweige und Ranken auszubreiten bereit sind.

Daß jede Religion der concreten Ausprägung bedarf, daß sie in gottesdienstlichen Formen und Ceremonien ihrem Bekenner sich vorstellen muß, um ihre Lehren ihm immer wieder nahe zu bringen, auf seine Gefühle und Entschlüsse zu wirken, ihn zu erheben, zu läutern und zu heiligen, wer wird dies verneinen, der die Natur des Menschen kennt? Hier ist es, wo die Phantasie als ein Factor der menschlichen Seele mit hineingezogen wird und werden muß. Aber gerade darum bedarf es der äußersten Vorsicht. Die Form und Ceremonie müssen wirklich der Ausdruck einer religiösen Lehre oder Satzung sein, sie müssen durchsichtig genug sein, um diesen ihren Inhalt zu Bewußtsein und zu Gefühl zu bringen; sie dürfen diesen weder unsichtbar machen noch erdrücken. Denn sobald man dieses der Phantasie erlaubt, so treibt sie aus der Wurzel mit der Zeit die wildesten Schößlinge, so bildet sie eine stei

nerne Schale, aus welcher der Kern nicht mehr zu lösen, oder in der er zusammenschrumpft und schwindet. Man hat es gewissen Culten als Vorzug angerechnet, daß sie die Phantasie ganz besonders beschäftigen und die Menschen dadurch an sich fesseln. Ein zweideutiger, wenn nicht schlimmer Ruhm. Denn sie können dies nur auf Kosten jeder Vernunfterkenntniß und jedes einfachen, reinen Gefühls. Diese Occupirung der Phantasie wird der Ausgangspunkt sein zum verderblichsten Fanatismus oder zu tiefer Verdumpfung.

Der Monotheismus ist überhaupt die Religion des Verstandes, noch dazu, wo jener so scharf, so unerbittlich streng im Begriffe aufgefaßt wird, daß jede Modification als ein Abfall, jede sinnliche Auffassung und bildliche Darstellung als ein Verbrechen betrachtet wird. Er wird aber Religion des Herzens, sobald in ihr das Verhältniß dieses Gottes zur Welt und zum Menschen aufgeht und die unendliche Liebe dieses Schöpfers aller Wesen und des Vaters aller Menschen zu Bewußtsein und Gefühl kommt, und hieraus wieder die Liebe und das Recht zu den Mitmenschen und zu allen Wesen als das Gefeß des Lebens für den Menschen erfließt. Alles dieses tritt uns in der heiligen Schrift bestimmt und charakteristisch entgegen. Der Begriff von Gott wird scharf definirt, jede Antastung dieses Begriffes vermieden und verpönt, seine Anbetung auf den Geist beschränkt und in jedem Bilde verworfen, seine Güte und Gnade gegen alle Wesen unaufhörlich gefeiert, die Liebe zu Gott und zu den Menschen als höchstes Gebot aufgestellt, das Recht als die Quelle des Lebens bezeichnet, die Menschlichkeit gegen alle Wesen als Mitgeschöpfe desselben Schöpfers in vielen Vorschriften ausgeprägt - so daß die Religion Israels sich als eine wahrhafte Religion des Verstandes und des Herzens unzweideutig manifestirt. Dahingegen ist der Monotheismus in seinem Wesen und seiner Integrität durchaus ungeeignet, eine Religion der Phantasie zu sein, und sobald er sich dazu hinneigt, geht er aus seinen Grenzen heraus und verliert seinen Charakter. Voy der einen Seite hört der Monotheismus auf, wahrhafter Monotheismus zu sein, sobald der Begriff des einzigen Gottes, wie der Verstand ihn faßt, modificirt wird durch Vorstellungen und Gebilde, die außerhalb des Verstandes liegen. Von der andern Seite wird er zur Ausschreitung gebracht, sobald die Attribute und Eigenschaften Gottes phantastischer Ausbildung überlassen werden. Die heilige Schrift zeigt uns Gott als Vor

sehung und Richter durch Lehre und Geschichte, aber erst bei Späteren wird diese Vorsehung zum phantastischen Fatalismus und das Richten Gottes zu einem Weltgericht in der Erscheinung am Ende der Tage; in der heiligen Schrift wird die Unsterblichkeit der Seele mannigfach angedeutet, aber erst bei den Späteren wird sie zu einem bunten Phantasiegemälde von Paradies und Hölle, von Freuden und Qualen, die mehr oder weniger nach Sinnlichkeit schmecken.

Nicht minder sind selbst die Bilder, welche uns die Schrift aus der Geschichte vorführt, nur einfacher Natur, welche der Phantasie blos eine mäßige und gesunde Nahrung bieten und viel mehr auf das Herz als auf die Phantasie zu wirken geeignet sind. Wer die Schöpfungslehre der Inder und Griechen mit der Schöpfungsgeschichte der Schrift vergleicht, muß die einfache Erhabenheit der letzteren, gegenüber den wirren Phantasmagorien der anderen, bewundern. Die Vorgeschichte des jüdischen Volkes führt uns die einfachen Lebensbilder der Patriarchen vor und hat keine Aehnlichkeit mit den Götter- und Heldengeschichten der alten Völker. So großartig auch die Gemälde der Vorgänge am rothen Meere, des Volkes, das durch die einsame Wüste zieht, des rauchenden Sinai, von dem die Worte des Gesetzes verkündet werden, sind, so bieten sie doch der Phantasie kein Gebiet weiterer Verarbeitung dar, wie denn jede Dichtung, die diese Scene frei zu bearbeiten versucht hat, bis jezt immer mißglückt ist und an die einfache Erhabenheit der Schrift nicht reichte. Aber auch die spätere Geschichte des israelitischen Volkes, wenn sie auch Kampf, Untergang und Wiedererstehen mit einzelnen großen Gestalten genug enthält, beschränkt sich doch immer auf kleinen Raum und kleine Verhältnisse und greift, wir möchten sagen absichtlich, nirgends in die großen Weltereignisse hinein. Höchstens bietet die Richterzeit der Phantasie Spielraum und Werkzeuge dar. So ist es überall der Phantasie nur gegeben, sich an die wirklichen Erscheinungen zu halten und diese innerlich und äußerlich zu beleben, nicht aber in freiem Schwunge ihrer Flügel in ihr eigenes Reich zu flüchten und dieses mit ihren eigenen Geschöpfen zu bevölkern.

Hier aber müssen wir die Bemerkung machen, daß die Phantasie nach zwei Seiten hin geschäftig sein kann. Entweder sie führt frei ihren Herrscher- und Zauberstab und ruft damit ihre Schöpfungen hervor, oder sie versenkt sich in ein Gegebenes, das sie im Detail

ausführt und bei dem sie ihre Befriedigung durch die Häufung und Vermannigfaltigung des Details sucht. In dem weitern Entwickelungsgang unserer Religion gewahren wir denn auch das Obwalten der Phantasie in lezterer Richtung, nachdem ihr die Wirksamkeit in der eigentlichen Religionslehre abgeschnitten war. In der Thora war das einzige Feld, auf welchem die Phantasie zur nothwendigen Befriedigung und Geltung kommen konnte, der Opferdienst, der Cultus überhaupt. Lehre und Geseß hielten sich überall an die vernunftgemäße Realität, der Opferdienst aber ist symbolischer Natur und jedes Symbol die Andeutung eines Gedankens durch ein Zeichen, das durch die Phantasie gewählt ist. Wenn nun auch der zum Grunde liegende Gedanke in dem ganzen Gewebe des symbolischen Cultus immer wieder zur Ausprägung kommt, so hat doch die Phantasie diese eigenthümliche Operation zu vollbringen: Mag dabei die Schilderung durch das Wort so einförmig und durch die Aufzählung aller Einzelnheiten noch so trocken sein, in der Her stellung des ganzen Cultusgebäudes mußte die Phantasie aufs lebhafteste betheiligt sein und bis in Zahl, Farbe, Stoff, Form u. f. w. sich geschäftig erweisen. Bei den Propheten und den Sängern finden wir nun, der Natur der Sache gemäß, die Phantasie in ihrer höheren Bethätigung. Die begeisterte Rede, der Pfalm, das Gleichniß bedingen einen dichterischen Schwung, der sich wieder ohne plastische Ausmalung der Ideen in mannigfaltigen Bildern nicht denken läßt. Sobald aber dieser Schwung wieder abnimmt, greift man abermals zu symbolischen Darstellungen und zur Durcharbeitung des Details, wie dies z. B. bei Ezechiel der Fall ist. - In der ganzen talmudischen Literatur ist es auffällig, wie sehr jeder höhere Aufschwung, jeder erhabene Ausdruck, jeder Glanz der Sprache fehlen. Aber es wäre ein Irrthum, die Talmudisten darum des Mangels an Phantasie zu zeihen. Die außerordentliche Verarbeitung des Details, die immer neuen Combinationen der Casuistik, die immer weiter ausgedehnte Verästelung nach Regeln, die, so eng und abgrenzend sie scheinen, doch einen großen Spieraum zu freien Anknüpfungen und Folgerungen bieten, erfordert eine mächtige Arbeit der Phantasie. Der Beweis hierfür läßt denn auch nicht auf sich warten; denn wenn schon in manchen Partien der talmudischen Sazungen das Obwalten der Phantasie nicht zu verkennen ist und sich Producte finden, welche den anderen Kräften des Geistes nicht

entsprechen, so brauchen wir nur daran zu erinnern, wie oft wir im Talmud Dämonen, Geistern, Mirakeln und Wunderlichkeiten in Ursache und Wirkung, in Sünde und Strafe, in Krankheit und Heilmittel begegnen, um zu erkennen, daß hier dem Phantastischen Raum genug gewährt worden sei.

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Der Gebetchclus trat an die Stelle des Opfercultus. Wer die Grundstücke unseres Gebetbuches prüft, findet in denselben nur den einfachen Ausdruck deffen, was zu ihrer Erstehungszeit religiöse Anschauung und nationaler Wunsch war. Was Phantastisches darin vorhanden, war nicht neue Arbeit des Geistes, sondern Wiedergabe aus dem Material des Denkens und Fühlens der Nation. Selten Aufschwung der Sprache, oftmalige Wiederholung desselben Gedankens. Es war alles Bekenntniß, das gemeinsam in Allen lebte. Gerade darum erhielt es den Charakter des Normativen, wurde allgemein angenommen und so zum Pflichtgebet. Später wurden ausgewählte Psalmen hinzugefügt, wodurch dem Bedürfnisse nach höherem geistigen Aufschwung, nach tieferer Erregung genügt wurde, doch sind auch hierbei nur solche Psalmen ausgewählt worden, welche weniger die Bewegungen des Individuums zum Ausdruck bringen als allgemeine und nationale Gedanken und Gefühle. Die Psalmen, welche so recht die Lagen, Kämpfe und Wünsche der Person ausdrücken, blieben zurück. Erst in der Mitte des Mittelalters bemächtigte sich ein buntes Leben der Phantasie auch des jüdischen Gebetes. Es sind die Piutim, die nach verschiedenen Richtungen hin eine Fülle poetischer Erzeugnisse in den jüdischen Gebetchclus hineindrängten. Hier aber war es die Ungunst der Zeit, welche ein schädliches Spiel trieb. Armuth an Gedanken und Armuth an Geschmack sind die Mängel aller mittelalterlichen Poesie und daran leiden auch die Piutim ganz und gar, wenn wir die synagogalen Gedichte einiger spanischen Sänger ausnehmen. Der Kreis der Gedanken ist bei den Peitanim sehr beschränkt, und weder sprachlich noch in der Kunstform kennen sie die Anforderungen eines correcten Geschmackes. Dafür entschädigte sich die Phantasie durch das regellose Umherstreifen im Grotesken, im Reiche des Wunderlichen nnd Wundersamen, in Häufung und mannigfaltigster Wiederholung. Man holte auch das Symbolische wieder hervor, so daß man sich 3. B. für die Persönlichkeiten der h. Geschichte einer bunten Menge symbolischer Namen bediente; man suchte nach mystischer Verhüllung

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