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ist ihm der König - Messias von Israel? Kein Anderer, als der Stifter der christlichen Kirche, wie ihn die Kirche als Gott anerkennt und anbetet. Das System Pétavel's ist also: sämmtliche Juden sollen sich taufen lassen, demungeachtet aber ein Volk bleiben, nach Palästina geführt werden, und da das Mustervolk für die ganze Menschheit bilden, womit dann das Gottesreich auf Erden angebrochen sein wird. Um aber sich taufen zu lassen, muß man zuvor die christlichen Dogmen annehmen, vor Allem die Dreieinigkeit, die Gottheit Christi, die Welterlösung durch den Tod Jesu. Es ist nicht unsere Sache, zu untersuchen, wie weit die Ansichten des Herrn Pétavel mit der bisherigen protestantischen, katholischen u. s. w. Dogmatik im Widerspruch steht, wie weit in jener einerseits der Geschichte und der Vernunft, andererseits der christlichen Gläubigkeit vor den Kopf gestoßen wird. Für uns ist nur von Wichtigkeit zu sehen, daß auch hier Alles nur auf die Taufe hinausläuft; daß selbst hier, wo man unsere Moral nicht ansicht, unser Recht im Staate anerkennt, unsere Treue im Glauben an einen einzigen Gott über alle Maßen lobpreist, doch nichts Anderes will, als die uns schnurstracks widersprechenden christlichen Glaubensfäße insinuiren und uns taufen! Es ist immer dasselbe Spiel. Während man früher uns durch Schwert und Scheiterhaufen unserem Gotte abtrünnig machen wollte, will man es jezt durch Emancipation und Bruderliebe. Nachdem insonders der Protestantismus lange versucht hat, uns durch die christliche Exegese von Bibelstellen zu bekehren, läßt er jezt dies fallen, und will uns durch die Verheißung einer großen Zukunft kirren. Aber wisset Ihr denn nicht, daß Ihr nicht im Stande seid, in Euren Schilderungen die Größe der Verheißungen zu erreichen, welche schon die Propheten vor unseren Blicken ausgebreitet haben? Aber diese Propheten stellen uns die unabweisbare Bedingung, daß wir dem einzigen Gotte treu bleiben, und, wohin wir auch zerstreut wären, ihn allein anbeten; diese Propheten verkünden daß die Völker sich zu unserm Glauben, nicht aber wir zum Glauben der Völker uns bekehren werden, bis wie der Ewige einzig, so seine Anbetung einzig sein wird auf der ganzen Erde!" Gehet also: wie Ihr Euch auch geriret, Ihr seid im Widerspruch mit unserer heiligen Schrift, Eure Versuche scheitern. . .

Die Ansichten Pétavel's sind nicht neu; auch in einer andern Region haben sich dergleichen seit längerer Zeit schon aufgethan.

Wir erhielten vor einiger Zeit ein Verzeichniß der Bibliothek eines gewissen Da Costa 1) in Amsterdam, zu welchem ein Herr Schwarz eine Vorrede geschrieben. Da findet sich der neueste Ausdruck dieser Absurditäten, nämlich daß die getauften Juden die eigentlichen Christen und das wahrhaft auserwählte Volk Gottes seien. Jene Classe von getauften Judenmissionären muß sich doch ein Feld suchen, wo sich ihr geistlicher Hochmuth, um sich für die Verachtung, die sie von Jude und Christ erfahren, zu entschädigen, eigene Hütten baut. Sie sondern sich von den Christen ab, als ihrer neuen Glaubensgenossenschaft, wie sie ihrer alten untreu geworden. Wie sehr sie der ganzen Geschichte und allzeitigen Tendenz des Christenthums widersprechen, und aus letterem ein willkürliches, zu ihrer persönlichen Glorification zurecht geknetetes Phantasiewerk machen, dies zu erweisen, überlassen wir Andern. Wir Juden wollen von dieser Doppelzüngigkeit noch weniger wissen. Unsern Glauben zu verläugnen und unsern nationalen Bestand sich zu Nutze zu machen, ist eine Escamotage, die nur von solchen zweideutigen Naturen ausgehen mag.

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Begnügen wir uns mit diesen kurzen Andeutungen, welche jedoch, wie wir glauben, den Standpunkt der protestantischen Kirche zu uns flar machen, der protestantischen Kirche, die, so zahllose Nüancirungen sie auch umschließt, uns gegenüber nur das eine Ziel verfolgt uns zu bekehren. Sieht man dies ja sogar an den lezten Abfällen derselben, der freien Gemeinde, welche nicht minder gern Propaganda unter uns treiben möchte. Kommt es der protestant. Kirche doch nicht einmal darauf an, was für Christen sie an den abtrünnigen Juden gewinnt, begnügt sie sich doch oft mit den ganz äußerlichen Formalitäten, wenn nur bekehrt wird. Daß sie freilich an solchen glaubenslosen Individuen viel ärgere Feinde in ihren Schoß einnimmt, als sie an den Juden, die nach Außen allzu harmlos sind, hat, haben wir schon bemerkt.

1) Catalogue de la collection importante de livres, manuscrits etc. hébreux, espagnols et portugais du feu Mr. Isaac da Costa d'Amsterdam. Amsterdam, 1861.

XIX.

Zur Charakteristik des Zalmuds.

1.

Es giebt große Erscheinungen in der Geschichte, welche Allen bekannt, von Vielen gekannt, von Wenigen erkannt sind. Allen bekannt und von Wenigen erkannt, wird nicht auffallen. Denn die große Mehrzahl der Menschen begnügt sich mit dem Namen und mit dem, was ihnen von jeher vorgesprochen und immer wiederholt worden. Aber auch von Vielen gekannt und von Wenigen erkannt, ist erklärlich. Denn bei einer großen Erscheinung sind theils die Meisten nur im Stande, die Menge der Details und Einzelheiten ins Auge zu fassen, während ihr Blick nicht hinreicht, vor jenen das Ganze und das Wesen des Ganzen zu überschauen und zu verstehen; sie sehen eben vor den Bäumen den Wald nicht; theils betrachtet Jedermann jede gewaltige Erscheinung nur in einem bestimmten angebildeten Vorausurtheil, die Einen im Strahlenglanz der Heiligkeit, der Pietät, der anerzogenen Bewunderung, die Anderen im Schatten eingewohnten Hasses, blinder Verachtung. So erscheint jenen Alles daran groß, tiefsinnig, erschöpfend, bedeutungsvoll, ohne Schwäche, ohne Makel, ohne Fehl; diesen kleinlich, übelwollend, schädlich, lächerlich. Wer aber in der Erforschung der Dinge von solchen Gesichtspunkten ausgeht und sie auf derartigen Piedestalen anzuschauen fortfährt, wird niemals zu einem richtigen Verständniß, zu einer wahrhaften Würdigung kommen können.

Dies vor Allem war das Schicksal des Talmuds und darum bildet er noch heute in der Großartigkeit seiner Existenz, in der ungeheueren Geistesarbeit, deren Erzeugniß er ist, in der langen Reihe der Zeiten und der Männer, denen er entstammt und denen er zum Gegenstande der emsigsten Thätigkeit diente eine Räthsel

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frage. Wir wissen, wie viel Fleiß seit seinem Abschluß auf den Talmud verwendet worden; wie geistesstarke Männer ihn excerpirten und seinen Inhalt zu ordnen sich bemühten; wie Jahrhunderte lang seine Halacha immer und immer wieder bearbeitet worden, wie man seine Midraschim zusammengestellt und interpretirt hat; wie in der neueren Zeit die zahllosen in ihm zerstreuten geschichtlichen Notizen aufgesucht und benutzt worden, wie sein Entstehen, seine Fortführung, seine Sprache vielfach behandelt wurde. Aber so viel auch geschehen, so mangelhaft sind noch die Resultate. Besizen wir doch noch nicht einmal eine gründliche Geschichte des Talmuds, welche die Annalen des Jahrtausends, dem er von seinen ersten Ursprüngen bis zu seiner Vollendung angehört, genau aufstellt, seine Entwickelung sorgfältig verfolgt, seine äußerlichen Schicksale schildert, eine Kritik seiner Tertesbeschaffenheit giebt und seine bibliographische und literarische Geschichte zeichnet. Man wird zugeben, daß, wo für eine wissenschaftliche Bearbeitung noch so große Lücken vorhanden sind, eine lange Zukunft noch vorauszusehen ist, bevor man annähernd zu einem befriedigenden Ziele gelangt sein wird.

Aber abgesehen von dieser noch ungelösten großartigen Aufgabe, gestehen wir, daß für das allgemeine Verständniß des Talmuds nicht minder bis jetzt wenig geschehen. Wenn auch einige Versuche gemacht worden, die talmudische Exegese, die allgemeine talmudische Methode wissenschaftlich zu erörtern, so geschah dies leider von einem speciell philosophischen Standpunkte aus, dessen Anwendung auf diesen Gegenstand aller Klarheit entbehren mußte, so daß die Frucht ungenießbar war. Aber der eigentliche Charakter des Talmuds und seine Stellung im großen Ganzen der menschengeschlechtlichen Entwickelung, insonders in religiöser Beziehung ist nur erst schwach und mehr äußerlich beleuchtet worden. In einer früheren Arbeit suchten wir seine Bedeutung für das specifische Judenthum zu erfassen. Wir wiesen den, auch neuerdings mit vielem Scharfsinn, aber auch nicht weniger Sophistik vorgetragenen Gedanken, daß der Talmud wie eine Reform des Judenthums zu betrachten sei, zurück, und erkannten seinen Zweck vielmehr darin, für die wahre und ganze religiöse Idee eine schützende Hülle zu schaffen, mittels welcher er jene durch die ungeheuren Völkerstürme, den Zusammensturz des Alterthums, die Erschütterungen einer aus Barbarei und Unwissenheit sich entwickelnden neuen Welt troß der

Zersplitterung des jüdischen Stammes mitten in die Völker und deren Leben hinein für die Zukunft Ifraels und der ganzen Menschheit erhalten konnte 1). So sehr wir nun auch jezt noch hieran festhalten und den höheren Beruf des Talmudismus darin erblicken, so ist doch damit nur eine Tendenz desselben und zwar mehr von einem außerhalb seiner selbst befindlichen Standpunkte bezeichnet. Wir halten es daher für geeignet, in Folgendem einige Gedanken über den Charakter des Talmuds, namentlich als einer specifischen religiösen Richtung auszusprechen, die wohl Winke für die richtige Auffassung desselben enthalten mögen, beantworten uns aber zuvor einige Vorfragen, die zu seiner Charakteristik dienen.

Nicht selten hört man den Ausspruch, daß die gegenwärtigen jüdischen Theologen ihren Vorfahren in der Kenntniß der talmudischen und rabbinischen Literatur, in Talmud, Poskim und „, bei Weitem nachstehen, und die umfassende und spezielle Kenntniß dieser Wissenszweige immer seltener werde. Diese Klage ist nicht unbegründet. Die Sache ist vielmehr eine nothwendige Folge. Die früheren Rabbinen waren Riesen auf dem talmudischen Gebiete, aber weniger als Kinder in allem Uebrigen. Alles profanen Wissens bar, jede wissenschaftliche Bildung als antireligiös und darum verpönt ansehend, verwandten sie alle ihre Geisteskräfte und alle Zeit ihres Lebens, verbunden mit eisernem Fleiße und von nichts in der Welt zerstreut und abgeleitet, auf das Studium der talmudisch-rabbinischen Werke, und es hätte daher mit einem Wunder zugehen müssen, wenn sie nicht eine völlige Vertrautheit mit diesen. hätten erwerben sollen. Ganz anders steht es um den jüdischen Theologen unserer Zeit. Wissenschaftliche Bildung, Gymnasial- und Universitäts-Carrière, Bekanntschaft mit modernen Sprachen und Literaturen, kurz Alles, was nur von einem christlichen Gelehrten gefordert wird, wird bei ihnen beansprucht, und nun müssen ste außerdem sich die Kenntniß der talmudisch rabbinischen Literatur erwerben, wobei es auch ohne einige Kenntniß der anderen semitischen Dialekte nicht füglich abgehen kann. Daß bei diesem ungeheuren Material der Jünger der jüdischen Theologie unserer Zeit

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1) S. unsere Vorlesungen über die Entwickelung der religiösen Idee im Judenthum, Christenthum nnd Islam S. 89 ff., 142 ff.; unsere Israelitische Religionslehre B. I. S. 213 ff.

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