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ihnen sogar das römische Bürgerrecht, und ohne Zuthun der Juden selbst schuf sich das jüdische Wesen unter diesen Verhältnissen bei den Römern vielfachen Eingang.

Der Kampf um das Judenthum begann erst wieder mit dem Zeitpunkt, wo das Ehristenthum das antike Heidenthum besiegt hatte, und hat seitdem nicht wieder aufgehört. Das Christenthum besiegte das Heidenthum gänzlich, das Judenthum nicht. Ebenso wenig gelang dies dem Islam. Die Geschichte hat eben hiermit erwiesen, daß das Heidenthum im Sterben lag und schnell abstarb, das Judenthum aber das kräftigste Leben in sich trug, das kräftigste sagen wir, denn einer so ungeheuren Majorität, wie sie den beiden herrschenden Religionen zu Gebote stand, und dem gewaltigen Fanatismus gegenüber, der in beiden obwaltete, konnte nur eine potenzirte Lebenskraft, die alle Glieder des Judenthums beseelte, und ein außerordentlicher Geist, der das ganze Judenthum erfüllte, sich bestehend erhalten.

Sehen wir nun, welches Mittel bei einem solchen Kampfe seitens der angreifenden Parteien verwendet werden konnten. Sie mußten sein: 1) die Gewalt, 2) der Druck und die Belohnung, 3) die Ueberzeugung. An den beiden ersten ließen es beide gegnerische Religionen nicht fehlen, betreffs des dritten war der Islam lässig und indolent. Die Gewalt allein richtete gegen das Judenthum gar nichts aus und konnte es auch nach der Lage der Dinge nicht. So epidemisch die blutigen Judenverfolgungen auch zu Zeiten waren und in ge= wissen Epochen von Landschaft zu Landschaft sich verbreiteten, so machte doch die außerordentliche Zerstreuung der Juden eine völlige Ausrottung derselben unmöglich. Dazu hätte es einer vollständigen gemeinsamen Verabredung und einer so allgemeinen Barbarei und blutgierigen Unduldsamkeit bedurft, wie sie in den Verhältnissen der Völker und in der Natur der Menschen unmöglich sind. Schon daß die Juden nicht blos in den christlichen, sondern auch in den islamitischen Ländern verbreitet waren, mußte ihr Schuß sein, weil sie aus den einen immer wieder in die anderen flüchten konnten, wie dies auch faktisch geschah. Wenn auch eine Periode im allgemeinen den Geist des Fanatismus trägt, so wird es selbst in einer solchen immer maßgebende Personen geben, welche sich zu solchen Gräuelthaten nicht entschließen können und bei aller Aufrichtigkeit ihrer Glaubensmeinungen doch den Bekennern anderer Religionen

Leben und Wohnstätte nicht versagen mögen. So viele Tausende daher auch jenen gewaltthätigen Verfolgungen zum Opfer fielen, wie manche größere oder kleinere Zahl von Juden den Uebertritt sich abzwingen ließ, im großen Ganzen konnte hierdurch nichts ausgerichtet werden und das Judenthum bestand diese Feuerprobe in glänzendster Weise.

Ein anderes Mittel war der Druck, die Außschließung, Hohn und Verachtung. Sie wurden im reichlichsten Maße angewendet. Sie begannen mit den Dekreten der römischen Kaiser von Constantin an und lagen in der Natur des Islams, der seinen Staat allein auf dem Boden des Korans aufrichtete. Mit diesem Druck war unmittelbar die Belohnung des Uebertritts verbunden, da der lettere sofort die Befreiung von allem Druck und aller Ausschließung zur Folge hatte. Aber auch nicht selten waren reelle Belohnungen auf den Abfall vom Judenthume gesetzt. Dieses zweite Mittel hatte aber die entgegengesetzte Wirkung, als in der Absicht und Erwartung lag. Denn gerade durch alle jene Beschränkungen und Ausschließungen wurden die Juden eine abgeschlossene, kompakte Masse, die ein intensives Sonderleben führte und für die Einflüsse und Eindrücke von außen unzugänglich war. Wenn es, wie es offenbar ist, die Absicht der göttlichen Vorsehung war, das Judenthum zu erhalten, damit es in seiner Hülle die reine Gotteslehre mit ihren Konsequenzen für zukünftige Zeiten bewahre, so konnten die Menschen ihr durch kein zweckmäßigeres Mittel zu Hülfe kommen, als durch die Bedrückungen und Ausschließungen, denen sie die Juden anderthalb Jahrtausende hindurch unterwarfen. Darum waren alle Verlockungen und Belohnungen durch den auf den Uebertritt gesezten Preis völlig unwirksam und die Beispiele der Würden und Ehren, welche getaufte Juden erhielten, fanden nur Abweisung und höchst geringe Nachfolge. Erst dann hatten Beschränkungen einigen Erfolg bei einer Zahl Individuen, wenn die sonstige bürgerliche und geistige Ausschließung aufgehört hatte, wenn die Juden am geistigen und öffentlichen Leben einen freien und vollen Antheil hatten, ihnen aber alle öffentlichen und höheren Lebensberufe verschlossen blieben. Da konnte, um eine Wirksamkeit und gute bürgerliche Existenz zu erlangen, mancher Jude sich nicht enthalten, den Schlüssel zur verschlossenen Pforte in die Hand zu nehmen und sich so den Eingang zu öffnen. Es geschah dies in

der arabischen und spanischen Periode wie in der Gegenwart. So schmerzlich dies auch war, konnte es auf das Judenthum im ganzen keinen wesentlichen Einfluß üben.

Wenn aber Gewalt und Druck immerhin mehr oder weniger eine Anzahl Individuen vom Judenthume losrissen, so war das dritte Mittel der Ueberredung und Ueberzeugung noch viel unwirk= samer. Es liegt dies in dem Wesen der Religionen selbst. Wir polemistren hier nicht, sondern geben die Thatsachen, wie sie sich unzweifelhaft herausgestellt. Das Judenthum ist eine positive Religion mit festgestalteter, geschichtlicher und konkreter Erscheinung. Ja, ihr geschichtlicher und konkreter Boden ist ein weit älterer und in freier Entwickelung gewordener aus dem eigensten Geiste heraus. Sie bietet also ihrem Bekenner alle die Vortheile und Vorzüge, welche in einer positiven Religion liegen, alle die Reize und Mittel, die den Menschen an eine solche fesseln. Auf diesem Boden aber erhebt sich im Judenthum eine Lehre, welche dem Verstande nicht widerspricht und mit der das Herz sich in Uebereinstimmung fühlt; weder die Folgerungen der Vernunft noch die Gefühle des Herzens treten mit ihr auf dem Grunde der Gottgläubigkeit in Widerstreit. Anders verhält es sich im Christenthume, wo die Lehre wesentlich in Mysterien besteht, welche dem Verstande widerstreben und daher das volle unbedingte Glauben in Anspruch nehmen müssen. Dem geborenen Christen, der in seiner Religion erzogen worden ist, mag dies keine Schwierigkeiten machen, für den Bekenner des Judenthums aber ist es ein Hinderniß, das zu überwinden oder zu beseitigen eine ganz eigenthümliche und gewiß feltene Geistesstimmung und Geistesrichtung erfordert. Wie soll sich der Jude von der älteren zu der jüngeren Religion wenden, wenn er dabei alle seine ge= wohnte Geistesthätigkeit ändern, aufgeben und gefangen geben soll? wenn er das, was ihm die Lehre seiner Religion in Uebereinstimmung mit seinem Verstande und Herzen eingeprägt hat, gegen ein anderes vertauschen soll, was damit in gänzlichem Widerspruch steht und wozu er eines Geistesmomentes bedürfte, das ihm bis jetzt fremd war? Missionäre, Predigten und Schriften hatten daher bei den Juden ein Minimum von Wirkung, noch dazu, wenn sich zu jenen keine anderen Motive gefellten. Es ist dies eine von der christlichen Welt felbft jezt so anerkannte Thatsache, daß wir nicht weiter dabei zu verweilen brauchen und daß es jetzt wohl nur noch

verblendete Fanatiker sind, welche den Juden die früher so beliebte „Hartnäckigkeit“ vorwerfen, während es ganz in der Sache selbst lag, daß der Erfolg kein anderer sein konnte.

Dies waren die bisherigen Kämpfe um das Judenthum. Sie wurden mit einer Energie und Ausdauer seitens der Juden bestanden, denen der Erfolg nicht ausblieb. Nun ist zwar die Anwendung der Gewalt und des Druckes gegen das Judenthum noch nicht ganz geschwunden; aber die erstere ist selten, nur lokal und gegen einzelne Individuen gerichtet, und der zweite weicht den Forderungen der Gerechtigkeit und der Bildung der Zeit immer mehr. Wir haben daher nach diesen Richtungen hin noch immer zu kämpfen und eine sorgfältige Wacht zu üben, aber wir sehen doch den Fortschritt Tag für Tag und ihr allmähliches Verschwinden eröffnet uns die Aussicht auf ein gänzliches Aufhören. Darum aber hat der Kampf selbst noch nicht aufgehört, sondern der Schauplah und die Mittel sind nur verändert. Der Kampf ist wieder weniger gegen direkte Angriffe von außen gewendet, als er sich vielmehr durch Elemente von außen im Schooße der Bekenner des Judenthums abspielt. Denn nicht mehr geht die Offensive von den anderen bes stehenden Religionen und Kirchen aus, als vielmehr vom Leben und von der Wissenschaft. Die Juden sind mit der ihnen ge= wordenen Freiheit aus ihrem früher enggeschlossenen Kreise herausgetreten; sie sind in den allgemeinen Kreis des menschheitlichen Lebens eingegangen; sie nehmen nach ihrem Maße am großen, öffentlichen und allgemeinen Leben einen vollen Antheil. Der Einfluß in religiöser Beziehung hiervon ist für das Judenthum ein zwiefacher. Alle gegnerischen, ja feindseligen Wirkungen, welche das allgemeine Leben und die Wissenschaft auf die positiven Religionen überhaupt üben, treffen auch auf das Judenthum. Aber indem dieses zugleich die Religion einer Minorität ist, darum an und für sich schon einer besondern Kraft und Stärke bedarf, um dem allgemeinen Strome widerstehen zu können, wird es von jenen Einflüssen noch stärker betroffen. Machen wir uns dies noch deutlicher. Das Menschengeschlecht ist bei einer Zeitperiode und auf einer Entwickelungsstufe angelangt, wo es vorzugsweise auf eine Entwickelung zu einer Allgemeinheit hinstrebt. So wenig wie jemals die Individualität der Menschen aufhören wird, jemals diese ihre Geltung aufgeben kann: ebenso wenig wird auch die Besonderheit in allen

einzelnen Erscheinungen, welche zusammen das menschliche Leben ausmachen, aufhören und ihr besonderes Leben entbehren wollen und können. Gerade darum findet sich in den verschiedenen Geschichtsepochen nacheinander ein Schwanken der Menschheit zwischen der vorzugsweisen Entwickelung alles besondern und des allgemeinen Lebens. Wenn sich im Alterthume die frischen Nationalitäten in den gesondertsten Anlagen, Richtungen und Sphären aufs kräftigste entwickelten, so trat doch zuerst mit der durch Alexander den Macedonier begründeten Herrschaft der Griechen und dann mit der wachsenden Erweiterung der Römerherrschaft ein Streben nach einer Allgemeinheit des menschheitlichen Lebens ein, in welche alle besonderen Erscheinungen des Alterthums aufgingen. Dahingegen entfaltete sich auf dem neuen Boden der durch die Völkerwanderung ausgebreiteten frischen Völkerfamilien ein Leben der Besonderheiten, wie es stärker noch nicht dagewesen, so daß nicht allein die Nationen, sondern innerhalb derselben die verschiedenen Stände bis zu den einzelnsten Gewerben herab ein besonderes corporatives Leben sich herstellten. Diesen gegenüber erhielten nur die Kirche, die politischen Verhältnisse und endlich mit dem Wiedererwachen der Wissenschaften diese das allgemeine Leben noch aufrecht. Von hier aus aber eröffnete sich mit dem 15. Jahrhundert eine neue Richtung, welche, dem starken und überwuchernden Leben der Besonderheiten gegenüber, die Menschheit in noch nicht dagewesenem Maße in das allgemeine Leben hineinführte und drängte. Die großen Bewegungen der Geister, die wachsende Ausdehnung der politischen Verhältnisse, gewaltige Erfindungen und Entdeckungen, eine neue Entfaltung des industriellen Lebens und der Druck, welchen die absterbenden Institutionen jenes Sonderlebens übten, vereinigten sich, um den letzteren den Krieg zu erklären, sie im Laufe der Zeiten immer mehr zu zersetzen und aufzulösen und ein überwiegend allgemeines Leben zu schaffen. Auf allen Gebieten hörte das gesonderte und durch geschriebene oder ungeschriebene Privilegien geschüßte corpora= tive und abgeschlossene Dasein auf, und das politische, industrielle und wissenschaftliche Leben nahm nach allen Seiten hin einen so ungeheuren Aufschwung, daß alle diejenigen davor untergehen mußten, welche ihren besondern Standpunkt festhalten wollten. Das Streben, bewußtes und unbewußtes, geht vielmehr dahin, daß jede Besonderheit nur diejenige Geltung und denjenigen Bestand behal

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