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nichts weiter als glauben, und den Ungläubigen, wenn er es vermag, aus dem Wege räumen. Das Christenthum aber hatte sich den Weg der Bildung und in die ganze religiöse Idee offen erhalten. Der Islam kann nur zusammenstürzen vor der ganzen religiösen Idee und durch eine gänzliche Selbstvernichtung zu ihr gelangen.

XVI.

Kämpfe im Christenthume und im Judenthume.

Die Kämpfe im Christenthum.

Richten wir unsern Blick auf die Zustände, die sich gegenwärtig im Christenthume entwickeln, um deren Ursachen, Verlauf und Wirkungen möglichst zu erkennen, so gewahren wir Kämpfe und Wirren vom bedeutendsten Umfange, von großer Mannigfaltigkeit und Tragweite. Es drängt sich uns jedoch hierbei schnell auf, daß der Boden dieser Kämpfe ein ganz anderer ist als in früherer Zeit. Daß es sich jetzt nicht mehr, wie bei der Gründung der christlichen Kirchen und Sekten, um eine verschiedenartige Auslegung der Schriftstellen und Dogmen handelt, erkennt man leicht. Aber während im vorigen. Jahrhundert es eine philosophische und rationelle Geistesentwickelung war, welche gegen die ganze Dogmatik des Christenthums zu Felde zeg und theils einen rationellen Deismus, theis einen Atheismus ihr gegenüber stellte, ist es jetzt die historische und wissenschaftliche Kritik, welche die Schriften des neuen Testamentes in Angriff ge= nommen und von hier aus die ganze christliche Dogmatik zerseßt und bestreitet. Es ist einleuchtend, daß dies ein viel härterer und gefährlicherer Kampf ist. Philosophie und Rationalismus leiden. immer an den Mängeln ihrer eigenen Beweisführung; sie sind ge= nöthigt, dem Gegner, den sie verdrängen wollen, ein eigenes positives Bauwerk gegenüber zu stellen; dadurch geben sie selbst Blößen und Schwächen zum Angriff in Menge dar, so daß die Kirche sich nicht auf die Defensive zu beschränken braucht und selbst zur Offensive übergehen kann; sie sind in letter Instanz genöthigt, sich auf denselben Boden zu stüßen wie die Kirche, nämlich auf den Glauben im Fond des menschlichen Geistes, und diesen Boden offupirt auch die Kirche, nur daß sie ihn in ungleich größerem Umfange bean

sprucht. Jemehr daher Philosophie und Rationalismus der Zeitströmung angehören, desto leichter wird es der Kirche, die Produkte jener zu überbauern und aus dem Wechsel jener Strömung neue Kraft und Nahrung für sich zu ziehen, wenn auch freilich als Resultat jener Kämpfe eine tiefe, innere Erschütterung in den Geistern zurückbleibt, von der aus neue Angriffe hervorgehen. Die Kritik nun hat eine leichtere Aufgabe; sie ist blos negativer Natur, und die Forderung eigener positiver Schöpfungen wird nicht an sie gestellt; sie überläßt dies der Folgezeit und der Entwickelung. Diese Kritik richtet sich zunächst gegen die ganze Unterlage des Christenthums, gegen die Schriften der christlichen Bibel, ihre Authenticität, Ursprungszeit, Verfasser und Autorität, legt die Widersprüche zwischen den einzelnen Schriften dar, untersucht sie als die Wurzeln der christlichen Dogmatik, zeigt dann weitergehend die unzulängliche Begründung der Dogmen in diesen Schriften, deren Widerspruch gegen jene und kommt so endlich dazu, die Unhaltbarkeit dieser Dogmen nachzuweisen. Nun weiß Jedermann, daß die christliche Dogmatik ein enges, genau ineinander gefugtes Bauwerk ist, das, sobald man ein wesentliches Glied herausnimmt, Halt und Zusammenhang verliert und das sich auf einen Grundstein aufbaut, ohne welchen das Ganze nicht bestehen kann, nämlich das Dogma von der Göttlichkeit des Stifters der christlichen Religion. Dies ist es, was diese Kritik so gefährlich macht. Sie richtet sich nicht gegen den Glauben überhaupt; sie greift selbst die Dogmen nicht vom philosophischen oder rationellen Standpunkte aus an, sondern sie fragt: wie sind sie geworden? worauf gründen sie sich? und wie ist das beschaffen, worauf sie sich gründen? Welcher ist der Ursprung dieser Dogmen? woraus sind sie hergeleitet? und sind sie wirklich aus dem Munde des Stifters des Christenthums gekommen? Gegen diese Fragen, Untersuchungen und deren Resultate läßt sich mit gleichen Waffen gar nicht kämpfen, sondern die Kirche kann hier gegen sich nur auf sich selbst zurückziehen und allein ihre eigene Autorität alsdann gegenüberstellen. Es kommt also nur darauf an, wie diese Autorität die Geister der Menschen noch beherrsche oder nicht. Aber es ist nicht zu verkennen, daß jene Resultate der Kritik um so gefährlicher sind, weil sie blos negativ sind, darum vom Einzelnen nichts verlangen, als blos ihren Untersuchungen zu folgen, und eben darum der wechselnden Zeitströmung nicht unterworfen,

sondern bleibend sind. Die Richtigkeit dieser Bemerkungen ersicht man aus der Geschichte dieser Kritik. Während die vielfachen philosophischen und rationalistischen Argumentationen gegen die Kirche nur noch in der Literatur und Kirchengeschichte aufbewahrt sind und niemand sich mehr z. B. auf die Angriffe Voltaire's und der französischen Encyklopädisten beruft, werden alle kritischen Versuche und Arbeiten, wie sie sich aufeinander auf bauten, noch heute berücksichtigt und in ihren Resultaten gewürdigt und z. B. der wolffenbüttler Fragmentist noch heute für wichtig erachtet, während hundert rationalistische Arbeiten des vorigen Jahrhunderts vergessen sind.

Gerade in der neuesten Zeit hat nun jene Kritik der christlichen Urkunden und Dogmen einen großen Aufschwung genommen und ist mit bedeutenden Erzeugnissen hervorgetreten. Strauß, Renan, Kaim, Alm, Schenkel u. a. haben die schärfsten Untersuchungen angestellt und veröffentlicht und ihre Schriften haben die ausgedehnteste Wirkung nach sich gezogen. Es versteht sich, daß die Kirche sich nicht still dabei verhielt. In unzähligen Schriften, Flugblättern und Zeitungsartikeln und von allen Kanzeln herab ertönte das Wort der Verdammniß, und Demonstrationen und Proteste aller Art sollten die Laienwelt dagegen einnehmen und waffnen. In der katholischen wie evangelischen Welt erließen Vereine und Versammlungen Erklärungen gegen jene Schriften. Hier zeigt sich nun auch die Verschiedenheit der katholischen und evangelischen Kirche. Jene beruft sich lediglich auf sich selbst; sie hat mit der Wissenschaft keine Gemeinschaft, sie fordert, daß diese sich ihr in allen Stücken unterordne, und wo sie ihr widerspricht, ist sie ein Werk des Satans, das die Kirche mit ihrem bloßen Worte zurückweist. Anders die evangelische Kirche, die an sich aus der Kritik und wissenschaftlichen Entwickelung hervorgegangen und daher mit der bloßen kirchlichen Autorität nicht durchkommen kann. Als am 14. September 1864 der „evangelische Kirchentag“, mehr als 900 Männer in seiner Versammlung zählend, in Altenburg tagte, nahm er einstimmig eine Reihe von Säßen an, aus denen wir folgende hervorheben:

„1) Die neuesten Behandlungen des Lebens Jeju haben Zerrbilder dieses Lebens hervorgebracht, deren Entstehung nur durch eine falsche Kritik der Geschichte oder eine leichtfertige Behandlung der heiligen Urkunden möglich wurde, denen deshalb durch wahre

geschichtliche Kritik und die allseitige Betrachtung der biblischen Dokumente siegreich begegnet werden kann und soll. 2) Die Arbeit der christlichen Kirche für die wissenschaftliche und allen Bedürfnissen des Glaubens genügende Erkenntniß des Lebens Jesu ist noch nicht vollendet und hat eben durch ihre unvollendete Gestalt die Angriffe der falschen Kritik, die zugleich von einem falschen Gottes- und Weltbegriffe und von einer völlig unwahren Anschauung der ethischen Natur des Menschen ausgehen, erleichtert. 3) Es ist ein Gewinn der Kirche, daß sie auf den angegriffenen Punkt zur Vertheidigung und zum Ausbau gerufen wird. Diesen Ausbau wird sie durch die kirchliche Wissenschaft, die ebenso ein Werk des heiligen Geistes ist wie der Glaube, zu vollziehen haben, und zwar mit Anwendung echt historischer und literarischer Kritik, deren Werk unverkümmert zu vollziehen ist. Der geschehene Ausbau wird, dessen sind wir gewiß, im Einklang mit der Abzielung der christlichen, der evangelischen Kirche stehen. 4) Es ist ein fernerer Gewinn der Gemeinde, daß ihr die Lebensgestalt ihres gottmenschlicheu Herrn und Heilands ganz und voll, in ihrer echt historisch - menschlichen und in ihrer wahrhaft ewigen göttlichen Seite, daß ihr Jesus Christus als ewig göttliches Wesen in wirklich menschlicher Natur, als Sohn Gottes in Ewigkeit lebend und zeitlich in die Geschichte getreten, vor Augen gestellt und die Erkenntniß seiner allein selig machenden Person und Erscheinung zum Mittelpunkt ihres Erkennens und damit auch zum Schlüssel für die Lösung anderer Fragen christlicher Erkenntniß gemacht wird."

Man sieht, daß der evangelische Kirchentag weder die Kritik noch die Wissenschaft an sich verwirft, ja diese vielmehr als eine nothwendige Ergänzung des Glaubens aufstellt. Aber hierin liegt gerade die außerordentliche Schwäche dieser Erklärungen. Man will, man erwartet, man hofft auf eine rechte christliche Kritif und Wissenschaft; man giebt zu, daß man sie noch nicht hat; man will sie ausbauen und vollenden; dann werden ihre Resultate mit der heutigen evangelischen Kirche übereinstimmen. Man verheißt also für die Zukunft und räumt somit für die Gegenwart das ganze Feld. Die katholische Kirche hat daher hierin eine ungemein größere Kraft und Intensivität. Sie erkennt keine Kritik, keine Wissen schaft an, sondern nur den Glauben an die Kirche. Sie ist fertig, ganz und weist alles andere als falsch und verdammungswürdig

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