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geleugnet werden, wie auch der Zwiespalt zwischen den Schulen Hillel's und Schammai's ein sehr bedeutsamer war. Dennoch finden wir bald von jenen keine reale Spur mehr, und die Ausgleichung der letteren geschah durch die Praxis fast ohne Kampf: ein Bruch im Judenthume erfloß aus allem Diesen nicht. Nur der kleine Bruchtheil der Karäer löste sich wie ein geringer Zweig vom großen Stamme als Widerspruch gegen die bereits entwickelte Tradition ab, ohne aber der Nothwendigkeit einer Tradition entgehen zu können, die der Karäismus nur von Neuem und selbständig anfing. Nach dem Abschlusse des Talmudismus begann als vierte Phase der Rabbinismus, der keine andere Aufgabe hatte, als aus dem großen Chaos der talmudischen Tradition sich ein festes Land zu konzentriren, das unveränderlich die Normen des jüdischen Lebens stabil erhalte. Ehe der Rabbinismus diese seine Aufgabe, zu einer völlig fixirten Stabilität zu gelangen, ganz löste, mußte sich ein abermaliger Kampf erheben, der hauptsächlich in der Bekämpfung des Maimonides, außerdem aber in vielen andern kleinern Parteistreitigkeiten, z. B. des Salomon ben Adereth, zu Tage trat. Aber auch diese Kämpfe brachten keine Sektirerei zu Wege, der Rabbinismus ging über sie hinweg, nahm die halachischen Arbeiten gerade des Maimonides als eine seiner tüchtigsten Grundlagen für sich, und überließ ruhig seine philosophischen Werke dem Studium der darnach gelüftenden Individuen. Als sich später neben dem großen Stamme des halachischen Rabbinismus noch die Mystik der Kabbala aufrankte, blieb der leztern Raum genug, um fortzuwuchern, ohne ein Anderes zu bewirken, als daß den Individuen überlassen blieb, von deren mysteriösen Ceremonien zu üben, was ihnen beliebte. Die Lehren der Kabbala wurden von der Synagoge weder sanktionirt, noch verurtheilt und verkeßert.

Als einen ganz besonderen Beweis, daß im Judenthume der ursprüngliche Trieb, sich in der Einheit zu erhalten, dauernd lebte, haben wir hier noch anzuführen, daß auch die nicht unbedeutenden Verschiedenheiten in der Liturgie, welche in den Synagogen der einzelnen Länderkomplexe erwuchsen, zu keiner Spaltung in Sekten führten, eine Erscheinung, die sich auf keinem andern Religionsgebiete wiederholt. Wenn die sog. Spanier und Portugiesen sich in sozialer Beziehung, selbst im Heirathen, von den übrigen Glaubensgenossen fern hielten, so lagen nicht religiöse, sondern eine Art

aristokratischer Motive zu Grunde, da sich in Lehre und Gesetz selbst keine Differenz herausstellte. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts entspann sich allmählig eine neue Phase der Entwickelung die sich von den früheren mehr unterscheidet als eine der andern, in deren Entfaltung aber wir jetzt noch begriffen sind, deren endliche Gestaltung noch nicht resultirt ist, deren Geist und Ziel jedoch schon begriffen werden können. Wenn nämlich auch früher schon und zwar in der babylonischen Gefangenschaft, in der griechisch-römischen und spanisch-arabischen Periode die Juden mit dem Kulturleben der Völker in nähere Berührung traten, und dadurch unleugbar influirt wurden, so geschah dies doch immer nur theilweise, wirkte lediglich auf den vorzugsweise gebildeten Theil der Nation und ging für die große Masse und das wesentliche Leben des Judenthums, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen, vorüber. Wir besitzen aus den drei genannten Perioden literarische Produkte, die von der Einwirkung jenes fremden Geistes Zeugniß geben, aber gerade in ihrer Isolirtheit bekunden, daß dieser Einwirkung bald wieder Grenzen gesezt waren. Vorzugsweise ist dies bei der griechisch-römischen Zeit der Fall, während die babylonische Einwirkung sich selbst durch den Talmud in bestimmten Fäden hindurchzieht, und die spanisch-arabische Periode nach dem neuerwachten Studium derselben auch auf unsere Zeit einen nicht geringen Einfluß übt. Dieser Ausgang war theils von den Geschicken des jüdischen Stammes bedingt, theils war das Kulturleben jener Völker und Zeiten selbst noch zu sehr einseitig und auf niederer Stufe, oder schon verlebt und abgeschwächt wie das griechisch-römische, um einen dauernden, bezwingenden Einfluß haben zu können.

Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts aber zeigten sich sowohl die civilisirten Völker als auch die unter diesen lebenden Juden genugsam herangereift, daß diesen die Bahnen in das allgemeine Kulturleben geöffnet wurden. Die immer unbedingtere bürgerliche Gleichstellung, die immer unbeschränktere Theilnahme an allen realen Verhältnissen in Industrie und Politik und vor Allem das stets wachsende Eingehen in die Bildung und das Geistesleben der gesammten Civilisation stellten dem Judenthume die großartige Aufgabe, nunmehr, wie nie zuvor, sich mit der menschengeschlechtlichen Kultur auszugleichen, hinwiederum ein integrirendes Element derselben zu werden, und sich einen unmittelbaren Einfluß auf sie

zu erwerben, den es bisher nur mittelbar und darum schwächer geübt. In der Lösung dieser Aufgabe stehen wir gegenwärtig mitten inne, und es kann daher nicht verwundern, daß sich gegenwärtig abermals verschiedene Geistesrichtungen, verschiedene Gesichts- und Standpunkte theils ideell, theils praktisch herausgearbeitet haben, die zeitweise den Charakter ringender Parteien annehmen, auch hie und da, links und rechts, das Gelüste nach konkreter Spaltung innerhalb der Gemeinden hervorbringen. Aber auch jetzt schon läßt es sich übersehen, daß nicht minder wie die früheren Phasen auch die jetzige tief einschneidende und umgestaltende Entwickelung keine solche dauernde Spaltung und Sektenbildung auf die Dauer bewirken werde, daß vielmehr Geist und Verhältnisse dahin führen, die Einheit im Judenthume aufrecht zu erhalten.

Frägt man nach den Ursachen dieser gegensätzlichen Erscheinung im Christenthume und Judenthume, so können wir zunächst darauf hindeuten, daß das lettere ein einheitliches Substrat hatte und hat, welches durch Nationalität und Geschick auf ein einheitliches Zusammenhalten verwiesen und geführt ward, während das Christenthum berufen war, eine Masse von Nationen anzugehen, die an Eigenthümlichkeit, Charakter, Sitte, Kultur und geschichtlichen Verhältnissen weit von einander abstanden. Das zweite Kausalmoment wird aber darin gefunden werden müssen, daß das Christenthum den aus dem Judenthume entnommenen Lehrinhalt, um ihn den Völkern zugänglich zu machen, sofort mit einem mannigfaltigen Zusaße von Dogmen, Anschauungen und anderen Elementen umgeben, erweitern und ausfüllen mußte, der sich nun in den einzelnen Nationen und Zeiten sehr verschiedenfarbig reflektirte, und den Stoff zu den mannigfaltigsten gegensäglichen Auslegungen hergab, aus welchen zahllose Kirchen und Sekten entspringen mußten.

Wie dem aber auch sei, es leuchtet ein, daß wir ganz genau sagen können, was Judenthum ist; es ist: die geschichtliche Entwickelung des Mosaismus in den oben gezeichneten Phasen, und das Judenthum des neunzehnten Jahrhunderts ist das im und zum menschengeschlechtlichen Kulturleben sich entwickelnde Judenthum.

8. Das jüdische Glauben und das christliche Glauben.

Glauben heißt: Etwas als wahr annehmen. Wir glauben Etwas, theils weil die Person, welche die Mittheilung macht, uns glaubwürdig erscheint, theils weil unser Verstand und unsere Gefühle dem Mitgetheilten nicht widersprechen, theils endlich, weil bei der Prüfung unsere Wahrnehmungen und Schlüsse mit dem Mitgetheilten in Uebereinstimmung sich befinden. Je entschiedener diese leztere erzielt wird, desto eher wird in uns das Glauben zum Wissen.

Ohne Glauben kann der Mensch nicht existiren, weder im Leben, noch in der Wissenschaft, noch in der Religion. Wir verbringen feine Stunde im Leben, ohne daß wir tausendfältige Mittheilungen auf guten Glauben annehmen, theils weil sie für uns zu unwichtig sind, um sie einer Prüfung zu unterziehen, theils weil wir hierzu keine Veranlassung und Gelegenheit haben; wir würden in der That kaum einen Schritt vorwärts kommen, sollten wir genöthigt sein Alles, was uns mitgetheilt wird, zu prüfen und zum Wissen zu bringen. Gleiches findet in der Wissenschaft statt. Selbst dem strengsten Forscher auf einem einzelnen beschränkten Gebiete ist es unmöglich, alle Thatsachen von vornherein zu prüfen, alle Ergebnisse von Neuem zu untersuchen und festzustellen; er muß vielmehr eine Menge von Daten als wahr annehmen, die von Anderen gelehrt worden, wenn sie nur seinem Verstande und seinen eigenen Wahrnehmungen nicht geradezu widersprechen, oder wenn sich die Personen, auf deren Autorität hin der Ausspruch angenommen worden, ihm als glaubwürdig anderweitig erwiesen haben. Hierzu kommt, daß viele Dinge auf dem historischen Felde gar nicht mehr geprüft, und daß die übersinnlichen ihrer Natur nach niemals zum wirklichen und völligen Wissen gebracht werden können. Darum ist es eine Täuschung, wenn man fordert oder annimmt, daß eine Religion ohne Glauben bestehe und bestehen könne, vielmehr muß auch sie, wie alle Dinge in der Menschenwelt, Glauben vorausseßen und beanspruchen.

Was wird aber hierin einen wesentlichen Unterschied ausmachen? Nichts Anders als: ob eine Religion Glauben lediglich aus der Glaubwürdigkeit heraus fordert, die sie den ursprünglichen Ueberlieferern ihrer Glaubenssäte beilegt, auch wenn diese letteren dem Berstande und den Gefühlen widersprechen und darum jeder Prüfung durch unsere Wahrnehmungen und Schlüsse sich entziehen müssen

oder ob eine Religion diese Forderungen nicht stellt, ihre Glaubenssätze dem Verstande und den Gefühlen nicht widersprechen und darum einer Prüfung sich willig unterziehen. In dem ersteren Falle wird die Religion sich im Widerspruch mit dem Verstande und dem Herzen befinden, also mit dem ganzen Wesen des Menschengeistes, und ein unbedingtes, oder wie man zu sagen pflegt, blindes Glauben erfordern. Es wird sich wohl auch finden, daß dann die einzelnen Personen innerhalb dieser Religion für sich unterscheiden, was in ihr mit ihrem Verstande und ihrem Herzen übereinstimmt, und was diesen widerspricht, jenes verwerfen und dieses annehmen.

Nach diesen Voraussetzungen prüfen wir einmal genauer, was für Glauben das Judenthum und was für Glauben das Christenthum fordert.

Die h. Schrift Israels stellt als höchste Forderung auf: „Und nun, Israel, was fordert der Ewige, dein Gott, von dir? Daß du Ehrfurcht habest vor dem Ewigen, deinem Gotte, in allen seinen Wegen wandelst, ihn liebest und ihm dienest mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele." (5. Mos. 10, 12). Hierin wird also keine Forderung des Glaubens aufgestellt, sondern die Ehrfurcht vor und die Liebe zu Gott und die Verwirklichung und Bethätigung dieser in Wort und Werk. So findet sich denn auch das Wort „Glauben“ nur wenige Male und zwar bei speciellen Verheißungen und Geschehnissen, wo hingegen „du sollst erkennen“ und „du sollst dir zu Herzen nehmen“ sehr oft vorkommt. Die h. Schrift setzt den Glauben an das Dasein Gottes voraus und beginnt daher mit den Worten: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde." Sie setzt diesen Glauben voraus, weil sie ihn bei allen Völkern und Menschen vorfand, weil er dem Verstande und Gefühle des Menschen nicht widerspricht, sondern zum eigentlichen Wesen des Menschen gehört. Die h. Schrift läßt sich also auf Beweise für das Dasein Gottes gar nicht ein, sondern ihre Aufgabe ist nur, gegenüber den Verirrungen und Verwirrungen des Heidenthums, den rechten und wahren Begriff von Gott bestimmt und ausführlich zu lehren und die daraus consequent erfließenden Gesetze der Sittlichkeit für den Einzelnen wie für die ganze Gesellschaft aufzustellen. Die h. Schrift überläßt es also der Philosophie, wie diese mit den Beweisen für das Dasein Gottes fertig wird, sie sich construirt oder nicht; sie selbst aber stellt den rechten und wahren Inhalt des Begriffes von Gott auf dem ewigen

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