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Sprechen wir unsere Ansicht daher schon hier, wenn auch nur andeutungsweise aus. Der Verfasser der englischen Abhandlung giebt selbst zu, daß das Christenthum gleich in seiner ersten Periode heidnische Elemente in sich aufgenommen. Er sagt dies wörtlich so. Wenn also das wirkliche Zudenthum diese heidnischen Elemente nicht in sich aufgenommen und wenn nothwendiger Weise jene ins Christenthum aufgenommenen heidnischen Momente auch die aus dem Judenthum herübergenommenen Wahrheiten alteriren mußten, wie sollte das Zudenthum nicht noch Vieles, nicht die intact geblie bene Wahrheit enthalten, welche dem Christenthum zu einer neuen Phase verhelfen und ihr den wesentlichen Inhalt geben wird? Dann: zur siegreichen Aufstellung einer neuen Religionsphase eine solche ist der eigentlich blos negirende Protestantismus nicht sind etliche Verstandesbegriffe oder formulirte Lehrfäße nicht genügend. Es gehört dazu eine von innen entflammte Begeisterung, ein intensiver Enthusiasmus, eine Steigerung und Durchglühung aller Geistesgaben, welche wir Gläubigen als den von Gott unmittelbar verliehenen prophetischen Geist verehren, und diese ekstatische Begabung des Geistes kann weder theoretisch noch factisch den Germanen, Romanen und Slaven, also den Völkern des Christenthums zugesprochen werden, da sie sich bei ihnen nur in untergeordneten Maßen gezeigt hat, hat sich aber wiederholt in Söhnen des jüdischen Stammes erwiesen und bethätigt. Wer dieses vorurtheilslos erwägt, kann selbst vom rationalistischen Standpunkte aus die Möglichkeit einer abermaligen derartigen Erscheinung innerhalb des jüdischen Stammes nicht verneinen. —

Doch dies nur zur Widerlegung der Kritik des Engländers. Worin aber die deutschen Juden, so weit diese sich dem neuen Entwickelungsprocesse anheimgegeben, von dem Systeme des Herrn Salvador gänzlich abweichen, ist, daß sie nicht wie dieser Autor, an der alten Symbolik festhalten, um für die aus dem Judenthume sich entwickelnde allgemeine Religion des Einig-Einzigen Gottes, der allgemeinen Liebe und des allgemeinen Rechts ein geographisches Centrum, einen sichtbaren Siz der Religion als Mittelpunkt der ganzen Welt erforderlich zu achten, sondern die jüdische Nationalität nur so weit sie mit der Religion, mit der Gotteslehre und allen ihren Consequenzen identisch ist, nothwendig und für immer bestehend glauben, die Religion des Geistes aber in der allgemeinen Ver

breitung durch das ganze Menschengeschlecht, nicht aber in dem Gebundensein an irgend eine materielle Localität finden.

Doch wir wollen uns nicht vorgreifen, und indem wir von dem englischen Kritiker achtungsvoll scheiden, können wir doch die Bemerkung nicht unterlassen, daß auch er das gewöhnliche Schicksal theilt, sich, sobald man an eine Beurtheilung des Judenthums geht, in Widersprüche und sophistische Folgerungen zu verlieren.

7. Was ist Judenthum? was Christenthum?

Nachdem wir wichtige äußere Momente, welche das Verhältniß beider Religionen und die Stellung ihrer Bekenner zu einander kennzeichnen, besprochen haben, und uns anschicken, dem Wesen jener näher zu treten - drängt sich uns und gewiß Jedem unserer Leser vor Allem die Frage auf: was ist Judenthum? und was Christenthum? oder vielmehr: was sehen wir als solches an und mit welchem Fug und Recht? Diese Frage müssen wir uns zu beantworten suchen. Denn nur allzuoft geschieht es, sei es in polemischen, sei es in apologetischen Besprechungen, daß ein jeder Theil sich ein eigenes Gebilde vom Gegenstande macht, dieses angreift oder vertheidigt, während der Gegner wieder eine ganz andere Vorstellung, einen sehr verschiedenen Begriff in's Feld bringt, wodurch dann die Verwirrung nur noch größer, das Resultat nur noch schwankender und somit die ganze Verhandlung unnüß wird. Suchen wir diesem Fehler zu entgehen.

Jeder Sachkundige wird aber die Beantwortung der aufgestellten Frage als eine überaus schwierige ansehen, die, immerfort versucht, immer neue Hindernisse bietet. Allerdings, und darum glauben wir, daß die Antwort gerade in der Schwierigkeit selbst gegeben ist.

Was ist Christenthum? Wir treffen hier auf zwei Eigenthümlichkeiten in der Geschichte des Christenthums. Die eine liegt in der außerordentlichen Zersplitterung der ganzen Masse seiner Bekenner. Von dem Augenblicke an, wo sich schon unter den Aposteln völlig verschiedene Richtungen zeigten, Richtungen, die übrigens, wie wir später ersehen werden, schon in den Aussprüchen, welche das N. T. Jesu selbst in den Mund legt, begründet erscheinen, bis auf den heutigen Tag hat das Christenthum, je mehr es sich ausdehnte,

auch desto größere Zerklüftung im Innern erfahren. Die zahlreichen Sekten der ersten Jahrhunderte bei Seite gelassen, geschah es doch frühzeitig genug, daß die große Spaltung in die griechische und römische Kirche, so den alten Zwiespalt zwischen Osten und Westen verewigend, vor sich ging, und nicht minder schied sich dann durch die Reformation der Norden vom Süden. Wenn es der katholischen Kirche da, wo sie sich herrschend erhalten, durch eine beispiellos günstige hierarchische Organisation gelang, eine compacte Einheit zu bleiben, so entstanden hingegen in der griechischen hunderte von Seften, die theils in den wesentlichsten Prinzipien, theils aber auch nur in den geringfügigsten Dingen sich widersprechen, aber mit der ausdauerndsten Hartnäckigkeit aller Gewalt gegenüber sich am Leben zu erhalten die Kraft besaßen. Wie vielen Kirchen dagegen die Reformation in den von ihr ergriffenen Ländern und Ländchen Entstehung gab, brauchen wir nur anzudeuten, und ist der Wirrwarr der Sekten hier so groß, daß nur ein ausgedehntes Studium die Kenntniß aller zu verschaffen vermag. Auch ist diese Erzeugung neuer Sekten jezt noch nicht abgestorben, wie die Unitarier, die Irvingianer, die Deutsch-Katholiken, die christliche freie Religionsgemeinde, die neuen Secten in Schweden u. A. beweisen, selbst wenn wir die Mormonen und die ganz freie Religionsgesellschaft, wie sie sich bereits an mehreren Orten von der christlich freien Gemeinde getrennt hat, als völlig vom Christenthume abgefallen, nicht hierherziehen. Hierbei ist aber nun nicht zu verkennen, daß es nicht blos vermeintliche Verschiedenheiten, nicht bloß Unterschiede in nebensächlichen Lehrsägen sind, welche die Kirchen und Sekten des Christenthums trennen, sondern daß die durchgreifendsten Widersprüche und Gegensätze sich in solchem Maße in ihnen ausprägen, daß fast jede Kirche und jede Sekte ein völlig anderes Bild vom Christenthume aufstellt, dessen ungleichartige Züge nur wenig Aehnlichkeiten verrathen. Aber auch innerhalb derselben Kirche und Sekte, namentlich so weit diese auf dem Boden der Reformation erwuchsen, erscheinen uns sehr verschiedenartige Auffassungen des Christenthums, und Niemand wird ein Zollikoffer'sches, Bretschneider'sches, Schleiermacher'sches und Hengstenberg'sches Christenthum identificiren Die zweite Eigenthümlichkeit besteht nun aber darin, daß alle diese außerordentlichen Verschiedenheiten nicht etwa in geschichtlichen, sich nach einander entwickelnden Phasen bestehen, so daß

wollen.

die eine nach der andern und aus einander entstand, blühete und überwunden wurde, sondern daß sie alle neben einander existiren, die Erscheinungen älteren Ursprunges mit zähester Lebensdauer auch in der Jehtzeit fortdauern und voraussichtlich noch eine lange Zukunft vor sich haben. Es ist dies ebenso innerlich wie äußerlich der Fall. Die römische Kirche z. B. bewahrt ihr Prinzip der unver rückbaren Stabilität noch heute wie jemals, würde, wenn die Völ ker und ihre Herrscher sich nicht entgegenbäumten, noch jezt zu der Verfassung der mächtigsten und furchtbarsten Päpste zurückgreifen und das Inquisitionsgericht wieder herstellen, und eine Zeit, in welcher das bekannte Dogma über die Mutter der Jungfrau sanktionirt und diesem Dogma öffentliche Denkmäler aufgerichtet werden konnten, muß sich an Gläubigkeit mit jeder vergangenen messen können; wohingegen die protestantische Kirche ihr Prinzip der Kritik auch heute trotz allen Anstrengungen der Pietisten unleugbar sich in ihrem Schooße erhält, wie die Kritik der biblischen Bücher erweist, die von protestantischen Forschern, ohne daß diese aus der Kirche geschieden angesehen werden, geübt wird.

Was folgt hieraus? Daß die Frage, was Christenthum sei, nicht anders beantwortet werden kann, als indem wir dem Christenthume in seine ganze Zersplitterung und Verästelung folgen und uns jedem speziellen Produkte desselben speziell gegenüber stellen. Wir haben es mit dem Christenthume des N. T., mit dem römischen, griechischen, lutherischen, reformirten, anglikanischen u. s. w. Ehristenthume zu thun, und es würde uns auch, konkret genommen, eine jede dieser Kirchen sehr verübeln, wenn wir eine derselben als den Thpus, aller andern ansehen und beurtheilen wollten. Der Weg ist dadurch ein viel weiterer und mühseligerer, aber es giebt keinen andern, um gerecht und wahr zu sein. Es versteht sich von selbst, daß es eine kleine Zahl von Dogmen giebt, welche alle Kirchen und Sekten, so lange sie noch christlich sein wollen, bekennen müssen, und die daher als das Allgemeine und Gemeinsame des Christenthums anzusehen sind; aber sobald man an das eigentliche Verständniß dieser Dogmen geht, stößt man eben auf das völlige Auseinandergehen, und dann erhalten selbst diese Dogmen ihr eigentliches Leben erst aus der weitern Verarbeitung und ihren Consequenzen.

In beiden Momenten bietet aber das Judenthum den vollen Gegensatz. Die großen Verschiedenheiten, welche das Zudenthum befaßt, sind nur die Phasen seiner Entwickelung innerhalb der beinahe vier Jahrtausende seines Bestandes, Phasen, welche sich theils nach den Gesetzen des Geistes, theils aus den geschichtlichen Vorgängen und Einwirkungen, nach- und auseinander entwickelten; und wenn in den Epochen, wo diese Entwickelungsphasen des Judenthums sich herausbildeten und nach Gestaltung rangen, mächtige Kämpfe und Parteiungen hervortraten, so hatten sie dennoch niemals eine gesonderte Ausprägung in dauernden konkreten Sekten zur Folge, sondern nach Durchfämpfung der Streitelemente verschwanden diese wieder, und die firer gewordene Phase vereinigte in sich, was sie ihrem Geiste nach von den Resultaten ihrer Parteien gebrauchen konnte. Erweisen wir dies aus der Geschichte.

Das Judenthum fand nach der Zeit des Patriarchalismus im Mosaismus eine einheitliche und konsequent in sich abgeschlossene Begründung. Der einzige Widerspruch im Aufstande des Korachs war von keiner Dauer und Folge. In dem nächsten Jahrtausend fand in Israel noch die Spaltung zwischen der Gotteslehre und dem Heidenthume Statt, aber dies war keine Spaltung in der erstern selbst. Der Kampf war ein heftiger, von großen Zuckungen begleiteter, in die erste Zerstörung und Verbannung endender, und der Prophetismus war die, den Mosaismus vielfach erweiternde Phase, welche diesen Kampf durch und zum Siege führte. Der Prophetismus ist aber in allen seinen Gliedern ein ebenso einheit licher, wie der Mosaismus selbst. Während des zweiten Bestandes begann allmählig die große Auslegung und Verarbeitung des mosaischen Gesezes, die wir jetzt die Tradition nennen, und sich als die dritte Phase, der Talmudismus, ausbildete. In dieser Periode geschah es, daß zum ersten Male verschiedenartige Auffassung und Parteiung sich zeigte, und, so lange das politische Element sich damit vermischte, auch zu äußeren, zum Theil blutigen Kämpfen führte. Zwar die verschiedenartige Auffassung in einzelnen Büchern der Hagiographen, z. B. in Koheleth, hatte keine für uns sichtbare Folge, wie auch der Tempel des Onias zu Heliopolis nur ein schwaches Abbild des jerusalemischen, eine Synagoge mit Opferdienst, nicht aber das Objekt einer Sekte war. Dagegen kann die Existenz der drei Parteien der Pharisäer, Essäer und Saduzäer nicht weg

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