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sei. Der Regent eines solchen Staates ist ein Priester, die Verwaltung geht von der Geistlichkeit aus. Recht und Gesetz sind auf den Sagungen der Kirche beruhend, unveränderlich, kanonisch. Der Staat ist hier gänzlich in die Kirche aufgegangen, und die Kirche hat sich als Staatsbehörde verweltlicht. Solch' ein Kirchenstaat existirt in Italien, in Tibet, dem Staate der Dalai Lama, und vielleicht noch hie und da. Der israelitische Staat war niemals ein Kirchenstaat; er war es principiell nicht, denn die Schrift stellt neben den Hohenpriester die weltliche Macht in den Aeltesten, einem Richter oder einem Könige auf, und nicht factisch, denn Moses schon trennte das Priesterthum von seiner Person, Iosua war kein Priester, die Aeltesten, die Richter, die Könige waren keine Priester und neben dem Priester Esra stand der Landpfleger Nehemia. Es war reiner Zufall, daß der Richter Eli, aber auch nur dieser, Hoherpriester war, und daß die Makkabäer aus priesterlichem Geschlechte stammten und daher eine Zeit lang die weltliche und priesterliche Macht in ihrer Person vereinigten. Beide Ausnahmefälle zeigten übrigens, wie schlecht sich bei dieser Vereinigung sowohl der Staat als die Religion standen. Aber auch hinsichtlich des Rechtes und des Ge sezes fand in Israel eine stets lebendige Entwickelung, ein immer reger Fluß, wenn auch auf dem festen Grunde der mosaischen Ge setzgebung statt. Die Entfaltung, die Vermannigfaltigung und Veränderung des Lebens und seiner Verhältnisse wirkten stets gestaltend auf Recht und Gesetz, auf Sitte und Brauch. Die talmudische Bearbeitung beweist dies erst recht, und die eherne Fixirung des jüdischen Rechtes trat erst ein, als es nach dem Abschluß des Talmuds, mit geringer Ausnahme, gar keinen Boden in der Wirklich keit mehr hatte.

Die Christenheit hat wenigstens für ihren römisch - katholischen Theil einen solchen Kirchenstaat producirt, während sie in ihrem griechischen Antheil nur ein starkes Priesterthum besitzt, das dem Staate untergeordnet ward, im protestantischen auch dieses aufgab. In der römisch-katholischen Welt wird nun die Unentbehrlichket des Kirchenstaates für die Unabhängigkeit der Kirche behauptet und die protestantischen Priester stimmen darin bei. Die starken Proteste der eignen Unterthanen des Kirchellstaats werden zwar als gerechtfertigt, aber nicht als rechtmäßig erklärt. Es ist nicht unsere Sache, die Richtigkeit deffen zu prüfen; der Kirchenstaat besteht noch heute

und wird durch Waffengewalt aufrecht erhalten. Das Judenthum besteht jetzt drei Jahrhunderte länger in der Zerstreuung, als es nur in Palästina bestanden hat. Mit dem Falle des Tempels hörte sein Priesterthum auf; was von seiner Priesterschaft noch conservirt worden, gleicht nur welken Blättern, welche die Pietät vom Grabe der Ahnen gepflückt und zum Andenken aufbewahrt hat. So also hat das Zudenthum, wie es niemals einen Kirchenstaat hatte, so auch schon 18 Jahrhunderte des Priesterthums und der Priesterschaft entbehrt, und besaß dabei eine Selbstständigkeit, eine innere Unabhängigkeit, eine Lebenskraft, wie keine zweite religiöse Erscheinung in der Menschenwelt, da es eben so starke Erhaltungskraft nach innen, wie Widerstandskraft nach außen bethätigte.

Wenn wir also leicht begriffen, was ein Kirchenstaat bedeutet, se ist dagegen der Begriff einer Staatskirche überaus dunkel. Staat und Kirche stehen sich namentlich auf dem Boden des Christenthums geradezu gegenüber. Die Religion befaßt das Verhältniß des Menschen zu Gott; die christliche Religion setzt sich als das Verhältniß des individuellen Menschen zu Gott und weis't allen Einfluß und alle Beziehung auf die Gemeinsamkeit der Menschen im Staate als in einem Reiche dieser Welt" von sich ab. Die Kirche als die concrete Erscheinung dieser Religion hat es daher nur mit der Gemeinsamkeit der Individuen in ihren individuellen Beziehungen zu Gott, durchaus aber nicht mit ihrer Gemeinsamkeit im Staate zu thun. Die Kirche kann daher absolut ebenso wenig Staat, wie der Staat Kirche sein; der Staat kann ebensowenig die Kirche beherrschen, wie die Kirche den Staat, da sie beide ihren Inhalt und Wesen nach ganz verschiedene und von einander getrennte Wesen sind; der Staat muß ebenso frei von der Kirche sein, wie die Kirche vom Staate; denn der Staat kann sich nicht vom Individuum und dem Individuellen beeinflussen lassen, wie hingegen der Staat kein Recht hat und auch nur eine äußerliche Macht, das Individuum in seinen Beziehungen zu Gott beeinflussen zu wollen. Was soll also eine Staatskirche heißen, da beide nur eine freie Coexistenz ihrem Wesen nach haben und haben sollen? Sie kann keine Kirche bezeichnen, die sich dem Staate unterordnet, denn dagegen würde sie selbst am heftigsten protestiren; aber ebenso wenig eine Kirche, welcher sich der Staat unterordnet, da dieser hiermit

seinen freien Bestand aufgiebt und der Kirche ein Recht verleiht, welches ihrem eignen Wesen an sich widerspricht.

Gut. Wir haben hiermit nur erwiesen, daß begrifflich das Wort „Staatskirche" eigentlich gar keine Bedeutung hat, begrifflich gar nicht existirt. Factisch aber stellt sich die Sache doch anders. Da ist, um es kurz zu sagen, die Staatskirche" eine Kirche, welche die polizeiliche, militärische und gesetzgeberische Macht des Staates in Anspruch nimmt, um entweder alle Glieder des Staates, vom Sclaven oder Leibeignen bis zum König oder Kaiser unbedingt ihrem Bekenntnisse, ihrer Sagung und ihrem Brauche zu unterwerfen, und in Unterwürfigkeit zu erhalten, oder doch, wenn einmal in dem Staate Bekenner anderer Religionen, Anhänger anderer Kirchen bestehen, die größtmöglichste Herrschaft zu üben, die bedeutendsten Vorrechte und Einkünfte zu besitzen und so viel wie möglich die Einrichtungen des Staates zu beherrschen. Solche Staatskirchen hat es allerdings gegeben und giebt es noch. In Spanien hat sie jene höchste Stufe erreicht, wenn auch gegenwärtig Andersglaubende stillschweigend in kleiner Zahl dort geduldet werden; in Rußland existirt sie, in Oesterreich so lange das Concordat noch besteht. 1) Eigenthümlich ist es, wenn diese so gezeichnete „Staatskirche“ ihre Herrschaft selbst in einem Lande behauptet, wo die große Mehrheit des Volkes einer anderen Kirche angehört, wie die anglikanische in Irland, wo in manchem Sprengel Pastor und Küster die einzigen Anglikaner sind, und doch sehr bedeutende Einkünfte ziehen. So geartet, wie diese Staatskirche“ ist, läßt es sich voraussetzen, daß, wo sie auch gefeßlich abgeschafft und die Parität aller Religionsgenossenschaften durch das Geset ausgesprochen wird, factisch dieses Verhältniß noch lange nicht eintritt, daß die frühere „Staatskirche" noch Jahrhunderte lang ihre Macht und ihren Einfluß zu conserviren und wieder zu erlangen strebt. 2) Andererseits hat die Geschichte die großen Schäden hinlänglich nachgewiesen, welche eine solche Staatskirche sowohl dem Staate als sich selbst zufügt. Denn sich selbst muß sie gezwungener Weise alle Entwickelung, Erfrischung und Verjüngung abschneiden; sie muß streben, alle Geister in ihren

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1) Die neuen confessionellen Gesetze haben diese Vorrechte der katholischen Kirche sehr vermindert.

2) Dies beweist das gegenwärtige Frankreich hinlänglich.

einmal beschriebenen Kreis zu bannen; jede geistige Regsamkeit muß sie mit dem Verlust oder der Einschränkung ihrer Macht bedrohen, und so kann sie nicht anders, als sich zur Gegnerin alles Geistes machen und ihre Macht auf Unterdrückung verwenden. Liegt schon hierin die höchste Gefährdung des Staats- und Volkslebens, so weiß man ja, daß Recht und Freiheit nicht Dinge sind, die man an einem Ende verjagen, mit Gewalt vorenthalten, am andern Ende zu fröhlichem Blühen frei geben kann. Sie sind in sich organische Wesen, denen sämmtliche Glieder absterben, wenn wesentliche Organe unterbunden und getödtet werden. Wie es also in Staaten mit "Staatskirchen“ geht, wird hieraus ersichtlich, und wie berechtigt der lange und schwere Kampf gegen die „Staatskirche“ ist.

Ein anderes ist es mit der Mehrheitskirche. Sie ist einfach die Kirche, zu welcher sich die Mehrzahl der Staatsangehörigen bekennt. Es kommt hierbei auf die geschichtliche Entwickelung, auf den historischen Boden an, aus welchem dieser Staat und diese Kirche erwachsen sind, um bei gewissen Einrichtungen des Staates mit vollem Rechte eine Berücksichtigung dieser Mehrheitskirche stattfinden zu lassen. Hat der Staat die früheren Güter der Kirche eingezogen und ihr dafür die Befriedigung ihrer Cultusbedürfnisse garantirt, so hat allerdings der Staat eine bestimmte Verpflichtung - eine Verpflichtung, die freilich, da die dazu nöthigen Gelder aus dem Geldsäckel aller Staatsunterthanen fließen, zuletzt auch eine solche gegen die anderen Religionsgenossenschaften involvirt. &s kommt nämlich hierzu, daß im Laufe der Zeit viele säcularisirte Kirchengüter, selbst wenn sie theilweise eine längere Zeit zu Schulzwecken benutzt wurden, in einigen Ländern Domänen der Familie des Souveräns wurden, und nicht in das allgemeine Staatsgut übergingen. Abgesehen hiervon ist es vorzugsweise die Feier der Ruhe- und Feiertage, welche nachder Religion der Mehrheit auf die Staatseinrichtungen einigen Einfluß üben muß. Nichts ist natürlicher, als daß in den Staaten der Christenheit der Sonntag, in denen des Islam der Freitag durch den Stillstand der Geschäfte in solchen Verwaltungszweigen, welche eine Unterbrechung gestatten, und durch die Beobachtung der öffentlichen Ruhe begangen werde. Damit ist freilich ein strenges polizeiliches Sonntagsgesetz nicht gerechtfertigt, und der Staat wird nicht das Recht haben, in das Innere der Häuser zu dringen und da die Ruhe den Individuen aufzuzwingen.

Läßt der Staat nicht blos seine eigenen, drängenden Anstalten, wie die militärischen Handwerksstätten am Sonntage arbeiten, sondern schließt auch die Fabriken nicht, welche nicht ohne große Nachtheile den Betrieb am Sonntage einstellen können, so darf er gewiß nicht den armen Handwerksmann zwingen, seine Arbeit einzustellen, wenn diese auch in nächster Nähe einiges Geräusch mit sich führt, oder dem Kaufmann verbieten, im Innern seines Geschäftslocals zu verkaufen.

Es ist einmal die Natur der Menschen, gegen Leistungen auch Rechte zu beanspruchen, und so kann es nicht in Verwunderung setzen, daß der Staat auch auf kirchlichem Gebiete, wenn er für dieses Ausgaben übernimmt, das Recht einer Einmischung und Autorität sich aneignet. Jedenfalls ist daher die Stellung der Religionsgenossenschaften, welche eine Minderheit an Bekennern besigen, viel vortheilhafter, wenn sie zum Staate in einem solchen Verhältnisse gar nicht stehen. Wenn schon überhaupt jede Religionsgemeinde, so weit sie eben nur religiöse Zwecke verfolgt, völlig frei dastehen sollte, wenn jede staatliche Einmischung in die Angelegenheiten derselben eine Beschränkung der religiösen Freiheit ist, wenn selbst die sog. Oberaufsicht des Staates über die Religionsgemeinden jeder Art, so lange sie cben nichts weiter als solche sind, ein sehr zweideutiges und zweischneidiges Recht ist, wenn daher jede Religionsgemeinde, sobald sie eine „Staatsanstalt“ wird, von ihrem höheren und eigentlichen Standpunkte herabsinkt und mehr oder weniger depravirt: so ist dies Alles für eine Minderheitsgemeinde um Vieles gefährlicher. Denn da die Staatsbehörden aus Männern anderer Confession bestehen, so sind sie gar nicht im Stande, die Angelegenheit der Minderheitsgemeinde richtig zu beurtheilen, noch dazu, wenn diese eine jüdische ist, und demnach nicht einmal auf das Verlangen nach einem richtigen Verständniß und auf eine günstige Geneigtheit in der Beurtheilung rechnen kann. Der Staat verlangt selbstverständlich von einer Religionsgemeinde, für welche er Zahlung leistet, eine äußere Organisation, die auf eine hierarchische Gliederung hinausläuft und die Unabhängigkeit der Cultusbeamten von der Gemeinde völlig involvirt; die Gemeinde wird diesen als so untergeordnet betrachten, wie die Staatsangehörigen den Beamten überhaupt. Beides sind unjüdische Situationen. Denn selbst in der Priesterschaft fand eine Gliederung nicht statt, und außer dem Hohenpriester waren alle Priester unter einander völlig gleich. In allen Fällen, die das

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