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deutsche Sprache eine unbestreitbare Thatsache. Sie haben dieselbe bis an die Ufer des schwarzen Meeres und an die Küsten des stillen Oceans mit sich getragen; wir können behaupten, daß die Juden das deutsche Element auch in den entferntesten Erdtheilen viel treuer bewahren, als die christlichen Deutschen. Christliche Reisende haben oft genug das wohlthuende Gefühl ausgesprochen, welches sie empfanden, wenn deutsche Laute auf den Straßen von Jerusalem, am Cap der guten Hoffnung, wie auf den Quai's von San Franzisco in ihr Ohr drangen, und zwar aus dem Munde jüdischer Kinder 1). Bei genauerer Beobachtung findet es sich auch, daß es nicht das deutsche Volk ist, welches solche Antipathie fühlt, hegt und bethätigt, sondern daß es besonders die deutschen Aristokraten, deutschen Literaten und sogenannten Gebildeten sind, welche sich durch Wort und That als im Besize dieser zarten Empfindungen ausgeben. Das Volk amalgamirt sich im geselligen und kommerziellen Verkehr gern mit den Juden, wenn es nur nicht von oben herab, von Feudalen und Ultramontanen aufgestachelt wird, und die Wahlen in allen deutschen Städten bezeugen, daß das Volk, wenn es gerade unter Juden tüchtige Werkzeuge findet, durchaus nicht ansteht, sie im Gemeinwesen zu verwenden. Allen diesen Thatsachen gegenüber erscheint. die Behauptung, daß dem germanischen Stamme eine besondere Antipathie gegen die Juden einwohne, völlig gemacht.

Ist aber eine solche Antipathie nicht germanisch, sondern, wenn sie vorhanden, eine allgemeine, so kann sie auch nicht eine Stammeseigenschaft sein, und wenn sie dies nicht ist, so kann sie auch keine natürliche sein. Denn es ist wohl naturgemäß, daß ein Stamm gegen einen anderen vermöge durchaus widersprechender Eigenthümlichkeiten antipathisch gestimmt sei, aber ein solches Gefühl aller Stämme liegt außerhalb der Natur. Was aber ist sie dann? Nichts anderes, als eine geschichtlich gewordene, eine anerzogene und absichtlich und künstlich genährte; und als solche erweist sich auch die Antipathie gegen die Juden. Hervorgewachsen ist sie aus dem religiösen Antagonismus des Christenthums und Judenthums, in

1) Wir nennen z. B. Titus Tobler, Gerstäcker, der freilich weniger davon angenehm berührt sich zeigt. Vor Jahrzehnten gab es noch ungarische Dörfer, in denen die Juden am Werkeltage ungarisch, am Sabbath aber deutsch sprachen, als sei dies eine heiligere Sprache. Jezt wird dies wohl anders sein.

welchen sich insonders das Christenthum nach der ersten Periode seines Aufblühens gegen das Judenthum versezte, und in dem die Träger desselben, die geistliche Macht und auf deren Aufforderung auch die weltliche Macht, die Juden aus allen Lebenssphären entfernten und aus der Gesellschaft ausschlossen. Es versteht sich, daß, so gezwungen, eine abgesonderte Körperschaft, die zugleich auf's Schwerste gedrückt und auf's Tiefste verachtet wurde, zu bilden, die Juden auch ihrerseits durch das Versenken in einen abgeschlossenen geistigen Kreis und in einen Komplex absondernder Sitten und Bräuche der nun bereits angeschwollenen Antipathie Nahrung gaben. Was aber geschichtlich geworden, das kann und muß auch geschichtlich vergehen, kann und muß wieder beseitigt werden. Vergebens wird man sich daher auf eine solche Antipathie den Juden des neunzehnten Jahrhunderts gegenüber berufen wollen, da es unwahr ist, sich dabei auf ein natürliches Gefühl zu stüßen, während nur ein geschichtliches Vorurtheil zu Grunde liegt. Es ist vielmehr die Pflicht der Kultur, alle solche Vorurtheile und Wahngebilde zu überwinden und auszurotten. Viel mehr als diese Antipathie gegen die Juden hat die Gespensterfurcht, der Glaube an Herereien einen natürlichen Grund im Menschen, und die Kultur hat nicht angestanden, diese mächtigen Irrthümer zu besiegen und zu vertilgen, als eine ihrer Aufgaben anzusehen. Wenn daher die Juden des neunzehnten Jahrhunderts ihrerseits Alles gethan haben und thun, ohne ihre religiöse Ueberzeugung aufzugeben, was ihrerseits die Absonderung und Ausschließung trägt und befördert, abzulegen, in ihrer Erscheinung, Sprache und Sitte sich dem nationalen Leben und der europäischen Gesittung anzuschließen, so haben sie das vollkommene Recht zu fordern, daß von der gegnerischen Seite jede Antipathie aufgegeben werde, und die Berufung darauf mit der Berufung auf eine das Unrecht deckende Gewalt für gleich bedeutend zu erklären. Wir wissen nur zu gut, daß jene Antipathie von vielen christlichen Eltern, von Lehrern in der Schule, von Geistlichen auf der Kanzel immerført wieder eingeimpft und systematisch genährt wird. Man höre aber auf, diese künstliche, häßliche Pflanze für eine natürliche und ursprüngliche auszugeben. Der Vorwurf, den religiösen Antagonismus aus dem Reiche der Idee auf den realsten und materiellsten Boden bis zu einer täglichen Praxis versezt zu haben, fällt somit auf unsere gegnerische Seite, und wenn wir späterhin auf die

Unterscheidung zwischen dem ideellen und faktischen Christenthume kommen werden, so haben wir uns doch hier nur an das letztere zu halten, da es sich um die traurigsten und bittersten Fakten handelt.

Sehr oft wird der Spieß noch obendrein umgekehrt, und der gedachte Antagonismus dem Judenthume in die Schuhe geschoben; man sagt, das Fudenthum hege den Geist jenes so sehr, daß er von christlicher Seite folgerichtig sei, daß man ihm daher nur von vornherein entgegengetreten sei, daß es dem Judenthume nur an materieller Macht gefehlt habe, um ihn seinerseits zu üben. Wir halten dies für eine Verspottung. So lange einem Unterdrückten niemals die Gelegenheit geboten war, Unterdrückung auszuüben, so lange hat der Unterdrücker nicht das Recht zu sagen, daß er nur ein präjumtives Vergeltungsrecht übe. Hatten die Franzosen, als sie Deutschland geknechtet, das Recht, ihre übermüthige Herrschaft damit zu rechtfertigen, daß sie behauptet hätten, die Deutschen würden ihrerseits ebenso gegen die Franzosen verfahren sein, da die Geschichte dies mit keiner Thatsache belegt und hinterbrein die Deutjchen 1814 und 1815 als Sieger in Frankreich kein Vergeltungsrecht sich zu Schulden kommen ließen? Wie könnte dies also eine unermeßliche Mehrheit einem kleinen Häuflein gegenüber behaupten wollen? Wir läugnen also das Vorhandensein einer natürlichen Abneigung, sondern glauben erwiesen zu haben, daß diese nur eine geschichtlich gewordene, von wahrer Religion und Kultur verworfene ist, die nur mit künstlichen Mitteln fernerhin erhalten wird, und deren Existenz daher jezt mehr als je der gegnerischen Seite, sei sie ideelle Lehre oder konkrete Kirche, zum Vorwurfe gereicht.

Wenn man nun von der intensiven Sympathie der Juden unter einander spricht, so erkennen wir diese innerhalb gewisser Grenzen als eine berechtigte, andererseits als eine bei Weitem überschätzte an. Es liegt in der Natur jeder Gemeinsamkeit, auch ein gemeinsames Interesse zu wecken und zu pflegen. Die Gemeinjamkeit des Vaterlandes, der Vaterstadt, der Gemeinde, der Beschäftigung, der Familie ruft unter den Gliedern dieser Verbände ein besonderes Interesse hervor, und Niemand findet daran Anstoß. Wie sollte nicht die Gemeinsamkeit der Religion auch ein solches mit sich bringen? wer verargt es den Katholiken, den Protestanten, den Herrnhutern u. f. w. ein besonderes, auch in Werk und That

sich fund gebendes Interesse für die Mitglieder ihrer Kirche oder Sekte zu hegen? Wohlverstanden, sobald es nicht zu einer Beein trächtigung Andersgläubiger, zur Verlezurg der allgemeinen Menschenpflichten, zur Schädigung dessen, was wir dem Staat und der Kommune schuldig sind, ausartet. Wie sollten daher nicht die Juden sympathisch unter einander gestimmt sein, bei denen zur Gemeinschaft der religiösen Ueberzeugung sich noch die Stammesverwandtschaft, die Wirkung einer tausendjährigen Bedrückungsgeschichte und eine von der Welt noch immer festgehaltene gewisse Solidarität gesellten? Tausend Fälle giebt es, in welchen sich die Juden zurückgewiesen sehen von anderen Kreisen, von anderen Mitteln und Hülfsquellen, und sich so von selbst ihr Anspruch an ihre Glaubensgenossen und ihre Zuflucht bei diesen einstellen muß. Wo man aber in Gesellschaft und Noth auf eine bestimmte Anwartschaft beschränkt wird, da ergiebt sich innerlich und äußerlich auch die Pflicht und der Drang, diesem Anspruch vorzugsweise zu genügen. So natürlich und gerechtfertigt dies also auch ist, so übertreibt man doch gewöhnlich die Meinung von der Sympathie unter den Juden. Wir legen durchaus keinen Accent auf die anerkannte Uebung der Wohlthätigkeit seitens der Juden gegen Andersglaubende, auf ihre notorische Theilnahme an allen allgemeinen Kundgebungen des Gemeinsinns und der Barmherzigkeit – aber jedenfalls liegt doch darin der Beweis, daß ihr Interesse und ihre Sympathie sich nicht durchaus auf ihre Glaubensgenossen beschränkt. Wir können sogar mehrere wohlthätige Stiftungen nennen, die den statutarischen Artikel besigen, im Falle der Gleichstellung der Juden die beschränkende Bedingung sofort aufzuheben, und den Genossen aller Konfessionen gleiche Ansprüche zu gewähren, wie dies z. B. auch schon mit der Salomon Heineschen Alterversorgungsstiftung in Hamburg geschehen ist. Sobald man aber aus dem Kreise der Wohlthätigkeit und etwa noch der Geselligkeit herausschreitet, so irrt man gänzlich, wenn man noch von jener Sympathie spricht. Im Handel und Verkehr, überall wo es das Mein und Dein gilt, irrt man durchaus, wenn man auf eine solche rechnet. Da walten die ganz gewöhnlichen Leidenschaften, die Konkurrenz und Rivalität, die Habgier und der Neid unter ihnen ganz wie unter allen Menschenkindern vor, und der jüdische Gläubiger verfolgt den jüdischen Schuldner nicht im Geringsten weniger, als den christlichen. Der jüdische Verkäufer

behandelt den jüdischen Käufer ganz in derselben Weise wie den christlichen. Noch lächerlicher ist es, von einer Verbindung kommerzieller oder irgend gewerblicher Art, von einer Koterie oder Kameraderie unter den Juden zu schwaßen. Eine solche besteht nirgends und existirt nur als ein Hirngespinnst in verschrobenen Köpfen, welche die Wirklichkeit nicht kennen. --- Ja, wer diese Wirklichkeit kennt, den wird es nicht überraschen, wenn wir sagen, daß neben. der von uns zugestandenen, aber beschränkten Sympathie der Juden unter einander auch eine gewisse Art Antipathie in ihnen vorhanden ist. Als erst den Juden selbst die Verachtung zum Bewußtsein kam, in welcher sie so viele Jahrhunderte gelebt, und die Geschmacklosigkeit ihnen zum Gefühle drang, in welche sie vielfach versunken, da sie überhaupt die Fehler und Mängel an ihren Glaubensgenossen selbst am ehesten kennen, fand sich bei sehr vielen Individuen eine gewisse Antipathie von Juden gegen Juden ein, um so mehr, da es die allgemeine Menschenschwäche ist, den Splitter in des Nachbarn Auge zu sehen, den Balken in dem eignen nicht. Der Einzelne glaubt sich von jenen Fehlern frei, die er an den anderen zu bemerken meint. Die Zahl der Juden, die nach nichts mehr als nach christlichem Umgange streben, ist sehr groß, die Menge derer, welche jede Berührung mit ihren Glaubensgenossen scheuen und die in wegwerfendem Tone über sie sprechen, ist nicht gering, und es giebt deren schon genug, welche den hülfesuchenden Juden von der Thüre weisen, während sie dem Christen, der sie anspricht, eine offene Hand bieten. Wir müssen dies an dieser Stelle allerdings scharf betonen, um den Gegnern zu zeigen, welcher Unwahrheit sie sich schuldig machen, wenn sie gegen das feste Zusammenhalten der Juden losdonnern. Es ist nicht so, wenigstens jetzt nicht mehr so, ja jene Sympathie zeigt sich öfters nicht einmal mehr so stark, wie sie von Rechtswegen vor Gott und Menschen sein müßte.

5. Kirchenstaat; Staatskirche; Mehrheitskirche;
Minderheitskirche.

Wir begreifen sehr wohl was Kirchenstaat heißt. Es ist ein Staat, der einer Kirche gehört, ein Staat, der als solcher nichts bedeutet, sondern wie ein Ding, ein Stück Land, ein Rittergut, einer Kirche gehört, auf welche Weise sie auch zu diesem Besize gekommen

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