Obrazy na stronie
PDF
ePub

er im emsigsten Fleiße alle seine Mittel anstrengen mußte, um die Hindernisse zu überwinden; während so manches Talent, ja Genie zu Grunde ging, weil ihm Alles zu leicht und allzusehr entgegengetragen wurde. Hat man ja doch hervorgehoben, daß gerade den deutschen Juden die von ihnen vor ihren sonstigen Glaubensgenossen bewährte Tüchtigkeit dadurch geworden ist, daß sie um ihre bürgerliche Gleichstellung, um ihre Geltung in Leben und Gesellschaft Schritt vor Schritt kämpfen mußten und noch müssen.

Aber wie? Wenden wir das Blatt um. Sagen wir, daß es der höhere Beruf des jüdischen Stammes war und ist, die Ueberzeugungstreue in unerschütterlicher Weise zu bethätigen, in der Mitte der Völker, des ganzen Menschengeschlechtes vorzugsweise darzuthun, daß die Ueberzeugung das höchste Gut des Menschengeistes sei, welchem alle anderen Verhältnisse und Thätigkeiten untergeordnet werden müssen; sagen wir, der jüdische Stamm sei berufen, daß an ihm ganz besonders das Recht der Gewissens- und Glaubensfreiheit innerhalb der staatlichen Gesellschaften geweckt, geprüft, befestigt und zum Siege gebracht werde, daß er hierfür das Erziehungsmittel der Vorsehung gewesen und sei - wer will diesem widersprechen? Und verschwindet vor diesem hohen Berufe nicht jede Klage über den gesammten Lebensberuf dieses oder jenes Individuumts? geht nicht die Pflicht einer speziellen Lebensthätigkeit in diese höchste und allgemeinste Pflicht auf? hat dann nicht das Christenthum selbst dem Judenthume und dem jüdischen Stamme dafür den wärmsten Dank zu hegen? muß nicht das Christenthum selbst eingestehen, daß sich die Juden um dasselbe hoch verdient gemacht, indem sie das Werkzeug wurden, um es, das Christenthum, von dem Unrecht der gewaltthätigen Ausschließung auf dem Boden des bürgerlichen Lebens zu befreien? In der That, so ist es.

Doch wir haben dieses Thema noch von einer andern Seite zu betrachten. In der neueren Zeit wurde von der Reaction, die sich wegen der Anstellung von Juden in Staatsämtern der besten Argumente beraubt sah, zu dem Motiv Zuflucht genommen, daß das jüdische Gesetz es dem Juden unmöglich mache, ohne verlegt zu werden, die Pflicht als Beamter zu erfüllen daß nämlich der Jude am Sabbath und an Festtagen die Arbeiten seines Amtes nicht vollführen dürfe. Diese zarte Fürsorge für das Judenthum und das Gewissen des einzelnen Juden erscheint von vorn herein ver

dächtig, da dieselbe nicht einmal von den verschiedenen christlichen Confessionen unter einander geübt wird, und z. B. in Preußen der Beamte, wie der Post- und Steuerbeamte, gezwungen ist, am Sonntage zu arbeiten, und dem katholischen Beamten nicht gestattet ist, an katholischen Festen, die nicht mit den staatlich anerkannten, auch von der protestantischen Kirche gefeierten Festtagen zusammenfallen, seines Amtes nicht zu pflegen. Der Anspruch auf Staatsämter ist ein Recht jedes Staatsbürgers, sobald er die gesetzlichen Bedingungen der Befähigung erfüllt hat, und es kann der Staat aus anderen Gründen als dem der bürgerlichen Pflichtwidrigkeit dieses Recht weder absprechen noch verkürzen. Am wenigsten aber aus religiösen, oder gar nur aus religiös-ceremonialen Rücksichten. Der Staat darf und kann die religiösen Ansichten der Christen, die Beamte sind oder werden wollen, nicht untersuchen, und es giebt sicherlich nicht wenige unter den Beamten aller Staaten, welche dem krassesten Materialismus huldigen, dem entschiedensten Atheis mus angehören, ohne daß man sie aus dem Amte entfernen, oder von vorn herein ausschließen könnte. Eben so wenig darf der Staat über seine Beamten eine Censur, wie weit sie den kirchlichen Ceremonialien obliegen, wie oft sie die Kirche besuchen, das Abendmahl nehmen 2c. ausüben. Versucht dies eine reactionäre Partei, so wird es allgemein perhorrescirt, und zwar schon deshalb, weil dies Verfahren nur zur Heuchelei und wahren Religionsschänderei führt, da diese Kirchlichkeit bei vielen Individuen nur um des Vortheiles willen geübt und zur Schau getragen wird, und die Erfahrung aller Zeiten gelehrt hat, daß die Frömmelei öfter der Deckmantel des verwerflichsten Thuns, der abscheulichsten Gesinnung ist. Ja, die Wirklichkeit geht noch weiter: der Staat kann nicht einmal den sittlichen Lebenswandel seiner Beamten in Betracht ziehen, so weit dieser sein Privatleben betrifft, sondern muß sich beschränken, die Tüchtigkeit und Amtsgewissenhaftigkeit des Staatsdieners allein zu erwägen, Eigenschaften, die mit der Sittlichkeit in untrennbarer Verbindung nicht stehen. Darf und kann aber der Staat die religiöse Gesinnung und das kirchliche Gebahren selbst betreffs der Religion, welcher die bei Weitem überwiegende Mehrheit angehört, hinsichtlich der Anstellung nicht berücksichtigen, so hat er noch weniger Recht und Gelegenheit, dies für Bekenner einer anderen Religion zu thun. Er hat es dem Judenthume zu über

lassen, in sich selbst die Frage, wie weit ein Staatsamt mit dem Sabbathgeseze vereinbar sei, zu entscheiden; er hat es, selbst im negirenden Falle, dem Gewissen des einzelnen Juden zu überlassen, sich hiermit auszugleichen. Der Staat hat kein weiteres Recht, als die Bedingung zu stellen, daß der Beamte die ihm gestellten Obliegenheiten getreulich erfülle, wobei ihm schon die allgemeine Erscheinung zur Beruhigung dienen muß, daß zu keiner geschichtlichen Zeit die Juden, wenn sie zu Staatsämtern zugelassen wurden, diese aus religiösen Bedenken zurückwiesen, und daß die römischen Kaiser, nachdem sie Christen geworden, die Juden aus den Staatsämtern entfernten, nicht aus jüdisch-religösen Gründen, sondern aus vermeintlichen christlich - religiösen Motiven, wie dies deren noch vorhandene Geseznovellen hinlänglich beweisen.

Nicht minder wurde und wird von derselben Seite gegen die Anstellung von Juden im Staatsdienste der Grund ausgesprochen, daß dadurch der Staat entchristlicht werde. Wir können die Widerlegung dieses Arguments den vielen Christen überlassen, welche sich z. B. im englischen Parlament hiergegen aussprachen, und von denen viele strenggläubige Anhänger des Christenthums waren. Wir heben nur in der Kürze hervor, daß das Christenthum, genau genommen, nicht einmal eine sociale Religion ist und sein will, worauf wir später zurückkommend näher eingehen werden, am wenigsten aber eine staatliche, da es auch nicht im Entferntesten irgend eine staatliche Verfassung bedingt. Im geschichtlichen Verlaufe hat es sogar nicht einmal sittliche Grundsäge für den Staat aufgestellt, sondern stets nur die Sittlichkeit der Individuen unter Regel und Forderung gebracht. Wenn dagegen gewisse Staatseinrichtungen, 3. B. die Sonntagsfeier, nach den Vorschriften der christlichen Kirche getroffen sind, so werden diese durch die Anstellung jüdischer Beamten durchaus nicht alterirt und hängen überhaupt vom Gefeße ab, das lediglich von den Beschlüssen der gesetzgebenden Faktoren ausgeht. Wie also die verschwindende Minderheit einiger jüdischen Staatsbeamten auf den Staat, soweit er mit dem Christenthum in Berührung steht, influiren und diese Verbindung zerreißen sollte, ist gar nicht abzusehen. Der Vorwurf, daß der Staat dadurch atheistisch werde, kann nur Kurzsichtige blenden. Nicht einmal religionslos wird er dadurch. Die wahre und einzige Religion des Staates besteht darin, daß der Staat jedes begründete Recht an

erkenne und bethätige, und soweit und so lange er dies thut, ist er ein wirklich religiöser, welchen kirchlichen Namen man ihm sonst auch anhänge. Selbst wenn er nur Anhänger einer einzigen bestimmten Kirche befaßt, ist er religionswidrig, wenn er die kirchliche Anschauung und das kirchliche Gebahren der Individuen unter sein Regime zu ziehen sich anmaßt. Sind in ihm aber die Bekenner verschiedener Religionen und Confessionen vorhanden, so handelt er wiederum religionswidrig, wenn er, so verschieden auch die Zahl der Bekenner jener sein mag, das Recht dieser einzelnen Gruppen in bürgerlicher Beziehung nicht als ein gleiches anerkennt, sondern verschieden abmißt und beschränkt. Der religiöse Staat ist also gerade das Gegentheil von dem, was die blinden Anhänger einer Kirche an ihm für religiös ausgeben, und seine Religiosität bethätigt sich in dem, was jene religionslos oder gar atheistisch nennen.

In der That ist demnach die Befürchtung, daß dem Juden eine lebensberufliche Wirksamkeit abgeschnitten oder nur verkümmert sei, immer mehr im Verschwinden, und der gewissenhafte Jude wird schon als Mensch sich verpflichtet fühlen, feiner Ueberzeugung unter allen Umständen treu zu bleiben, damit das noch nicht völlig erreichte Ziel ganz erreicht werde.

4. Antipathie und Sympathie.

Wenn die Gegner der Juden und des Judenthums nicht mehr wissen, mit welchen Gründen sie ihre gehässige Handlungsweise motiviren können, so nehmen sie ihre Zuflucht zu einer vermeintlichen angeborenen Antipathie gegen die Juden, die sie namentlich den germanischen Stämmen als einwohnend ausgeben, und welche sie andererseits durch eine unverwüstliche und thatkräftige Sympathie der Juden für einander zu rechtfertigen suchen. Sehen wir diesen Dingen etwas schärfer in's Auge. Antipathie und Shmpathie sollen Gefühle der Abstoßung und der Anziehung sein, die unmittelbar aus den Tiefen des Gemüthes entspringen, die innerste Natur des Menschen beherrschen, und für welche daher der Inhaber unverantwortlich sei.

Sehen wir nun die Existenz solcher Gefühle voraus, so frägt es sich zunächst, ob in der That eine Antipathie gegen die Juden. bei den germanischen Stämmen ausschließlich zu finden sei, so daß

dieselbe einen Stammescharakter an sich trage. Die Geschichte lehrt: uns, daß die romanischen Stämme nicht minder, wenn nicht noch viel energischer eine solche Antipathie bethätigten. Die römischen Kaiser, die Christen geworden und die ersten waren, welche die Ausschließung und Erniedrigung der Juden, denen als Menschen und Bürgern sie in ihren Gesetzesnovellen großes Lob ertheilen 1), in's Werk setten, die Mitglieder der Concilien, welche die gesellschaftliche Trennung der Christen von den Juden beschlossen, die Päpste, die in ihren Dekreten die schimpflichste Behandlung der Juden befahlen, die Fürsten, welche die Vertreibung der Juden aus Spanien und Portugal auf immer, aus Frankreich wiederholt auf Zeit verordneten, waren sicher keine Germanen, und wenn auch blutige Verfolgungen in Deutschland oft genug Plaz griffen, so war dennoch Deutschland für die Juden eine weite offene Wohnstätte, in welcher sie nach Zeit und Umständen eine verhältnißmäßig gute Behandlung erfuhren. Es ist sicher, daß gerade in Deutschland die Juden vor dem Beginne der Kreuzzüge in bürgerlicher Beziehung. wohl gelitten waren, und von den Communen vielfach gern gesehen und in ihren Schooß aufgenommen wurden. Andererseits war und ist die Anhänglichkeit der Juden an deutsches Wesen und

1) Als 418 die Kaiser Honorius und Theodosius die Juden vom Kriegsdienste ausschlossen, sagen sie (Cod. Theod. Tit. VIII., Lex 24): „ohne Berücksichtigung alter Verdienste“ sollen alle Juden, die den Waffendienstleisten, sofort entlassen werden. Jedoch soll den wissenschaftlich gebildeten Juden die Erlaubniß der Advokatur, auch die Ehre der Kurialämter zu genießen verbleiben, welches sie nach dem Prärogativ der Geburt und dem Glanze der Familie erlangen (praerogativa natalium et splendore familiae sortiuntur). In der letzten Novelle, in welcher die Kaiser Theodosius und Valentinian das grausame Werk des Fanatismus vollendeten, gegeben den 31. Jan. 439 (Legum Novellarum lib. Tit. III.) heißt es: „Wer von den Juden in diesem Augenblicke die Ehrenzeichen eines Amtes schon angenommen, soll der erlangten Würde nicht mächtig sein; wer zu einer Ehrenstelle gekommen ist, soll wie vorher unter den Pöbel gerechnet werden, wenn er auch die ehrenvolle Würde verdient hat". — So tief war aber das Bürgerrecht der Juden im römischen Reiche gewurzelt, daß es immer wiederholter Erlasse, 124 Jahre (von 315–439) bedurfte, um das Werk der Intoleranz zu vollenden. Indeß die Weltgeschichte ist das Weltgericht, und schon 37 Jahre nach dem Erlaffe der letzten Novelle fiel das weströmische Reich in Trümmer. (S. unsre Schrift: Wie verloren die Juden das Bürgerrecht im west- und oströmischen Reiche? Berlin 1832. Ifraelitisches Predigt- und Schulmagazin, II. Aufl. Leipzig 1854.)

« PoprzedniaDalej »