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fräftig und originell bewiesen haben, und die selbst in Holland schon im siebzehnten Jahrhundert in Spinoza der modernen Philosophie einen ihrer genialsten Schöpfer gegeben hatte. Geradezu verneinen müssen wir aber die Behauptung, daß auch inhaltlich das Judenthum des 19. Jahrhunderts vom Christenthume irgend etwas ent= lehnt habe. Schärfer als je hat sich dieses Judenthum unserer Zeit als den dogmatischen Gegensatz zur kirchlichen Dogmatik hingestellt; 1) in sittlicher Beziehung können wir nachweisen, daß die jüdische Literatur des Mittelalters an ethischer Reinheit und Höhe Schriften hervorgebracht, welche, weit erhaben über die Sittenlehren der anderen Religionen jener Zeit, sich kühn mit der edelsten Ethik der neueren Zeit messen können; 2) in sozialer Hinsicht endlich ist auch schon das älteste Judenthum noch immer selbst unserer Zeit weit voran.

1) Wir erinnern, daß dies in früherer Zeit nicht immer der Fall war, und daß die Kabbalah öfter eine bedeutende Annäherung z. B. an die christlichen Trinität zeigt.

2) Um nur einen Beweis zu geben, stellen wie hier die Uebersetzung eines täglichen Gebetes eines Arztes vor dem Besuche seiner Kranken" aus einer hebräischen Handschrift des zwölften Jahrhunderts her.

Allgütiger! du hast des Menschen Leib voller Weisheit gebildet. Zehntausend Mal zehntausend Werkzeuge hast du in ihm vereinigt, die unablässig thätig sind, das schöne Ganze, die Hülle der Unsterblichen, in Harmonie zu erhalten. Immerdar sind sie beschäftigt voller Ordnung, Uebereinstimmung und Eintracht. Sobald aber die Gebrechlichkeit des Stoffes oder die Zügellosigkeit der Leidenschaften diese Ordnung stört, diese Eintracht unterbricht, so gerathen die Kräfte in einen Widerstreit und der Leib zerfällt in seinen Urstaub. Dann sendest du dem Menschen die wohlthätigen Boten, die Krankheiten, die ihm die nahende Gefahr verkünden und ihn antreiben, sie von sich abzuwenden.

Deine Erde, deine Ströme, deine Berge hast du mit heilsamen Stoffen gesegnet; fie vermögen deiner Geschöpfe Leiden zu mildern und ihre Gebrechen zu heilen.

Und dem Menschen hast du Weisheit verliehen, des Menschen Leid zu lösen, die Ordnung und Unordnung deffelben zu erkennen, jene Stoffe aus ihren Vehältnissen hervorzuholen, ihre Kräfte zu erforschen und sie einem jeden Uebel gemäß zuzubereiten und anzuwenden.

Auch mich hat deine ewige Vorsicht erkoren, zu wachen über Leben und Gesundheit deiner Geschöpfe. Ich schicke mich jetzt an zu meinem Berufe. Stehe mir bei, Allgütiger, in diesem großen Geschäfte, daß es fromme, denn ohne deinen Beistand frommt dem Menschen ja auch das Kleinste nicht.

Laß mich beseelen die Liebe zur Kunst und zu deinen Geschöpfen. Gieb es nicht zu, daß Durst nach Gewinn, Haschen nach Ruhm oder Ansehn sich in meinen

Dies zur Beleuchtung des äußerlichen Verhältnisses zwischen Judenthum und Christenthum. Das Judenthum zeigt vielmehr die

Betrieb mische, denn diese sind der Wahrheit und der Menschenliebe feind und fie könnten mich irre leiten in dem großen Geschäfte, das Wohl deiner Geschöpfe zu befördern.

Erhalte die Kräfte meines Körpers und meiner Seele, daß unverdrossen sie immerdar bereit seien zu helfen und beizustehen dem Reichen und dem Armen, dem Guten und dem Bösen, dem Feinde wie dem Freunde. Laß im Leidenden stets mich nur den Menschen sehn.

Erleuchte meinen Verstand, daß er das Gegenwärtige fasse und das Abwesende und Verborgene richtig vermuthe. Laß ihn nicht sinken, daß er das Sichtbare nicht verkenne, aber auch sich nicht überschäße, er könnte sonst sehen was nicht zu sehen. Denn fein und unmerklich ist die Grenze in der große Kunst, deiner Geschöpfe Leben und Gesundheit zu warten.

Laß meinen Geist stets sich gegenwärtig sein. Am Bette des Kranken mögen keine fremden Dinge seine Acht ihm rauben, in seinen stillen Arbeiten nichts ihn stören, denn groß und heilig sind die Forschungen, deiner Geschöpfe Leben und Gesundheit zu erhalten.

Verleihe meinen Kranken Zutrauen zu mir und zu meiner Kunst, und Befolgung meiner Vorschriften und Weisungen. Verbanne von ihrem Lager alle Quacksalber und das Heer rathgebender Verwandten und überweiser Wärterinnen, denn es ist ein grausames Volk, das aus Eitelkeit die besten Absichten der Kunst vereitelt und deine Geschöpfe oft dem Tode zuführt.

Wenn weisere Künstler mich bessern und belehren wollen, laß meinen Geist dankbar und folgsam sein; das Gebiet der Kunst ist groß. Wenn aber eingebildete Narren mich tadeln, so laß Kunstliebe ganz ihn stählen, daß er ohne Rücksicht auf Alter, Ruhm und Ansehn auf der Wahrheit beharre, denn Nachgeben wäre hier Tod und Krankheit deiner Geschöpfe.

Verleihe meinem Geiste Sanftmuth und Ruhe, wenn ältere Genossen, stolz auf die Zahl der Jahre mich verdrängen, mich höhnen und höhnend mich beffern wollen. Laß auch dies mir zum Vortheil gereichen, denn sie wissen mancherlei, was mir fremd ist, aber ihren Dünkel laß mich nicht kränken; sie sind alt und das Alter ist nicht der Leidenschaften Meister hoffe doch auch ich alt zu werden auf Erden

vor dir, Allgütiger!

Schenke mir in allem Genügsamkeit, nur nicht in der großen Kunst. Laß nie den Gedanken in mir erwachen, du haft des Wissens genug, sondern verleihe mir Kräfte, Muße und Trieb, meine Kenntnisse immerdar zu erweitern und neue mir zu erwerben! Die Kunst ist groß, aber auch der Menschen Verstand dringt immer weiter.

Allgütiger! du haft in deiner Gnade mich erkoren zu wachen über Leben und Tod deiner Geschöpfe. Ich schicke mich jetzt an zu meinem Berufe. Stehe mir bei in diesem großen Geschäfte, daß es fromme, denn ohne deinen Beistand frommt dem Menschen ja auch das Kleinste nicht.

merkwürdige Erscheinung, daß, ohne die Einwirkung der ihm zur Seite stehenden großen religiösen Produkte der Menschheit von Zeit zu Zeit auf dasselbe zu leugnen, es dennoch wie keine andere Erscheinung in seiner Ursprünglichkeit, Originalität und Selbständigkeit mit großer Kraft und Eigenthümlichkeit verblieben ist, und dagegen auf die übrige Menschenwelt in stärkster Weise agirt hat.

3. Die Wirksamkeit.

Wenn also, wie wir nachgewiesen, die Majorität auf dem Gebiete der Ueberzeugung durchaus kein Gewicht hat, wenn ferner es unzweifelhaft ist, daß das Judenthum bei all' seiner Ursprünglichkeit und Selbständigkeit dem Kulturleben weder an sich, noch für seine Bekenner irgend welches Hinderniß bietet, und sich pieses faktisch, wie schon in früheren Perioden, so auch in der Neuzeit auf glänzende Weise bethätigt hat, so wird sich auch ein dritter äußerlicher Einwand wie von selbst aufheben, nämlich, daß dem einzelnen Juden für seine Wirksamkeit in mehrfachen Lebensberufen große Schwierigkeit und Beschränkung sich entgegenstellen, die nur durch seinen Uebertritt zum Christenthume behoben werden. Daß wir noch immer diesem Umstande manchen herben Verlust sonst tüchtiger Persönlichkeiten zu verdanken haben, läßt sich nicht verkennen. So Mancher, dem eine gewisse Carrière verschlossen war, hat sich dadurch bewegen lassen, zur Kirche überzutreten. Es ist nicht unsre Sache, an das Gewissen solcher Personen zu appelliren, und sie zu befragen, wie sie dies mit der Wahrhaftigkeit vor sich selbst, vor den Menschen und vor Gott vereinigen können? Diese Frage ist Gottes und ihres eigenen Gewissens Sache. Wir haben hier den Gegenstand nur objektiv zu erörtern.

Mit dem tiefsten Bedauern muß jeder Menschenfreund aus diesem Gesichtspunkte auf das Jahrtausend zurückblicken, während dessen der jüdische Stamm mit aller Gewalt von aller Theilnahme am allgemeinen Leben und von den meisten Lebensbahnen ausgeschlossen war, und er wird eingestehen, daß, wenn nicht die Religion, doch deren Leiter und Träger, welche eine solche Ausschließung verlangten und durchseßten, an den Geschlechtern dieses Stammes und an der ganzen Menschheit ein großes Unrecht übten und schweren Tadel verdienen. Wie viele Geisteskräfte sind hierdurch der Mensch

heit verloren gegangen, wie viel Genie und Talent erstickt oder auf wenig nuglose Weise verwendet worden: ja, es kann fraglich sein, ob alle blutigen Religionsverfolgungen eine dunklere Seite der Geschichte bilden, als diese Unterbrückung der freien beruflichen Wirksamkeit für zahllose Geschlechter! Diese Ausschließung war eine so vollständige und lang dauernde, daß den Juden selbst das Bewußtsein derselben abhanden kam, und sie darin nur ein unabwendbares, ihnen auferlegtes Geschick sahen, und der Gedanke, daß es anders sein könnte, ihnen ganz fern lag. Die Zeiten änderten sich. Die bürgerliche Gleichstellung der Juden, die Eröffnung aller Lebensbahnen für sie wurde von Christ und Jude gefordert. Aber sie wurde ihnen noch lange verweigert, und ist noch jetzt in vielen Ländern nur theilweise zugestanden. Und wo der Buchstabe des Gesetzes ihnen günstig ist, kehren das Leben und die Staatsver waltung ihnen noch oft den Rücken zu. Da erst konnte für sie die Frage erstehen, über welche wir jezt sprechen.

Es ist aber ein Glück, daß nur mit der wachsenden Befähigung stets zugleich das Verlangen nach Wirksamkeit in den verschiedenen Lebensberufen erwacht und wächst, und dieses Verlangen, sobald es Kraft genug erhalten hat, sich Schritt vor Schritt Bahn bricht. weil eben jene Befähigung ein Ausfluß solcher Kultur ist, welde selbst das Recht anerkennt und immer williger ausspricht. Wo daher die Befähigung erworben ist, da zeigt sich auch die Erlaubniß zur Wirksamkeit wenigstens in einer immer näher rückenden Zukunft und verliert dadurch die noch momentan vorhandene Ausschließung ihre ertödtende Bedeutung. Die Ausschließung zieht sich daher in einen immer engeren Kreis zurück. Zuerst eröffnet sich das große Gebiet der Industrie zu einer unbedingten Freiheit der Bewegung. dieser Industrie, welche Landbau, Handwerk, Fabrik, Technik und Handel mit ihrem unermeßlichen Umfang befaßt, und die in unserer Zeit mit der Wissenschaft, mit der potenzirtesten Geistesthätigkeit sich innig verbunden hat, der sich daher nicht blos die äußerlice Manipulation, die kleinliche Erwerbsthätigkeit, sondern auch Talent und Genie mit Befriedigung widmen können. Hieran schließt sich das freie Gebiet der Wissenschaft und Kunst, das keine kleinlichen Schranken kennt und auf welchem sich der Jude ebenso gut mit dem kanonischen Recht und der Geschichte der Päpste, wie der Christ mit dem Talmud und der Geschichte der jüdischen Literatur beschäftigen

kann. Hier ist es auch, wo der hartnäckige Geist der Ausschließung von Position zu Position zurückweichen muß, nnd selbst die Verweigerung der Lehrstühle aufzugeben durch die hervorragenden Leistungen tüchtiger Männer gezwungen wird. Es schließt sich hieran die freie Wirksamkeit als Mitglied der Kommune und des Staates. Sobald das Gesetz das aktive und passive Wahlrecht zugestanden hat, giebt es kein Vorurtheil mehr, das dem Juden, falls er sich in rechter Weise als fähig bethätigt, die der freien Wahl überlassenen Aemter auf die Dauer verweigern kann. Es bleibt somit nur der Kreis übrig, dessen Stellenbeseßung unmittelbar von den verwaltenden Behörden ressortirt, welche entweder ein retrogrades Gesetz oder eine Interpretation oder ihre Machtwillkür auf die Verweige rung der Anstellung von Juden in allen oder gewissen Staatsämtern verwenden. Es ist dies ein Uebel, aber gegen die ungeheuren Gebiete, welche jetzt Jedermann offen stehen, nur ein geringes, das durch die Beschaffenheit und Verhältnisse der Staatsämter gerade in den Staaten, wo derartige Gesinnungen noch vorherrschen oder derartig gesinnte Parteien eine zeitweilige Herrschaft haben noch an Bedeutung verliert. Es kann jetzt nicht mehr gesagt werden, daß die Verwendung der Geisteskraft und der Talente allein in den Staatsämtern und in bestimmten Fachberufen möglich sei; es findet vielmehr das Gegentheil statt, und jede tüchtige Kraft vermag sich Bahn zu brechen und eine schöne Wirksamkeit zu erobern. Begünstigende und hemmende Umstände finden auf allen Wegen statt und treten sichtbar oder unsichtbar dem Strebenden entgegen. Ihre Ueberwindung macht den Inhalt und den Preis jedes kernigen Lebens aus. Bei der großen Auswahl, die betreffs des Lebensberufes jezt für Jedermann offen liegt, möge der Jude von vornherein diejenigen vermeiden, wo dereinst die Wahl zwischen Glaubenstreue oder Beruf an ihn herantreten würde. Ein Aequivalent im Ganzen giebt dafür die Wirksamkeit innerhalb seiner Glaubensgenossenschaft. Es geht hieraus hervor, daß jene Einwendung betreffs ungehinderter Wirksamkeit durchaus nicht mehr stichhaltig ist; und wenn es allerdings dem Juden weit schwerer gemacht wird, ein gedeihliches Ziel zu erreichen, wenn er sich mehr auszeichnen muß, um zu Etwas zu gelangen, so schabet dies nichts, denn durch Kampf, durch das Erforderniß größerer Anstrengungen wächst auch die Kraft, und mancher mittelmäßig begabte Kopf ist nur dadurch bedeutend geworden, daß

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