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aufzutreten hatte, mußte es, um im Volke Wurzel zu fassen und sich unter ihm auszubreiten, dem Brahmanismus wesentliche Lehren, 3. B. der Wiedergeburt und Seelenwanderung, entlehnen, Ehe und Eigenthum, die ihm doch Wurzeln des Uebels waren, zugestehen, und zum Theil die Formen des Brahmanismus wieder annehmen. Aehnliches geschah ihm innerhalb der fremden Völker, wo er sich nach der Verschiedenheit dieser ebenso zu sehr verschiedenen Ge= staltungen entwickelte, wie das Christenthum theils nach Verschieden= heit der Völkerschaften, theils nach denen der Zeitepochen sich zu einem großen Kreise verschiedenartiger Erscheinungen entfaltete. Dort haben Tibet, China, Japan, Hinterindien sehr verschiedene Gestalten aus dem Buddhismus gemacht; hier unterschieden sich außer einer großen Menge von Sekten der griechische und der römische Katholicismus von einander, und mit der Zeit schuf die Reformation eine große Neugestaltung in verschiedenen Zweigen. Auch dem Islam ist es bekanntlich so ergangen, dem innerhalb der nach den verschiedenen Völkerschaften sich spaltenden Suniten und Schiiten über siebzig Sekten entsprangen. Bei dieser Analogie erscheint uns im Buddhismus das Bild, wie eine völlig verschiedene Wurzel ihren Stamm wieder mit dem ursprünglichen Stammre vereinigt, während im Christenthume aus dem derselben Wurzel entsprungenen Stamme sich ein neuer Stamm abscheidet und aufwächst.

Aus dieser Ursprungs- und Entwickelungsweise gingen aber noch andere tief eingreifende und charakteristische Momente hervor. Das Judenthum stellt sich als eine Religion der Gesellschaft dar, in welcher das Individuum als ein Glied des Ganzen lebt, in ihm die Wurzel seiner Existenz und die Uebung seiner persönlichen Freiheit findet und ihm dafür zu seinem Theile verpflichtet ist; das Wohl des Ganzen und das des Einzelnen ist getrennt nicht zu denken. Deßhalb spricht es die höchsten Prinzipien des gesellschaftlichen Lebens aus und spezialisirt sie nach Zeit und Ort. Hiermit schließt aber das Judenthum nur zeitweise sich national ab, sondern indem es alle Völkerglieder der Menschheit sich seinen höchsten Lehren und Prinzipien zureifend denkt, proklamirt es eine Zukunft, in welcher seine Lehren und Prinzipien das ganze Menschengeschlecht umfassen, eine Zeit der allgemeinen Anbetung des einzigen Gottes, der Gleichheit Aller in Recht, Besiz und Liebe, des allgemeinen Friedens. Wie es das Wohl der einzelnen Glieder der Nation

nur im Wohle der ganzen Nation erkannte, so auch das Wohl der einzelnen Nationen nur allein im Wohle der ganzen Menschheit. Der Buddhismus und das Christenthum hingegen, indem sie sofort zum Eigenthume aller Völker werden wollten, der Buddhismus schon, indem er die staatliche Ordnung der indischen Völker zu deren Heile brechen wollte, mußten sich zu Religionen der Individualität machen; jedes Individuum wurde auf sich selbst gestellt, auf sein eigenes Heil begrenzt, dahin sein Streben und seine Aufgabe verwiesen. Die Gesellschaft als solche ging sie nichts mehr an, und selbst die allgemeine Nächstenliebe, im Buddhismus zur allgemeinen Wesenliebe ausgedehnt, ist ihnen nur das Verhalten des Einzelnen zu Einzelnen. Allerdings unterscheiden sie sich darin, daß der Buddhismus die Religion des isolirten Individuums ist, so daß jedes Individuum, dessen Ziel die Vernichtung des eigenen Daseins ist, sein ganzes Wirken nur auf seine eigene innere Existenz zn wenden hat und sein Verhalten zu anderen Individuen nur Mittel hierzu bitet, während das Christenthum eine Gemeinsamkeit der Individuen im Reiche Gottes anerkennt, zu dessen Verwirklichung die Einzelnen sich gegenseitig fördern. Diesen Zug hat es aus seiner Wurzel, dem Judenthume, mitgenommen, ihn aber aus dem Reiche der Wirklichkeit in das eines ideellen Jenseits übertragen. Hieran schließt sich überhaupt das Charakteristikum, daß, während das Judenthum den Schwerpunkt auch des religiösen Lebens im Diesseits findet und vermittelst desselben das Aufstreben zu Gott, die Verähnlichung mit Gott aus seinem gottebenbildlichen Wesen heraus bethätigen will, Christenthum und Buddhismus diesen Schwerpunkt in das Jenseits verlegen, und das Ideal in der Verachtung des Diesseits, in der möglichsten Loßreißung vom Diesseits aufstellen - aber mit dem großen Unterschiede, daß der Buddhismus dieses Jenseits in der völligen Vernichtung des Daseins und der Annäherung hieran, während das Christenthum das Jenseits in einem jenseitigen verklärten Leben findet; der Buddhismus verlangt alle Entäußerung des Irdischen, um aufzuhören zu sein, während das Christenthum die Entäußerung des Frdischen anstrebt, um zukünftig ganz mit Gott zu sein. Im letzteren erkennen wir wieder den Zug, den es aus seiner Wurzel, dem Judenthum, mitgenommen. Aus diesen Anlagen und Rich tungen mußten auch für beide Religionen gewisse Extravacanzen

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entspringen, die jedoch im Christenthum von ethischer Natur blieben, während sie im Buddhismus ganz materiell und konkret wurden; sentimentale Liebe, die im Buddhismus bis zum Verbot, ein Thier zu tödten, sei es, um es zu verzehren, sei es, um sich vor ihm zu schüßen, führte; der Grundsaß des passiven Gehorsams, der freilich in der christlichen Kirche dahin beschränkt ward, daß der Gehorsam gegen den Staat vor dem Gehorsam gegen das Gesetz der Kirche, d. i. Gottes, zurücktrete u. s. w.

Dennoch dürfen diese Extravancanzen und dieses Verlegen des Schwerpunkts in ein Jenseits uns nicht verhindern, zu erkennen, daß die Weltanschauung, die im Judenthume ihre Wurzel und ihren Stamm hat und im Christenthume und Islam sich verzweigte, den Idealismus enthält, der in Gott sich erkennt und im Hinaufstreben zu diesem, in der Entwickelung des Menschen und der ganzen Menschheit seinen Inhalt findet; während der Buddhismus der pure Naturalismus ist, der in der Welt nur eine unermeßliche Zahl von Geschöpfen sieht, von denen jedes für sich auf- oder niedersteigt, bald auf- und bald niedersteigt und im höchsten Momente in das Nichts verfällt.

XIV.

Vergleichende Skizzen

über

Judenthum und Christenthum.

Es wäre der Wahrheit nicht gemäß, wenn man behaupten wollte, daß die Synagoge den beständigen Angriffen, Verkeze rungen, Schmähungen und Verfolgungen von christlicher Seite gegenüber, stets geschwiegen habe; vielmehr bildet die Polemik und Apologetik des Judenthums einen nicht ganz unbeträchtlichen Literaturzweig, wenn sie auch den Umständen nach nur von Zeit zu Zeit auftrat, und nach den gegebenen Verhältnissen sich nur selten aus den Grenzen der Zurückhaltung und der Mäßigung entfernte. Man kann hieraus den Juden kein Verdienst machen, denn es war meist zu gefährlich, irgend ein starkes Wort gegen die herrschenden Kirchen auszusprechen, ja die desfallsige Gefahr beschränkte sich nicht blos auf den Urheber, sondern schlug zu leicht in eine Verfolgung der Juden überhaupt aus, als daß man es gewagt, und dieses Wagniß gebilligt hätte. Indeß kann es dem Vorurtheilslosen nicht entgehen, daß es allerdings den Juden näher liegt, abgesehen von ihrer Stellung, gegen das Christenthum Nachsicht zu üben, als umgekehrt. Es ist dies psychologisch. Das Judenthum ist durch sich selbst und seinen Bestand darum cine Negation des Christenthums, weil letteres aus dem Judenthume entstanden, und seine Existenz schon durch die bloße Existenz des Judenthums für objectiv überflüssig und nur aus historischen Gründen, um geschichtlicher Wirkungen willen für nothwendig erklärt wird, während es dem Christenthum eine Lebensbedingung ist, dem noch immer dauernden Bestand des Judenthums die Nothwendigkeit abzusprechen, und es zum Tode zu verdammen. Dies erweist sich auch aus der Art, wie die Polemik immer geführt wurde. Die

jüdischen Kämpfer suchten nur die Widersprüche der christlichen Yehren mit dem Judenthume und mit sich selbst nachzuweisen und daraus die Unrichtigkeit bei jeder Abweichung jener vom Judenthum herzuleiten, während von christlicher Seite den Juden stets nur Hartnäckigkeit und fluchwürdiger Eigensinn und dem Judenthume die Abgestorbenheit und Verwesung, in milderem Sinne die Nichtannahme der Erweiterungen, welche das Christenthum den Lehren des Judenthums gegeben, vorgeworfen wurde. Mildere Zeiten, edlere Gesittung und größere Gerechtigkeit sind eingetreten. Hiermit ist auch das freie Wort und die unbedingtere Meinungsäußerung ertheilt worden. Es zeigt sich auch hier der Segen der Freiheit, der darin besteht, daß an die Stelle verbissener Polemik die unparteiische Kritik, die freie wissenschaftliche Untersuchung tritt, daß also gerade die Freiheit die wüste Leidenschaftlichkeit mindert, oder doch in die Sackgassen niedriger Parteigenossen bannt, also die Zügellosigkeit des Hasses, welche die Beschränkung und Verfolgung erst recht hervorriefen, beseitigt. Es ist daher in den folgenden Artikeln nicht unsere Absicht, irgend leidenschaftlich zu verfahren und von einseitigem Standpunkte aus den Gegner ohne Wahl der Mittel und Waffen zu bekämpfen, sondern in ruhiger Würdigung die Verschiedenheiten und Gegensäge der beiden großen welthistorischen Erscheinungen unsererseits ans Licht zu bringen. Wir geben von vornherein offen zu, daß auch wir Partei sind, daß wir durchaus nicht auf jenem nihilistischen Standpunkte uns befinden, auf welchem beide Religionen wie uns fremde Persönlichkeiten vor uns treten, an denen wir nur ein sogenanntes objectives Interesse hätten. Dies traut uns Niemand zu, und wir weisen es auch von uns zurück. Unsere persönliche Ueberzeugung, unsere geschichtliche Auffassung und unser faktisches Leben wurzeln zu sehr im Judenthume, als daß wir es nur beanspruchen möchten, uns außerhalb desselben versetzt zu glauben, um die Beurtheilung, wie durch das Glas des Naturforschers erlangt, auszugeben. Vielmehr stellen wir nur als unser Bestreben hin, ohne vorgefaßte Vorurtheile Inhalt, Aufgabe, Verhältnisse, Wirkung und Erscheinung nach beiden Seiten hin zu erforschen und klar und einfach darzustellen. Wir glauben dabei nicht, den großen Gegenstand zu erschöpfen, suchen auch nicht durch pomphafte und mysteriöse Ausdrucksweise den Schein einer ganz neuen, großartigen Auffassung um uns zu breiten, sondern wir

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