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den, tritt diese allgemeine Wesenliebe von selbst ein. Der Buddhist versteht unter Nächstem jedes athmende Wesen; er betrachtet dieses als seinesgleichen, als theilhaftig an allen Uebeln und Schmerzen, an Wesen und Bestimmung. Auch hier bleibt daher Maaßlosigkeit und Uebertreibung nicht aus, denn Buddha befiehlt, das Leben selbst für die wilden Thiere zu opfern. Allein der wesentliche Inhalt dieser Liebe ist doch nur das Leiden, Dulden und Opfern, wäh rend das Judenthum überall ein thätiges Eingreifen, Wirken und Schaffen verlangt, und daher eine lange Reihe positiver, werkthätiger Vorschriften für Werke der Liebe und Barmherzigkeit giebt. Es ist nicht zu verkennen, daß hierin das Christenthum in mannigfachen Aussprüchen und Lehren dem Buddhismus nahe kommt. Wenn das erstere die Sanftmüthigen, Friedfertigen, Geistig - Armen selig erklärt, befiehlt, bei einem Backenstreiche die andere Wange zu reichen, dem, der die Hälfte des Mantels raubt, auch die andere zu geben, für den anderen Morgen nicht zu sorgen, gleich den Lilien des Feldes nicht zu arbeiten, ein Reicher komme nicht ins Himmelreich u. s. w. so trifft es hierin vollständig mit dem Buddhismus zusammen, die duldende Liebe läßt um ihrer selbst Willen das Unrecht des anderen zu, so daß sie doch nur der Ausfluß eines feineren Egoismus; die Armuth und die Unthätigkeit haben schon an sich einen sittlichen Werth, weil sie mancherlei Unrecht unmöglich, während sie doch andererseits auch die Uebung mancherlei Rechtes, die Bethätigung vielfacher Tugenden unzugänglich machen.— So führt uns die schematisirte Sittenlehre des Buddhismus folgende 6 Cardinaltugenden auf. 1) Das Mitleid oder Almosen als Ausrottung der Selbstsucht, 2) die Moralität, als Ausrottung der Begier und Leidenschaft, 3) die Geduld als Ausrottung der Bosheit, 4) der Muth als Ausrottung der Trägheit, 5) die Beschauung, als Ausrottung der Flatterhaftigkeit und der Zerstreuung, 6) die Weisheit als Ausrottung des Irrthums und der Ketzereien. In allen diesen Punkten begegnen wir einer Menge von Aussprüchen, welche denen d. H. Schrift, namentlich den Sprüchen Salomonis gleichen. Führen wir nur einige wenige Beispiele an. „Wer sich selbst besiegt, der ist der Beste unter den Siegern. Sich selbst besiegen ist mehr als tausend mal tausend Feinde im Kampfe überwinden. (Vgl. Sprüch. Sal. 16, 32.) Heilsam ist die Enthaltsamkeit des Körpers, heilsam die Enthaltsamkeit der Rede, heilsam die Enthaltsamkeit des Gemüthes.

(Spr. Sal. an vielen Stellen z. B. 10, 19. 14, 17.) Die Sinnenlust des stumpf dahiu lebenden wächst wie die Malve, wer aber die wilde Begier überwindet, dessen Schmerzen fallen nieder, wie die Regentropfen von der Lotus blume. (Spr. Sal. 14, 30.) Den Zorn lege der Mensch ab, den Hochmuth lege er ab, jede Fessel zerbreche er. Wer den aufsteigenden Zorn zurückhält, wie den rollenden Wagen, den nenne ich einen Wagenlenker. Denn nie wird der Zorn durch Zorn gestillt, sonderndurch Versöhnlichkeit (Spr. Sal. 15, 18. 19, 11.)

Was den Buddhismus aber ganz besonders auszeichnet, ist die religiöse und kirchliche Toleranz, wie wir schon oben bemerkt haben. Sie ist nicht blos ein Ausfluß der allgemeinen Wesenliebe - denn dann würde sie ja auch im Christenthum als Ergebniß der allgemeinen Nächstenliebe ihren vollen Platz gefunden haben sondern weil Buddha alle Religionen als Modificationen, wenn auch irrige, als theilweise Verwirklichung derselben Wahrheit ansah. Im buddhistischen Himmelsgebäude sind drei Stockwerke solchen Geistern eingeräumt, die, ohne den Buddha und seine Lehre zu kennen, das Maß der Tugend und ihre Pflichten erfüllt haben“, also ganz gleich den Talmudisten, welche sagen: „Die Gerechten aller Nationen sind des ewigen Lebens theilhaftig;" während Christenthum und Islam alle Andersgläubigen in die ewige Verdammniß versezen, und z. B. Dante auch die größten und tugendhaftesten Männer des Alterthums in einem Stockwerke seiner Hölle findet. Es ist selbstverständlich, daß der Buddhismus den Krieg als sündhaft verwirft, und es liegt nun wieder in seiner Consequenz, daß er selbst den Vertheidigungskrieg verwirft, was, durchgeführt, dem buddhistischen Staate den Angriffen von außen gegenüber jeden Bestand nehmen müßte. Wir haben mit Dank anzuerkennen, daß der Buddhismus auf die Völker von Mittel-, Ostasien und Hinterindien, besonders auf die nomadisirenden, eine außerordentlich versittlichende Kraft ausgeübt, die wilde Leidenschaftlichkeit und Rohheit gesänftigt hat; aber ebenso wahr ist es, daß er nichts anderes als einen passiven Gehorsam, als ein unthätiges Leiden jedem Despotismus, allem Drucke der Tyrannei und der verknöcherten Bureaukratie (China) gegenüberstellte, und gerade dadurch dem gesellschaftlichen Fortschritt, der staatlichen Entwickelung keinen Vorschub, sondern Hinderung entgegensezte. Er giebt hierin Vorschriften, wie wir sie ebenfalls in den späteren Büchern des neuen Testamentes finden,

Vorschriften eines passiven Gehorsams einem Tiberius und Nero gegenüber, und giebt einem herrschfüchtigen Klerus ebensolche Waffen in die Hände, wie sie jüngst das Papstthum mit dem Syllabus und der Encyclica der europäischen Welt gegenüber führte. Und auf diesem Grunde konnte sich denn auch trotz des fundamentalen Atheismus die drückendste Hierarchie, Gößen- und Opferdienst, Bilderverehrung, Reliquienanbeterei u. s. w. im Buddhismus entwickeln. Dies näher darzustellen, liegt außerhalb unseres Zweckes. Wer sehen will, wie weit, insonders durch scholastisch spitsindige Verdrehung der Grunddogmen, der Buddhismus bis zum äußersten Aberglauben, bis zur krassesten Hierarchie gebracht werden konnte, mache sich mit dem Lamaismus bekannt. 1) Wenn wir nun nach diesem Ueberblick über die Gestaltung und den objectiven Inhalt des Buddhismus ein Urtheil uns bilden wollen, so werden wir Folgendes in Erwägung ziehen müssen.

Das Ziel des Buddhismus war zuerst und zunächst eine Negation, er wollte das brahmanische Kastenthum und das brahmanische Priester-, Ceremonien- und Kasteiungswesen brechen, und da beides aus der brahmanischen Gestaltung des Gottheitsbegriffes hergeleitet war, vermochte er seine Aufgabe nur durch den Athetsmus zu lösen, der wiederum als System einen vollständigen Nihilismus nothwendig machte. Durch die Verneinung des Daseins der Gottheit fielen mit einem Male die furchtbaren Institute, welche sich nach dem Brahmanenthum auf jenen Gottheitsbegriff stüßten. Um aber diese Leugnung zu begründen, mußte alles Dasein überhaupt geleugnet, das Nichts als der Anfang und das Ende procla mirt werden. Der Buddhismus war also ursprünglich eine große That, welche ihre theoretischen Motive aus dem Atheismus und Nihilismus nehmen mußte, weil sie es in der indischen Welt nicht anders konnte.

Gerade aber der Buddhismus zeigt auf die schlagendste Weise, daß auf den Atheismus ein Religionssystem nicht zu gründen ist. Denn er war gezwungen, von Stufe zu Stufe in die offenbarsten Widersprüche mit sich selbst zu gerathen, und auf jeder weiteren Stufe das zuzugestehen, was er auf der früheren geleugnet hatte. Er mußte den Nihilismus aufgeben, um das Dasein der Bewegung

1) S. Köppen, die lamaische Hierarchie und Kirche. Berlin, 1859.

und Veränderung zu constatiren; er mußte die nihilistische Natur dieser Bewegung aufgeben, um ihr den Inhalt des Uebels und des Schmerzes zu gewähren; er mußte den nihilistischen Inhalt des Schmerzes wieder aufgeben, um in ihm einen sittlichen Werth zu finden, der in einer unendlichen Causalität sich bethätigt; er mußte selbst das Dasein der Materie zugeben, weil er aus ihr allein die Ursache der Sünde, des Uebels, des Schmerzes zu erklären vermochte; er mußte zuletzt auch das Dasein des Guten, der Tugend zugestehen, weil er sonst zur Ueberwindung des Bösen nicht hätte kommen können; und konnte sich endlich auch der Thätigkeit nicht entschlagen, obschon die völlige Unthätigkeit sein Ideal war. Nur auf diese Weise vermochte er sich eine Ethik zu schaffen, welche ganz und gar seinen Fundamenten, dem Atheismus und Nihilismus, widersprach. Um sein Ziel zu erreichen, die Tödtung alles Verlangens, das schlechterdings das Leben ist und Leben schafft, mußte er auch in weltlicher Beziehung zum Nihilismus greifen und Ehe, Familie und Eigenthum vernichten. Aber sofort zeigte sich, daß auch hier der Nihilismus eine Unmöglichkeit ist: er mußte alles dies der ungeheuren Mehrzahl der Menschen wieder zugestehen, ihnen Ehe, Familie und Eigenthum wieder gestatten, und hatte gerade hierdurch von Neuem geschaffen, was er eben zertrümmert hatte, ein Priesterthum, das sich sofort wieder in Hierarchie und Mythologie versenkte, während andrerseits der Grundsatz des leidenden Gehorsams, wie er nothwendig aus dem Buddhismus erfloß, auch dem Despotismus die Pforten wieder öffnete. Ueberall also, wo der Buddhismus konkret werden und den Menschen und das menschliche Leben gestalten wollte, mußte er sich vom Nihilismus und Atheismus losreißen und sprungweise in das Gegentheil sich versetzen. Es wäre irrig, wenn wir vorausseßten, daß der Buddhismus diesen Gang nur innerhalb der asiatischen Welt durch die dort gegebenen Verhältnisse eingeschlagen. Allerdings was konkret im Laufe der Zeiten dort aus ihm geworden und im Lamaismus gipfelt, läßt sich nur hieraus erklären. Aber wir haben absichtlich alle diese Besonderheiten unberücksichtigt gelassen, und uns lediglich an den objektiven Inhalt des Buddhismus gehalten, um darzuthun, daß die buddhistische Grundlehre, der Atheismus und Nihilismus auch objektiv diesen Entwickelungsgang in sich trägt, also unter allen Himmelsstrichen und in allen Zeiten zu denselben allgemeinen

Resultaten geführt hätte und führen würde. Es ist daher nur eine völlige Willkür, wenn die modernen Nihilisten sich auf den Buddhismus berufen und ihn als ein willkommenes Lieblingskind behandeln. Bei der ersten schärferen Kritik dreht sich das Schwert in ihren Händen um und verwundet sie selbst tödtlich.

Wenn hiermit der faktische, geschichtliche Ursprung des Buddhismus und seine Entwicklung klar vor unseren Augen liegen, so wird eine Vergleichung mit dem Ursprunge und der Entwickelung des Christenthums zum richtigen Verständniß beitragen und mancherlei Incidenzpunkte nachweisen. Wir legten von Beginn an dem Umstande eine Bedeutung bei, daß Buddhismus wie Christenthum keine ursprünglichen Religionen, sondern aus früheren, bestehenden hervorgegangen, und sich an die großen Völkermassen außerhalb der Grenzen jener ursprünglichen Religionen wandten. Hier nun tritt zunächst eine Verschiedenheit der beiden Religionen uns entgegen. Der Buddhismus hatte den Zweck, die bestehenden socialen Zustände im eigenen Volke zu brechen, und mußte daher die Fundamentallehren, aus welchen jene abgeleitet waren, geradezu leugnen und sich als ihren Gegensatz aufstellen. Das Christenthum hingegen hatte in seinem Ursprunge nur die Absicht, den sittlichen Geist des Volkes zu heben und es der entwickelten Starrheit des äußerlichen Gesetzes zu entziehen. Darum erkannte es sowohl die Fundamentallehren des Judenthums vollständig an, als es auch die Heiligkeit des Gesetzes an sich erklärte und von sich aussagte, daß es nicht gekommen, auch nur ein Jota des Gesetzes zu verändern. Gerade deßhalb konnte aber das anfängliche Christenthum innerhalb des Judenthums nicht einmal als eine Reform gelten und im jüdischen Volke als eine besondere Erscheinung gar keine Wurzel fassen. Somit war es alsbald schon in seinem nächsten Fortgang darauf angewiesen, seine Wirksamkeit vielmehr über die Grenzen Judäas auf die, dem verlebten Antikenthume verfallenden Völkermassen zu übertragen, und damit wiederum, um bei den Völkern Eingang zu finden und indem es sich unter ihnen ausbreitete, die Fundamentalsäße des Judenthums zu modificiren, mit heidnischen Elementen zu verseßen und das specielle und konkrete Gesetz aufzugeben. Der Buddhismus aber hatte zum nächsten Schauplah seiner Thätigkeit die eigenen Völkerschaften, und wie es daher in seinen Fundamenten als Gegensatz des Brahmanismus entschieden

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