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XIII.

Der Buddhismus und sein Verhältniß

zum

Judenthume und Christenthume.

Wenn Lessing zur Zeit seiner Bearbeitung der älteren Fabel on den drei Ringen für den Nathan nähere Kunde vom Buddhisnus gehabt hätte, wie wir sie seitdem durch die Erschließung mannigFacher Quellen erlangt haben: so würde er sich schwerlich mit der Zahl dieser Ringe begnügt haben. Denn da der Grundsatz und Das Motiv, von denen er dabei ausging, die waren, daß keine Religion in ihrem Glauben, allein die Wahrheit zu besitzen und allein selig zu machen," der andern feindlich entgegentreten und alle Wahrheit absprechen dürfe, daß vielmehr Zweck und Ziel aller ein müsse, die Menschen liebevoller, mildthätiger und gerechter gegen einander zu machen: so durfte er den Buddhismus nicht ausschließen. Befaßt derselbe nicht eine Zahl Bekenner, welche ein Drittel des ganzen Menschengeschlechtes übersteigt, also hierin Christenthum und Islam übertrifft? Hat er nicht eine civilisatorische Wirkung so gut wie irgend eine andere Religion ausgeübt, und zwar selbst in Staaten, welche den Forderungen ziemlich entsprechen, die man an einen civilisirten Staat stellen darf, wenn sie auch in der Entwickelung stehen geblieben, wie China und Japan? 1) Ja, ist der Buddhismus nicht diejenige Religion, welche, ungleich dem Islame und Christenthume, eine außerordentliche Verbreitung ohne Schwertschlag erlangte, die Toleranz gegen alle andern Religionen grundsätzlich machte, in ihre Annalen .nur äußerst geringe Ausnahmen von religiöser Verfolgung zu verzeichnen hatte? . . . Und dennoch,

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1) Vergleiche hierüber unsere Resultate in der Weltgeschichte" (Leipzig, Baumgärtner) S. 7 ff.

Hätte Lessing eine genauere Kenntniß dieses religiösen Systems gehabt und wollte es nicht mit Stillschweigen übergehen, so wäre er in eine große Verlegenheit gekommen, denn er konnte jenes doch nicht füglich mit Judenthum, Christenthum und Islam zusammenstellen und in ein Gefäß werfen. Und warum nicht? Weil der Buddhismus eine völlig verschiedene, ja entgegengesetzte Weltanschauung zum Inhalt und zur Grundlage hat, während die drei anderen genannten ihr unterstes Fundament in einer und derselben, aus dem Mosaismus entstandenen Weltanschauung haben. Allerdings mußten auch im Buddhismus, sobald er sich zu einer konkreten Religionserscheinung ausbilden wollte, Institutionen und selbst Ansichten hervortreten, welche mit den anderen Religionen, namentlich mit dem Christenthume, frappante Aehnlichkeiten darbieten. Aber dies verändert die völlige Verschiedenheit seines Grundcharakters doch nicht, und liegt eben nur in den vielen und großen Widersprüchen, in welche der Buddhismus mit seiner eigenen Theorie verfallen mußte, sobald er, gleich dem Christenthume, aus der stillen Klause weniger Eingeweihten zur großen Völkermasse treten und sie sich aneignen wollte. Wir können sagen, daß es in der religiösen Welt des Menschen zwei große Anschauungen giebt, die sich völlig gegenüberstehen, und deren ungeheure Kluft nur durch die praktische Gestaltung lose überbrückt worden ist: die israelitische Weltanschauung, die im Judenthume ihren Stamm, im Christenthume und Islam ihre Zweige hat, und die buddhistische.

Merkwürdig ist es, daß gerade in einem der von der Natur am üppigsten begabten, am reichsten und mannigfaltigsten ausgestatteten Länder der Erde der Buddhismus, diese Religion der Verzagtheit und völligen Entsagung, der höchsten Lebensverachtung entstanden ist, während das Judenthum seinen Ursprungssiß in einem Lande hatte, das der unermüdlichen Anstrengung und Thätigkeit des Menschen bedurfte, um ihm in mäßiger Fülle die einfachen Bedürfnisse des Lebens abzuringen; jener in einer ungeheuren Halbinsel, welche weite Ebenen mit himmelhohen Gebirgszügen umschließt, mächtige Ströme in das Meer entsendet, und überall der See durch geräumige Häfen zugänglich ist, so daß sie seit uralter Zeit einer ausgedehnten Industrie, einem weithin ausgebreiteten Handel zum Schauplatz diente; während dieses, das Judenthum, anderthalb Jahrtausende in einem vom Meere fast abgeschlossenen, nur dem

Ackerbau gehörigen Binnenlande saß. Merkwürdig, aber gerade darum erklärlich, wenn das Judenthum ein rüstiges, den Werken des Lebens gewidmetes, aber von Gottesfurcht, Recht und Liebe durchdrungenes Leben forderte und sein höchstes Ziel in Thaten sezte. Hierzu kömmt, um uns eine klare Einsicht zu verschaffen, der gewichtige Umstand, daß der Buddhismus nicht wie das Judenthum eine ursprüngliche Religion, sondern gleich dem Christenthume, aus einer anderen Religionsphase innerhalb bereits vorhandener, ja erschöpfter Culturentwickelung hervorgegangen ist. In diesem geschichtlichen Umstande wird uns auch das Räthsel der Momente lösbar in welchen das Christenthum vom Judenthum abweicht, und mit dem Buddhismus frappante Aehnlichkeiten besitzt. Deshalb müssen wir hier zuvörderst einen kuzen Blick auf diese Vorentwickelung werfen. 1)

Der Buddhismus ist die dritte Phase der Entwickelung des indischen Geistes. Die erste Stufe nehmen die Arier im Pentschab mit ihrer religiösen Anschauung ein, wie sie uns die Veda's überliefern. Es ist ein weites Pantheßn von Naturgöttern und Geistern, in welches uns die fruchtbare Phantasie des Inders hineinführt. Man kann daraus kein wirkliches System entnehmen, da bei den einzelnen Stämmen einzelne Gottheiten vorzugsweise verehrt und von den verschiedenen Verfassern der Vedahymnen verschiedentlich gefeiert wurden. Doch ist die eigentliche Idee überall, daß die am meisten hervortretenden Naturkräfte und Erscheinungen persön-liche Gottheiten sind. Unter ihnen ragt, wenn auch in einem ge= wissen Halbbunkel Varunas, der Umfassende, das Himmelsgewölbe, der Urquell des Lichtes hervor; ihm zur Seite der wirklich regierende Indra, Gott der Luft und des Wolkenhimmels, des Blizes und des Regens, Agnis, das leuchtende, erwärmende und verzehrende Feuer. Um diese bewegen sich Schaaren von Gottheiten zweiten und

1) Wir følgen hier den bekannten Werken von Laffen, Weber, Obry, Borneuf, Wuttke, Köppen u. A. und berücksichtigen ganz besonders den leßtange= führten, weil er für den Buddhismus sehr eingenommen, dem Christenthume und Judenthume sehr ungünstig gesinnt ist, um unsererseits nach Unpartheilichkeit möglichst zu streben. In seinen Urtheilen über das Judenthum erweist Köppen mehrmals eine crasse Unwissenheit, und folgt nur den ganz gewöhnlichen Vorurtheilen, die gegenwärtig bereits so oft widerlegt worden sind, was uns veranlaßt, fie hier ganz mit Stillschweigen zu übergehen.

dritten Ranges, Lichtgötter aller Art, die Erde die Flüsse u. s. w. auch erscheint Her bereits Vischnu. Der Geisterglaube, die Verehrung der Vorfahren, die Ahnung von der Fortdauer der Seele nach dem Tode finden wir in den Vedas häufig ausgesprochen, wenn auch die Lehre von der Seelenwanderung nur angedeutet und vorgebildet ist. Die Seelen der Verstorbenen werden durch die Macht des Feuers, das den materiellen Leib verzehrt, mit einem Strahlenkörper, dem „Harnisch Agnis“ umkleidet. Das wesentlichste Moment in dieser ersten Religionsphase der indischen Arier bildet aber der Gedanke ihrer Gottesverehrung. Es werden unter freiem Himmel auf Steinen und Altären der Soma-Trank, b. i. aus der Asclepias acida gepreßter Saft, Milch, geklärte Butter, auch Thiere, z. B. Pferde, vielleicht auch Menschen, dargebracht und dem Feuer übergeben. Hierdurch speist und tränkt der Mensch die Götter, berauscht sie, damit sie an Muth und Kraft wachsen; dafür erwartet er die Erfüllung seiner Wünsche, ringt mit ihnen im Gebete und zwingt sie sogar zu seinem Willen. Diese Kraft und Bedeutung, welche in den Veden dem Opfer und dem Gebete der Menschen beigelegt wird, daß sie also nicht blos Vermittelungen zwischen Gottheit und Menschen sind, die Gott erhören kann oder auch nicht, sondern ein Zwangsmittel für und gegen die Götter ein Gedanke, der, wenn auch in mäßigerer Weise, dem Katholizismus selbst in unseren Tagen nicht fern liegt wurden eine Wurzel des Brahmanismus und des Buddhismus, denn sie trieben bereits den Menschen über Gott hinaus und verliehen der konzentrirten Andacht des Menschen eine das Schicksal beherrschende und bezwingende Gewalt.

Die zweite Entwickelungsphase hob mit dem hundertjährigen Kampfe an, der mit dem Einfall der Arier in die Halbinsel sich entspann. Denn zunächst wurde dies der Impuls zu dem Kastenwesen, welchem die menschliche Bevölkerung Indiens mit einer furchtbaren Strenge unterworfen ward. Die erobernden Arier bildeten einen in jeglicher Weise bevorzugten Menschenstamm, welchem die Unterworfenen mit drückenden Pflichten und mangelhaften Rechten gegenüberstanden. Unter den Besiegten waren die sich freiwillig unterwarfen, zwar die dienende und arbeitende, aber doch immer geschätzte Klasse der Handwerker, Tagelöhner u. s. w.; die mit dem Schwerte Bezwungenen wurden zu der unreinsten verachtetsten Stufe hinuntergestoßen; unter den Siegern hob sich der dem Waffenhand

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werk verbleibende Theil als Kriegerkaste ferner, höher geachtet als die sich dem Landbesize ergeben hatten; aber selbst über die Krieger erhoben sich die Priester, die Brahmanen. Aus dem Glauben, daß Opfer und Gebet die Götter zu günstigen Gaben und Beweisen ihrer Macht zu nöthigen vermögen, entstand die Menge der Gebete, Ceremonien und Opfer, die jedoch nur, zu rechter Zeit, am rechten Ort und in rechter Weise geschehen, die gewünschte Kraft besaßen. So mußte sich bald eine Zahl der Gebetverständigen, das sind Brahmanen, bilden, und mit der Zeit sich die gesammte übrige Menschheit unterwerfen. Wie konsequent weit dieser Gedanke ausgebildet wurde, kann man am deutlichsten aus einem Spruche ersehen, der noch heute im Munde der Inder lebt: „Das Weltall ist in der Gewalt der Götter (der Dêva's); die Götter sind in der Gewalt der Gebete (Mantras); die Gebete sind in der Gewalt der Brahmanen; folglich sind die Brahmanen unsere Götter." Aus dieser Wurzel entspann sich nun eine religiöse Anschauung, die wir in ihren Hauptzügen charakterisiren wollen. Brahma als Atma (Weltseele) war das leere, allgemeine Sein (das Aum). Da bildete sich in ihm das Verlangen (Kâma), und dadurch entstand eine Entfaltung des Brahma aus sich selbst, und diese Entfaltung (Emanation) wurde zur Welt, d. i. zum individuellen Dasein. Diese Entfaltung entfernte sich in ihrer Ausdehnung immer weiter vom Brahma, und je weiter dieses sich von sich selbst entfernt, desto äußerlicher und mähnlicher wird es sich, um so unreiner und trüber wird der Strom des Lebens und wird zu einer abwärts gehenden Stufenleiter der Organismen. Man unterscheidet da: 1) die Sattva, die Region des persönlichen Brahma als höchsten Gottes und der Götter, die Welt der Reinheit, Tugend, Weisheit, des Lichtes; 2) die Radschas d. i. Leidenschaft, die mittlere Region, kämpfend zwischen vollkommenem und unvollkommenem Wesen, zwischen Licht und Finsterniß, die Welt des Gemüths und der Menschen; 3) die Tamas, d. i. Finsterniß, die Region der Unreinheit und des Todes, die Welt der Thiere, Pflanzen und todten Materie. Je mehr aber die Natur eine Entfernung von Brahma, eine Entäußerung seiner selbst ist, desto vergänglicher, eitler, voll Unvollkommenheit und Sünde, Schmerz und Leiden, Krankheit und Tod ist sie: die Welt ist vom Uebel, das Leben eine Sündenlast, die Erde ein Jammerthal. Wie aber die Wesen vom Brahma ausgehen, so kehren sie auch in das

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