Mönche sich des Beicht-Stuhls zu bemächtigen und Verwirrung in das Beicht-Wesen zu bringen anfingen. Bey der öffentlichen Busse musste dem Diocesan - Bischofe oder dessen Stellvertreter das Sünden - Bekenntniss abgelegt und von diesem die Absolution ertheilt werden, und es kommen viele Beyspiele von strenger Beobachtung dieser Regel vor. Bey der PrivatBeichte war anfangs der Buss-Priester (poenitentiarius, s. oben) der nicht gewählte, sondern gegebene Beicht - Vater. Im Occident erhielt seit Leo's d. Gr. Zeiten jeder Priester das Recht, Beichte zu hören und zu absolviren; aber darin lag so wenig für die Beichtenden eine freye Wahl des Beichtvaters, dass vielmehr dadurch nur die Regulirung eines festen Parochial - Verhältnisses und eine Erleichterung der Seelen-Pflege beabsichtiget wurde. Man verfuhr nach der Regel des Hieronymus: Unusquisque eos, quos baptizaverat, suos esse putabat; so dass die Geistlichen ihre Tauf-Kinder zugleich als ihre Beicht- Kinder betrachteten. Selbst nachdem der Beicht - Unfug durch die Mönche eingerissen war, ward die Parochial-Beichte noch immer vertheidiget und wenigstens für die Oster-Zeit (nach Innocentius III. Verordnung) für nothwendig erklärt. Die Verordnung Urban's II. (c. 3. de poenit. D. 6.) befiehlt: ut deinceps nulli sacerdotum liceat quemlibet commissum alteri sacerdoti ad poenitentiam suscipere, sine ejus consensu, cui prius se commisit etc. Auch waren die Kauonisten, in der Theorie oft so streng, dass sie nicht einmal den Regenten für ihre Person und Familie die freye Wahl oder Aenderung eines BeichtVaters gestatten wollten. Die Praxis war freylich nicht selten damit in Widerspruch.. IV. Von dem in der lutherischen Kirche so viel Scandal erregenden Beicht- Gelde (Beicht- Groschen, Beicht-Pfennig, Dumus confessionarius) ist zu bemerken, dass diese Abgabe an den Beichtvater allerdings aus der päpstlichen Kirche abstammt, in derselben aber schon längst eben so wenig, als bey den Reformirten, gefunden wird. Man sollte sie daher wenigstens nicht geradezu, wie oft geschieht, einen katholischen oder päpstlichen Missbrauch nennen, weil man, abgesehen vom Grundsatz, auf keinen Fall den Gebrauch findet. Ueber den Ursprung sind die Meinungen verschieden: 1) Nach einigen stammt diese Gewohnheit aus den Oblationen und Agapen der alten Christen. Man findet aber im Alterthume keinen Beweis dafür; und aus den Oblationen ist eher die Sitte des Opfer-Beckens bey der Communion (auch in einigen protest. Ländern, wo dennoch das Beicht - Geld üblich ist) und des Klingel-Beutels (Klingel-Sacks, Cymbels) entstanden. 2) Die meisten leiten das Beicht-Geld aus der seit dem VII. Jahrhundert immer mehr eingeführten Privat-Busse und den den Büssenden auferlegten Satisfactionen her-pro danda poenitentia, wie es im Concil. Bitur. c. 12. bey Harduin Act. Concil. T. VI. P. I. p. 850 heisst. Es giebt aber verschiedene Modificationen dieser Meinung. a) Das Geld ward dem BussPriester gegeben, um eine leichte Pönitenz und schnelle Absolution zu bewirken. b) Als Ablass für die Armen (Almosen), Klöster, Kirche, Rom u. s.. w., wobey der Priester nur als Einnehmer und Pfleger betrachtet wurde. Diess ist allerdings das Wahrscheinlichste; und bey dem ärgerlichen Ablass - Handel ward allerdings die Form beobachtet, dass der Priester die Indulgenz - Gelder nicht für sich, sondern für den Schatz der Kirche erhebe. Dennoch wurden oft Klagen über Unterschleif, Betrug u. s. w. vernommen. Morinus de poenit. lib. X. p. 756. Dallaeus de Conf. auric. lib. IV. c. 10. P. 538. P. Müller de numo confessionario; origine, usu et abusu. Jen. 1688. 4. p. 9. Grellmann's Geschichte der Stolgebühren. Göttingen, 1785. S. 48-55. Flügge's Geschichte des deutsch. Kirchenu. Predigtwes. Th. I. S. 231-233. Th. II. S. 425 ff. 3) Bey der Reformation schaffte man zwar die Zwangs und Ohren - Beichte ab, behielt aber in den meisten lutherischen Ländern das Beicht-Geld bey. Aber schon Luther (Werke, Jen. Ausg. Th. I. p. 530) eiferte in starken Ausdrücken wider den Absolutions - Kauf, und wollte den Beicht - Groschen nur als eine freywillige Gabe zur Unterstützung des Seelsorgers angesehen wissen. Diess war auch immer der Gesichtspunkt, aus welchem man die Beybehaltung desselben wider die zahlreichen Gegner zu rechtfertigen suchte. J. H. Boehmer jus parochiale Protest. lib. VII. tit. 2. §. 15. u. a. Vergl. Walch's Einleit. in die Rel. Streitigk, d. luth. Kirche. Th. II. S. 487 ff. Acta hist. eccl. T. IV. p. 587 ff. T. XIV. p. 244 ff. Nova Acta T. II. p. 207. Schlegel's K. Geschichte des 18. Jahrhunderts. Th. II. S. 21 ff. VII. Von der Buss- und Beicht - Form in der orientalisch griechischen Kirche. Offenbar irrig ist es, wenn man glaubt, dass das BeichtInstitut der orientalisch - griechischen Kirche völlig fremd sey, und dass sie nur die öffentliche Busse anerkenne und ausübe. Ohne so vieler Zeugnisse glaubwürdiger Schriftsteller zu erwähnen, darf man nur einen Blick in die liturgischen Werke von Goarus, Renaudot u. a. werfen, um sich vom Daseyn der Beichte und Absolution zu überzeugen. Wir bemerken aber nach den verschiedenen Kirchen-Systemen in zusammengedrängter Kürze Folgendes: I. Die eigentlichen, oder Konstantinopolitanischen Griechen blieben zwar darin der Anordnung des Patriarchen Nektarius treu, dass sie das von ihm abgeschaffte Amt eines BussPriesters nicht wieder herstellten; aber die Privat - Busse sollte dadurch so wenig beeinträchtiget werden, dass vielmehr durch die Ermächtigung jedes Priesters (unter Autorität des Bischofs) zur Absolution, und die Vermehrung der Beicht-Väter statt des früheren General- Beicht- Vaters, die Gelegenheit zum Sünden - Bekenntniss vermehrt und erleichtert werden sollte. Dass die spätern Griechen häufig ein specielles SündenBekenntniss gefodert, und also die sogenannte Ohren - Beichte empfohlen haben, lässt sich, da so viele Zeugnisse dafür sprechen, nicht läugnen. Wenn aber Leo Allatius (de eccl. or. et occident. consens. p. 1303 seqq. und Antiquit. eccl. orient. ed. Lips. 1683. p. 486 seqq.), Heineccius (Abbild. der alten und neuen Griech. Kirche. Th. II. c. VII. §. 20), Chr. Angelus (de statu hod. Graec. c. 22) u. a. behaupten, dass die griechische und römische Beichte völlig dieselbe sey, so kann diess nicht als richtig zugegeben werden. Denn zu allen Zeiten hat es un ter den Griechen nicht an Protestanten, d. h. nicht an solchen gefehlt, welche das gefoderte specielle Sünden - Bekenntniss für nicht nothwendig erklärten, und also die Gewissens - Freyheit in diesem Stücke vertheidigten. Der von Leo Allatius (p. 1305 seqq.) angeführte Caucus sagt es mit ausdrücklichen Worten und dass viele Griechen, ohne Gefahr ihrer Rechtgläubigkeit, die Beichte ganz unterlassen. Der Patriarch Jeremias (Acta et scripta Theol. Wirtemb. p. 87) erklärt zwar das Bekenntniss aller einzelnen Sünden für gut und heilsam, aber nicht für absolut nothwendig. Eben so urtheilt auch Metrophanes Critopulus (Conf. fid. c. X. p. 105. 107.), welcher überdiess die Inquisition des Beicht-Vaters, als Ueberflüssiges und Verdacht Erregendes, widerräth. Auch darin sind die Griechen der Anordnung des Nektarius treu geblieben, dass sie es dem Gewissen eines jeden überlassen, ob er vor dem Genusse des heil. Abendmahls beichten wolle, oder nicht. Selbst Leo Allatius muss zugeben, dass der Communion, selbst Fer. V. hebdom. sanctae und Ostern (welcher auch die Griechen einen hohen Werth zuschreiben), nicht immer die Beichte vorhergehe. Sie unterscheiden sich also hierin von den Lutheranern, welche keinem, der nicht zuvor gebéichtet, das Abendmahl gestatten. Dass die Absolutions - Form die declarative und optative sey, ist bereits oben erwähnt worden. II. Bey den Syrern findet man Bestreiter und Vertheidiger der Privat-Beichte. Als die Koptischen Patriarchen Marcus, Johannes und Cyrillus die Beichte aus Aegypten verdrängt hatten und auch unter den Syrern sich die Widersacher mehrten, entwarf oder verbesserte der berühmte Dionysius Barsalibi, Bischof von Amida, eine Ordnung der Bussfertigen (Renaudot Liturg. Orient. T. II. p. 50), in welcher das Bekenntniss aller, auch der Gedanken-Sünden, vor dem Priester gefodert wird. Dagegen wird diesem das Beicht-Siegel zur strengsten Pflicht gemacht. Der Jakobitische Patriarch Michael d. Grosse nahm die Beichte wider den Alexandrinischen Patriarchen Marcus, welcher dieselbe gänzlich abgeschafft wissen wollte, nachdrücklich in Schutz. Renaudot Histor. Alex: p. 550. Bey den Nestorianischen Syrern war, nach Ebed-Jesu, die Busse und das Sünden - Bekenntniss nicht nur überhaupt in grossem Ansehen, sondern wurde auch als Vorbereitung. zur Eucharistie, um nicht als ein Unreiner beym heil. Abendmahle zu erscheinen, gefodert. Aber späterhin muss die Beichte wieder abgekommen seyn; denn La Croze (Hist, Chr. aux Indes L. III. p. 136. 217. 342) versichert ausdrücklich, dass die Nestorianer die Beichte nicht haben. Vgl. Assemann's oriental. Bibl. von Pfeiffer. Th. II. S. 523–24. Diess ist um so auffallender, da doch die meisten Nestorianer sonst in so vielen Punkten sich mit Rom conformirten. ་་་ III. Von der Abendmahls-Feyer der Habessinischen oder Aethiopischen Christen berichtet J. God. Oertel (Theol. Aethiopum ex Liturg. fidei confess. Viteb. 1746. 8. p. 127): Ubi tamen non conveniunt, ceu ad communem coenam, sed debite quoque, ut decet convivas Domini, praeparati. Ante omnia quippe excussa ad speculum divinae legis tetra per peccata sibi contracta forma, peccata posthac sua coram Diacono publice profitentur, de enumerandis autem in specie omnibus delictis solliciti non sunt, sed omnium praeceptorum transgressores sese agnoscentes, illud unicum in ore gerunt feruntque: Abasyny, Abasyny i. e. peccavimus! peccavimus! Es ist diess also die allgemeine und öffentliche Beichte. In der allgem. Encyclop. der Wissensch. und Künste. Th. II. (Art. Aethiopische Kirche von D. Gesenius) S. 118 heisst es :,,Sie beichten bloss im Allgemeinen, und die Absolution geschieht durch einen gelinden Schlag mit einem Oel- Zweige, bey grössern Verbrechern erst nach gewissen körperlichen Bussen, als: Geisselung. Bis zum 25sten Jahre aber, glauben sie, könne man keine Sünde begehen." IV. Auch bey den andern orientalischen Gemeinen findet man bald Gegner, bald Freunde der Beichte; aber die eigentliche Ohren-Beichte fand im Sinne der römischen Kirche niemals Beyfall. Selbst die Armenier und Maroniten foderten, ohngeachtet ihrer Vereinigung mit Rom, kein Bekenntniss aller einzelnen Sünden. Höchstens ward verlangt, dass die drey Capital - Verbrechen: Mord, Ehebruch und Diebstahl in der Beichte nicht verschwiegen werden dürften. |