Obrazy na stronie
PDF
ePub

dern durch eine unberechtigte Rücksicht auf die Gemeindeorthodoxie. Das ist das betrübende Ergebniß in diesem Streit um das Apo= stolikum, daß dieselben Leiter der Kirche durch die Furcht vor der geistigen Kultur des Zeitalters sich aus Positionen verdrängen lassen, die sie ihrer dogmatischen Theorie nach behaupten müßten (vergl. oben); und daß sie dann auf der anderen Seite durch die Gemeindeorthodoxie sich zu kirchlichen Maßregeln drängen lassen, deren Verwerflichkeit ihnen nicht verborgen sein kann. Aber dadurch soll uns die Freude an dem andern Ergebniß nicht getrübt werden. Es hat sich nur ein einziger evangelischer Theolog gefunden, der uns gegenüber den römischen Glaubensbegriff, der das Leben unserer Kirche hemmt, zu vertreten gewagt hat. Nur einer hat den Muth zu der Behauptung gefunden, Luther habe dieselbe Vorstellung vom Glauben gehabt, wie seine römischen. Gegner, und habe nur über die Tragweite des Glaubens für die Rechtfertigung anders gedacht1). Es ist sehr verdienstlich, daß E. König diesen Standpunkt energisch durchgeführt und auch nicht verschwiegen hat, daß er dabei an den Vater der deutschen Aufklärung, an Leibniz anknüpft 2). Aber hier auf seine Ausführungen einzugehen, halte ich nicht für nöthig. Nachfolger wird er schwerlich finden, und was gegen ihn zu sagen war, ist von Feyerabend3) und J. Köstlin) bereits gesagt worden. Alle Anderen, - denn von W. Kölling und ähnlichen Theologen können wir getrost absehen, machen uns so starke Zugeständnisse, daß man von ihnen annehmen kann, sie seien in der Entwicklung zu der Erkenntniß begriffen, die wir bis jetzt noch im Kampfe mit ihnen vertreten.

Wir sind bereits einig in dem wichtigen Gedanken, daß unser Glaube sich auf objektive Thatsachen gründen muß, die wir von uns selbst unterscheiden und in denen wir etwas unermeßlich

1) Vergl. E. König, der Glaubensakt des Christen. Erlangen 1891, S. 18.

2) Vergl. ebend. S. 7.

3) Glaube und Buße von K. W. F. Riga 1893, S. 62-112.

4) Die Begründung unserer sittlich-religiösen Ueberzeugung. Berlin 1893, S. 25 und 40-51.

Größeres erkennen, als wir in unserm eigenen Gefühl nacherleben können. Daran schließt sich freilich sogleich die Differenz. Nach unserer Meinung ist der christliche Glaube die Zuversicht zu Gott, die ihre Kraft und ihren Gedankeninhalt durch die Thatsache gewinnt, daß uns in dieser Welt das persönliche Leben Jesu Christ begegnet. Diese Thatsache kann ihre Wirklichkeit und Macht an unserm Gewissen erweisen. Die Ueberlieferungen dagegen, die von unsern Gegnern kurzweg Thatsachen und Grund des Glaubens genannt werden, vermögen das nicht. Daran soll uns eben flar werden, daß Jesus allein der Erlöser ist. Wir geben bereitwillig zu, daß ein Christ auch in unserer Zeit ohne besondere Bemühung, den Inhalt jener Ueberlieferungen als Thatsache ansehen kann. Vielleicht ist gerade mit dieser Haltung recht oft ein kräftiges Glaubensleben verbunden. Aber auf jeden Fall kann eine solche Haltung mit einer von allem Gemachten freien Unbefangenheit sich nur unter besonderen Verhältnissen finden, in die sich niemand zurückversehen kann, der ihnen einmal entnommen war. Durch diesen auch ihnen nicht verborgenen Sachverhalt lassen sich unsere Gegner nicht abhalten, zumal von den Pfarrern die Anerkennung zu verlangen, daß der Inhalt jener Ueberlieferungen über Jesus Thatsache sei. Aber einen Sinn hat diese Forderung nur unter einer von zwei Voraussetzungen: Entweder müßte die Meinung bestehen, daß solche Erzählungen durch ihren Inhalt den Glauben an Gott in uns schaffen können und sollen. Aber das ist grade nicht die Meinung unserer Gegner. Sie meinen keineswegs, daß darin das den Glauben schaffende liege, sie meinen vielmehr, daß man, um ein vollberechtigtes Glied der Kirche zu sein, sich entschließen müsse, daran zu glauben. Dann müßte aber, wenn ihre Forderung einen Sinn behalten sollte, eine andere Voraussetzung bei ihnen erfüllt sein. Sie müßten den Willen haben, grade den Pfarrern theologisches Studium zu verbieten. Denn dieses Studium zerstört in Greifswald und Erlangen so gut wie in Marburg die naive Aufnahme der Ueberlieferung und versett uns in geschichtliche Wahrscheinlichkeiten. Zugleich läßt es uns sehen, daß der Entschluß, das Wahrscheinliche für absolut sicher und für den Grund des Glaubens zu halten, das Gegentheil

wirklichen Glaubensgehorsams ist. Also müßten die Pfarrer, wenn von ihnen entweder jene naive Haltung oder dieser Entschluß verlangt werden soll, vor nichts mehr bewahrt werden als vor jeder Theologie. Das wollen aber unsere Gegner auch nicht. Hinter ihren lauten Forderungen steckt also kein ernster Wille und keine nachhaltige Kraft. Ihr in sich selbst ohnmächtiges Vornehmen wird nur dadurch gewichtig, daß sie bei der Unwissenheit und bei der Indolenz reichliche Hülfe finden. Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß die Einsichtigen und theologisch Gebildeten unter ihnen über diese Sachlage im Klaren sind. Trozdem wollen sie dabei bleiben, der evangelischen Gemeinde zu verhüllen, was christlicher Glaube sei, die Unterwerfung unter Christi Person, zu der wirklich er selbst uns zwingt. Eine Erklärung dafür ist nur in ihrer Auffassung der kirchlichen Lage zu finden. Sie sind der Ansicht, das Volk werde der Kirche verloren gehen, wenn man nicht fortfahre, zunächst wenigstens das Evangelium als ein Ceremonialgesetz darzustellen, welches verlangt, daß man den Inhalt von Berichten, von dem man nicht überzeugt ist, dennoch als Thatsache gelten lasse, bis man sich an die darin enthaltenen Vorstellungen gewöhnt hat. Da sie selbst von der Thatsächlichkeit dieses Inhalts durch ähnliche Gewöhnung oder auf bessere Weise überzeugt sind, so kommen ihnen bei diesem Verfahren keine sitt= lichen Bedenken. Einem in dem Volke vorhandenen Bedürfniß kommen sie aber damit wirklich entgegen. Für die Menschen, die sich durch die Sitte an die Kirche gebunden fühlen, kann es nichts Bequemeres geben, als dies, daß die erste Bedingung für die Zugehörigkeit zur Kirche die Zustimmung zu den Sägen des Apostolikum sein soll. Denn das bedeutet, daß sie sich das Wichtigste, den Anfang im Christenthum durch die Erfüllung eines Ceremonialgesezes erkaufen können. Wir verstehen sehr wohl, daß unsere Gegner diese Erleichterung des Christenthums als ein äußerst starkes kirchliches Band schätzen. Wir erkennen auch gern an, daß sie sich ernstlich bemühen, den Menschen, die sich zu einem solchen Anfang des Christenthums bereit finden lassen, danach klar zu machen, daß sie doch noch nicht in dem rechten Anfang stehen, weil wahrhaftiger Glaube etwas ganz anderes ist.

Daran aber knüpfen wir die Hoffnung, daß wir uns doch noch mit unsern Gegnern zu gemeinsamem kirchlichen Handeln zusammenzufinden können. Sie wollen ein am Anfang des Christenlebens stehendes Glaubensgeseß, weil durch dieses handliche Mittel sich viele Menschen mit der Kirche verbinden lassen. Uns und vielen Anderen ist es dagegen sittlich unmöglich, uns einem Ceremonialgeseß, wenn ihm eine solche Bedeutung beigelegt wird, zu fügen. Auf der andern Seite wollen wir den Werth, den das Ceremonialgesetz für das kirchliche Leben hat, nicht verkennen. Wir verlangen nur, daß es in der Kirche so gehandhabt werde, wie es einer christlichen Kirche zukommt, nämlich als ein äußerlich einigendes Band. Deshalb soll in der Kirche die am kürzesten durch das Apostolikum bezeichnete Ueberlieferung mitgetheilt werden. Es soll zweitens unablässig darauf hingewiesen werden, daß durch Christus erlöste Menschen solches von ihm gedacht haben, und daß, wenn wir uns in Manches darin nicht finden können, die Unreise unseres christlichen Lebens die Schuld daran tragen kann. Wenn unsere Gegner dies bei uns anerkannt sehen, so ist das Berechtigte in ihrer Forderung erfüllt. Von ihnen aber wollen wir das Folgende offen anerkannt sehen. Erstens daß zu christlichem Glauben zwar die Ehrfurcht vor der biblischen Ueberlieferung gehört und das Bewußtsein, von ihr dauernd abhängig zu bleiben, aber nicht die Bereitwilligkeit, zu jedem Saße dieser Ueberlieferung ja zu sagen. Dies anzuerkennen sollte ihnen nicht schwer werden. Denn sie selbst handeln nach diesem Grundsah. Unterwerfen sie doch die h. Schrift in verschiedenen Richtungen einer Kritik. Weshalb soll denn also nicht vor der ganzen Gemeinde gesagt werden, daß diese Ueberlieferung uns zum Leben gegeben ist, daß sie um unsertwillen da ist, und nicht wir um ihretwillen? Zweitens sollen sie sich offen dazu bekennen, daß christlicher Glaube das Vertrauen die Liebe und der Gehorsam ist, die die Person Jesu uns abgewinnt, so daß eine neue Art des Denkens, Fühlens und Wollens in uns entsteht, in der seine Kraft lebt. Wenn sie Christen sind, so sind sie darin mit uns verbunden.

306

Einfluß der Seelsorge auf die Lehrthätigkeit des Pfarrers.

Von

J. Heyn,

Pfarrer in Greifswald.

1.

Mehr und mehr bricht sich die Erkenntniß Bahn, daß der Erfolg der Predigt sehr wesentlich durch die Seelsorge bedingt ist. Mit Recht. Die Predigt will erbauen. Sie will dem Hörer behilflich sein, seine Sünden und seine Sorgen zu überwinden, den Versuchungen seiner Zeit und seiner Lage zu widerstehen, für Freud und Leid die heilige Weihe, für Thun und Lassen den regelnden Grundsah, für Erkenntniß und Weltanschauung das δος μου που στο 3u geminnen. zu Nun ist zwar Hörer nicht der Einzelne, sondern die Gemeinde, und die Gemeinde hat sowohl um ihrer selbst, als auch um des etwa besonders ins Auge gefaßten Einzelnen willen eine allgemeine Behandlung der vorliegenden speciellen Frage zu fordern; wiederum lernt der Prediger diese allgemeinen Bedürfnisse in ihrer ganzen Größe am besten durch die speciellste Seelsorge, an seiner eigenen Seele, kennen. Dennoch können wir auch für unsere Predigt der allgemeinen Seelsorge nicht entbehren. Vielfach, wohl über den Durchschnitt unserer Gemeinden hinaus, steht es so, daß die Gemeinde nicht zum Pastor kommt, wenn nicht der Pastor vorher zur Gemeinde gekommen ist. Ganz abgesehen von der freilich nicht allzusehr zu unterschäßenden Aeußerlichkeit, daß von vielen Gemeindegliedern dem Pastor auf seinen Hausbesuch der Gegenbesuch in der Kirche gemacht wird die Gemeinde muß ihren Pastor kennen, soll sie anders Vertrauen zu ihm fassen. Sie lernt ihn aber nicht im

« PoprzedniaDalej »