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Schriften, eine arge Vermischung der alten Begriffe und Bilder mit den jüngeren. Dieser Synkretismus sezte sich im Christen

war von jeher das 12. Kapitel der Apokalypse nicht nur wegen seines Inhaltes, sondern auch wegen seiner Verbindung mit c. 11. Nach dem Urtheil der rationalen Kritik ist c. XII an XI schlecht angefügt, weil man nach 1119 das Endgericht und den siegreichen Eintritt des Gottesreiches erwarte. Statt dessen wird c. XII erst die Geburt des Messias geschildert. Daß nun aber dennoch beide Stücke, die Zerstörung Jerusalems in XI und die Messiasgeburt in XII, zusammengehören, dies zu beweisen hat Vis cher einen. energischen Versuch gemacht. Von seinen Gründen ist aber gerade derjenige der schwerwiegendste, welcher auf die jüdische Gedankenwelt, auf die Talmudstelle zurückgeht, wonach der Messias an dem Tage geboren wird, wo der Tempel der Zerstörung anheimfällt. Ebenso ist es ein Argument von positiver Beweiskraft, wenn Spitta, wie schon Andere vor ihm, den Schluß von c. XI, wo die Bundeslade im Himmel erscheint, mit c. XII darum verbindet, weil die jüdische Tradition aussagt, daß die dem nacherilischen Tempel fehlende Bundeslade zur Zeit des Auftretens des Messias wieder sichtbar wird. Das sind werthvolle Beobachtungen, welche zur Entscheidung mehr beitragen, als der Nachweis der Correktheit und Harmonie der Glieder und Anderes der Art. Das Vischer'sche Argument namentlich behält seinen Werth auch dann, wenn man, wie Spitta, dafür hält, daß c. XI im Uebrigen einer anderen Quelle angehört als XII. Denn dann bleibt immer noch die Frage, warum doch zur guten Leßt, wenn auch erst durch den Redactor, die verschiedenen Quellen so verbunden worden sind, daß die Zerstörung Jerusalems und die Messiasgeburt nach einander zu stehen kamen. So lange dies nicht erkannt ist, ist eigentlich die Arbeit nur zur Hälfte gethan, ja gerade der positive Theil der Kritik versäumt. Allerdings wäre Vischer's Argument überzeugender geworden, wenn er noch tiefer in die altjüdische Denkweise eingedrungen wäre und den eigentlichen Grund dieser Verknüpfung von Messiasgeburt und Tempelzerstörung in den Rabbinen beigebracht hätte. Dieser Grund ist aber damit noch nicht angegeben, daß die Geburt des Retters ganz natürlich auf den Höhepunkt der Noth angesezt werde. Hier hilft wiederum nicht rationale oder Konjektural-Kritik, sondern nur specifisch historische Information. Der Zusammenhang dürfte sich erklären durch eine metonymische Fassung des Terminus technicus „die Wehen des Messias“ bei den Rabbinen, vgl. Mid. R. Lament. 16. Zu diesen Wehen rechnete man in erster Linie die Verheerung Jerusalems. Wurde nun der Ausdruck „die Wehen“ urgirt und in eigentlichem Sinn als die Schmerzen, welche die Geburt des Messias herbeiführen, gefaßt, so folgerte man naturgemäß daraus, daß die Zeit der Zerstörung, da diese Wehen ihren höchsten Graz erreichen, auch den Messias hervorZeitschrift für Theologie und Kirche, 4. Jahrg. 3. Heft.

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thum fort, und erhielt daselbst noch neue Nahrung durch die Aufnahme christlicher Vorstellungen. Ueberhaupt sind die Verfasser der Apokalypsen keine Theologen, denen daran läge, Ideen korrekt zu entwickeln, sondern Prediger, welche Hoffnungen erwecken, Furcht verbreiten wollten. Wer nur Empfindungen und starke Eindrücke wach zu rufen sucht, dem ist alles willkommen, was dazu dient: Bilder in bunter Mischung, grelle Farben, alles was die Phantasie erregt, unbekümmert um die logische Verbindung und Klarheit der Ideen, welche vielmehr monoton wirkt. Es scheint fast als sollte auf litterarisch-apokalyptischem Gebiete die Weissagung in Erfüllung gehen, welche einst in der Prophetenzeit für die messianische Aera ergangen ward, daß dann die Wölfe mit den Lämmern und den jungen Löwen zusammenwohnen werden. Apokalypse 5 5 heißt der Messias, fast in einem Athemzug, ó λéwv ó èx loúda, ἀρνίον εσφαγμένον, ἡ ῥίζα Δαυίδ. Bas liegt an der armonie dieser Begriffe untereinander, wenn nur die Häufung der Prädikate den Eindruck von der Erhabenheit des Messias recht einschärft?

Man hat die Hypothese von der jüdischen Grundschrift darum so einleuchtend gefunden, weil dann fast die ganze Anschauungswelt des Buches jüdischen Stempel trägt, und der christliche Redaktor sich in seiner Arbeit, dem Judenthum gegenüber, sehr konservativ gezeigt hätte. Allein dieser Vorzug hat eine bedenkliche Kehrseite. Wie durfte jemand der christlichen Gemeinde solch ein jüdisches Erzeugniß bieten? Hätte sie es dazu noch unbeanstandet hingenommen, wären das nicht starke Beweise dafür, daß es ein sehr abgeblaßtes konservativ jüdisches Christenthum gegeben hat? Dann aber wird's fraglich, ob die ganze Apokalypse nicht aus dieser judaistisch-christlichen Umgebung hervorgegangen, ob also ihr Inhalt nicht doch von Haus aus christlich ist, d. h. eben von jenem ursprünglichen jüdisch orientirten Christenthum herrührt. Wo ist dann überhaupt eine scharfe Grenze zwischen jüdibringen würde. So kamen die Verwüstung Jerusalems und die Messiasgeburt in einem geheimnißvollen, darum aber den Rabbinen imponirenden Doppelbund zu stehen. Das ist eine sehr baroke, aber ächt rabbinische Ausdeutung eines Wortes, vgl. auch Apok., Esra 16 39. Aehnlich wie die in Rede stehende dürften sich noch andere scheinbare Ungereimtheiten der Apokalypse lösen lassen.

scher und christlicher Eschatologie zu ziehen? Wo ein Recht zu meinen, daß nach Streichung einiger evident christlicher Ausdrücke, wie άpvrov, λóros eine rein jüdische Composition zurückbleibt? Auch nach den stärksten Abzügen muß immer noch gezweifelt werden, ob das Residuum nicht doch noch christlichen Ursprunges ist?

Man hat auch für die Hypothese der jüdischen Grundschrift die Analogie der zahlreichen andern jüdischen Apokalypsen, welche von Christen gelesen und bearbeitet wurden, wie die Apokalypse Esra, die XII Testamente u. s. w. angeführt. Aber diese Schriften behielten auch nach ihrer Ueberarbeitung den jüdischen Verfassernamen, und gerade nur in dieser Eigenschaft als vermeintlich altjüdische, auf das Christenthum hinweisende Urkunden, dienten sie der Gemeinde als Waffen gegen das Judenthum. Wie sollte aber eine mit christlichem Verfassernamen ausgerüstete Schrift dazu brauchbar gewesen sein? Und wo ist zu sehen, daß ein jüdisches Werk in der christlichen Kirche so eingebürgert, und mit einem christlichen, sogar des Apostel Johannes Namen versehen worden wäre? Die Analogie, welche man aus der Baruchapokalypse angeführt hat, (daß nämlich ein darin vorkommender Ausspruch über das Millenium von den Kirchenvätern auf Jesus selbst übertragen wird) trifft nicht zu, weil es sich da gar nicht um Christianifirung einer ganzen Schrift handelt. Daß der präeristirende Christus die Verfasser der heiligen Schriften des Judenthums inspirirt, ja sogar selbst der Redende ist, war eine in der Urkirche verbreitete Vorstellung. Mehr wollen gewiß auch die Väter mit diesem Citat aus Baruch nicht sagen. Da endlich Frenäus die Baruchapokalypse als Quelle seines Citates nicht nennt, so steht es noch gar nicht fest, daß er es aus dieser jüdischen Schrift entnommen habe. Hingegen begreift sich die Aufnahme der Apokalypse in den christlichen Kanon, sobald nur die Grundlage derselben, sei es nun c. 1-10, sei es 1—7, aus christlicher Feder geflossen ist, wie sich auch die Abneigung, der sie bis ins erste Jahrhundert begegnete, aus der jüdischen Färbung der späteren Stücke leicht erklären läßt.

Aber, wird man noch einwenden, so bleibt nichts destoweniger die mißliebige Thatsache zurück, daß ein, wenn auch nicht ursprünglich jüdisches, so doch mit jüdischen Zuthaten vermehrtes Buch im

N. T. steht! Verliert dieses Buch nicht an Werth für die christliche Gemeinde? Darf der christliche Prediger fortan noch Gebrauch davon machen im christlichen Gottesdienst? Ueber diesen für den praktischen Geistlichen, wie ich gern anerkenne, hochwichtigen Punkt wird man sich beruhigen dürfen. Der Pfarrer wird nach wie vor zum Trost und zur Aufmunterung seiner Gemeinde mit der Offenbarung ausrufen können: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben" oder: „Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an", oder: Welche ich lieb habe, die strafe und züchtige ich“ und so manches andere, was seinem christlichen Gemüthe zusagt, wird er anstandslos auf die Kanzel bringen dürfen. Denn in allen diesen Versen wird auch die Kritik allezeit ächtes, christliches Gut erkennen. Wer sich die Mühe geben wollte, die gedruckten Predigten über die Apokalypse zu durchmustern, der würde zu sehen bekommen, daß die christlichen Prediger aller Zeiten gleichsam instinktiv die von der heutigen Kritik als christlich anerkannten Stellen zu ihren Texten ausgewählt haben. Sollten aber die heutigen Kanzelredner sich nicht mehr dieselbe Sicherheit in der Auswahl zutrauen, so wäre ja gerade das Studium der modernen Quellenscheidungsversuche ein probates Mittel, ihnen dieses Geschäft zu erleichtern. Die berüchtigte theologische Kritik, der man oft nicht mit Unrecht vorwirst, daß sie die Geister verwirre, fönnte demgemäß auch einmal zur Erbauung der Kirche beitragen. Uebrigens ist oft die schärfste Kritik nur ein Zeichen des höchsten Respectes vor dem fritisirten Gegenstand. Bedenkt man, daß die Apokalypse zum Schluß die schwersten Drohungen ausspricht gegen Diejenigen, welche etwas zu diesem Buche hinzufügen oder davon nehmen, so könnte es allerdings wie eine Ironie auf diese Worte aussehen, daß gerade diese Schrift sich heute von Seiten der Kritik so schmerzliche chirurgische Operationen gefallen lassen muß. Allein die angestrengten Versuche der Wissenschaft, in dieses Buch einzudringen, sind auch der beste Beweis für die Lebensfülle, die in demselben steckt. Es gibt viele todte Bücher, von welchen Niemand etwas wegnimmt, zu welchen Niemand etwas hinzufügt. In den staubigen Bibliotheken schlafen sie eines ewigen Schlafes. Sie sind lebendig begraben. Umgekehrt sind es oft die hart angefochtenen und mißhandelten Schriften, welche der Unsterblichkeit angehören.

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Ergebnisse des Streites um das Apostolikum.

Von

W. Herrmann.

Mit Vielen habe ich es seinerzeit beklagt, daß Harnack durch die Veröffentlichung seiner Antwort an die Studenten unsern Gegnern die willkommene Gelegenheit gab, mit einem Schein von Recht die Pietät der Gemeindeorthodoxie gegen uns zu erregen. Wir dachten daran, wie leicht die Anhänglichkeit an das liturgisch Befestigte zu blinder Leidenschaft werden kann. Die Ausbrüche dieser Leidenschaft haben wir denn auch reichlich erlebt. Wir haben sie sehr bedauert. Denn Viele, die dabei mitthaten, haben zwar nicht uns, aber sich verwundet und werden das schmerzlich empfinden, wenn sie aus ihrer jetzigen Verwirrung zu geordneten geistigen Verhältnissen zurückkehren werden. Troßdem freue ich mich jetzt über den Segen, den diese Stürme der evangelischen Kirche gebracht haben. Unsere Gegner reden sehr verschieden über den Erfolg ihrer Bemühungen. Bisweilen wird verkündigt, daß wir kläglich gescheitert seien, wie auf der letzten Augustkonferenz in Berlin. An anderer Stelle wieder herrschte eine so gedrückte Stimmung, daß man die von uns ausgehende Verführung für übermächtig erklärte und behauptete, es ließen sich wohl christlich gesinnte Juristen und Mediziner gegen uns schüßen, die jungen Theologen dagegen gingen mit uns. Wahrscheinlich ist in beiden Fällen stark übertrieben. Aber diese Frage soll uns wenig kümmern. Wir stellen es Gott anheim, ob er seine Sache schnell oder langsam zum Siege führen will. Viel wichtiger ist für uns, ob

Zeitschrift für Theologie und Kirche, 4. Jahrg., 4. Heft.

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