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18. Apoc. 13 und 17), die Vorstellung, daß vor der Parusie des Messias der Antichrist als Personification heidnischer Gottlosigkeit und Bosheit auftreten werde, durch welchen die Ungläubigen zur Strafe für ihre Mißachtung der Wahrheit in schweren Trug verstrickt werden würden (2. Th. 2, 3-12). Dieses Auftreten des Antichrists dachte er wiederum bedingt durch eine große politische Katastrophe. Denn unter dem zur Zeit noch vorhandenen Hemmniß der Offenbarung des Antichrists, welches er theils neutrisch als „das Zurückhaltende", theils masculinisch als „den Zurückhaltenden" bezeichnet (V. 6 f.), scheint er das römische Kaiserthum bezw. den römischen Kaiser verstanden zu haben. Die Beseitigung der mächtigen politischen Institution der römischen Reichsordnung, von deren Werth zur Eindämmung der Unsittlichkeit und der Feindschaft gegen das Evangelium er bei seiner Missionswirksamkeit einen lebhaften Eindruck empfing (vgl. Röm. 13, 1—6), erschien ihm als nothwendige Vorbedingung für die potenzirte Erscheinung der Irreligiosität und Immoralität des Antichrists 1).

1) Mir scheinen die Aeußerungen in 2. Th. 2 über den Antichrist keine Momente zu enthalten, die mit der Herkunft des Briefes von Paulus unvereinbar wären. Ich muß insbesondere gegenüber P. W. Schmiedel, HandCommentar z. N. Test. 2. Aufl. II, S. 41 ff., daran festhalten, daß es nicht berechtigt ist, 2. Th. 2 nach Analogie von Apoc. 13 u 17 auszudeuten, daß man vielmehr die sehr bemerkenswerthe Differenz zwischen diesen beiden Erörterungen als Anzeichen der Zugehörigkeit von 2. Thess. 2 zu einer viel früheren Zeitlage als Apoc. 13 u. 17 würdigen muß. Der Apokalyptiker weiß ganz genau, wer „das Thier“ ist; er nennt den Namen nicht direct, bezeichnet ihn aber indirect mit möglichster Deutlichkeit. In 2. Thess. 2 dagegen wird durchaus nicht gesagt, wer der Antichrist sein wird, sondern nur, von welcher Art sein Wesen und Wirken sein wird. Wenn es in V. 7 heißt, daß „das Geheimniß der Ungeseßlichkeit“ schon wirksam sei, so ist hiermit doch nur gesagt, daß das Wesen des Antichristenthums, nämlich eben die heidnische Auflehnung gegen das göttliche Gesez, im Verborgenen, noch in Schranken gehalten durch die staatliche Ordnung, schon in der Gegenwart sich bethätigt. Seine persönliche Verkörperung und offene, ungehemmte Wirksamkeit aber in dem einen Antichristen steht noch aus, und es wird durch keinerlei Andeutung verrathen, daß doch schon eine genauere Bestimmung dieser Persönlichkeit des Antichrists möglich sei. In der Apoc. ist „das Thier“ ein römischer Kaiser, und Rom selbst, das „große Babylon“, ist „die Mutter der Huren und der Greuel der Erde, trunken Zeitschrift für Theologie und Kirche, 4. Jahrg. 1. Heft.

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3. Die zum messianischen Heilszustande gehörende menschliche Rechtbeschaffenheit.

Denselben principiellen Einklang zwischen Jesus und Paulus, den wir hinsichtlich der Anschauung von dem Wesen des messianischen Heiles beobachten, haben wir auch hinsichtlich der Anschauung von der zu diesem Heilszustande gehörenden „Gerechtigkeit“ anzuerkennen. Es handelt sich hier für uns nicht um die ideelle Gerechtigkeit, die nach paulinischer Anschauung Gott aus Gnaden den Glaubenden zuerkennt, sondern um die reale Gerechtigkeit, welche die zum Messias gehörigen Menschen leisten müssen. Und es handelt sich nicht um die sittliche Bedingtheit der Theilnahme am messianischen Heilszustande wir werden später hinsichtlich dieses Punktes

vom Blute der Heiligen" (17, 5f.). In 2. Th. 2 dagegen erscheint, ebenso wie in Röm. 13, das römische Kaiserthum als eine göttliche Ordnung zur Eindämmung des Bösen, und speciell auch des Antichristenthums; nichts weist hier auf einen Zusammenhang des Antichristenthums mit Rom hin. Der Umstand, daß Paulus in seinen anderen Briefen nicht vom Antichristen redet, zeugt nicht entscheidend gegen die paulinische Authentie von 2. Th. 2. Sonst würde auch das Fehlen der Vorstellung von dem endlichen Hinzukommen ganz Israels zum Heile in den übrigen paulinischen Briefen gegen die paulinische Authentie von Röm. 11 zeugen. Daß die Vorstellung von dem nothwendigen Vorangehen des Antichrists vor der Parusie in einem gewissen Widerspruch steht zu der Vorstellung von der überraschenden Plötzlichkeit des Eintritts der Parusie (1. Th. 5, 2f.), ist nicht zu verkennen. Doch darf man diesen Widerspruch auch nicht zu schroff darstellen. Entstanden ist derselbe daraus, daß Paulus seine eschatologische Anschauung nicht auf Grund eigener Speculation ausbildete, sondern die Elemente zu ihr theils aus den überlieferten Worten Jesu, theils aus der jüdischen Apokalyptik übernahm, während diese Elemente doch nicht alle genau zu einander paßten. Der Widerspruch ist hier aber auch nicht größer, als in mannigfachen anderen Punkten der Lehre des Paulus, wo sich in ähnlicher Weise Einflüsse verschiedener Herkunft wirksam zeigen. An der Stelle 1. Th. 5, 2—4 ist der Unterschied zwischen der dritten Person Pluralis in V. 3 und dem nachdrücklich gegenübergestellten opsis dé in V. 4 zu beachten. Absolut überraschend tritt der Tag der Parusie für die N ich tchristen ein, nicht ebenso für die Christen, wenngleich er auch für diese unberechenbar bleibt (V. 1f.). Die Erkenntniß, daß vorher noch der Antichrist auftreten muß (bezw. nach Röm. 11, daß vorher noch ganz Israel zum christlichen Glauben kommen wird), macht diesen Tag doch nicht einfach berechenbar. Ueber die Dauer der Periode des Antichrists prätendirt Paulus auch in 2. Th. 2 kein Wissen.

eine bemerkenswerthe Differenz zwischen Jesus und Paulus festzustellen haben -; sondern es handelt sich allein um die religiössittliche Beschaffenheit, welche unmittelbar zum Wesen des messianischen Heilszustandes gehört.

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Schon für die alttestamentliche Prophetie stand es fest, daß in der erwarteten Endzeit den Heilserweisungen Gottes an sein Volk eine rechte fromme Beschaffenheit des Volkes entsprechen würde. So ist auch bei Jesus und bei Paulus die Verkündigung von dem jezt zur Verwirklichung gelangenden messianischen Heile Hand in Hand gegangen mit ernsten Ermahnungen zu dem von Gott geforderten rechten Verhalten. Auch für Paulus gehörte zu dem Begriffe des Reiches Gottes" als wesentliches Moment die vollendete sittlich-religiöse Beschaffenheit der Reichsgenossen (1. Cor. 4, 20. Röm. 14, 17). Die von ihm verkündigte gnadenmäßige Gerechtsprechung der Glaubenden um Christi willen dient nach seinem Bewußtsein nicht dazu, den Menschen im Sündigen zu bestärken, sondern sie zweckt vielmehr darauf ab, daß er sich ganz in den Dienst Gottes stellt, um kraft des ihm gnadenmäßig verliehenen Gottesgeistes die Forderungen Gottes recht zu erfüllen (Gal. 2, 17-19. Röm. 6, 1-23; 8, 4). Dem Gleichnisse Jesu vom Hochzeitsmahle, von dem der Gast ausgeschlossen ward, der kein hochzeitlich Kleid anhatte (Mt. 22, 11–14), entsprechen die bildlichen Worte des Paulus, daß die Christen, denen „der Tag", der Zeitpunkt der künftigen Heilsvollendung, nahe ist und die schon jezt nicht mehr zur Nacht und Finsterniß gehören, sondern Kinder des Lichtes und des Tages sind, auch dem Tage gemäß wandeln, die Werke der Finsterniß ablegen und die Waffen des Lichtes anlegen sollen (1. Th. 5, 4—10. Röm. 13, 11–14). Wie Jesus aus seiner Vorstellung von dem sittlichen Vaterwesen Gottes die Folgerung zog, daß die Menschen, die Gottes Kinder werden sollen, in ihrem sittlichen Verhalten Gott gleich werden müssen (Mt. 5, 45—48), ebenso ergab sich für Paulus aus seiner Vorstellung von dem sittlichen Wesen Gottes die Gewißheit, daß der Zustand des Gottgemeibtjeins, δεῖ ἁγιασμός υδεr δεν ἁγιωσύνη, ein Buftans rechter Gerechtigkeit, frei von aller sittlichen Beflecktheit, sein müsse (1. Th. 4, 3—7. 2. Cor. 6, 14–7, 1. Röm. 6, 16—22).

Wie haben sich nun aber die Vorstellungen Jesu und des Paulus von dem Inhalte dieser zum messianischen Heilszustande gehörenden Gerechtigkeit zu einander verhalten?

„Gerechtigkeit" ist nach alttestamentlicher Auffassung normgemäße Beschaffenheit. Die Norm aber, nach welcher sich die Beschaffenheit des Menschen richten muß, ist der offenbarte Wille Gottes, das göttliche Gesetz. Ebenso bestimmt, wie für Jesus galt, daß er das Gesetz nicht auflöse, sondern daß es im Reiche Gottes gerade auf die genaueste Erfüllung des Gesetzes ankomme (Mt. 5, 17-20), ebenso bestimmt galt für Paulus, trok seiner Gewißheit von dem Aufgehobensein des Gesetzes als gesetzlichrechtlicher Ordnung des Heilsgewinnes (Röm. 10, 4), daß das Gesetz in dem allgemeinen Sinne der Forderungen Gottes mit Bezug auf das Verhalten der Menschen auch für die Christen fortdauernden Bestand habe und gerade von ihnen vollkommen erfüllt werden solle (Röm. 3, 31; 8, 4). Hatte nun aber dieses zu erfüllende „Gesetz“ für das Bewußtsein des Paulus denselben Umfang und Inhalt wie für das Bewußtsein Jesu?

Nach Jesu Anschauung ist das Gesez, dessen genaueste Erfüllung den Genossen des Reiches Gottes obliegt, nicht einfach das mosaische Gesez in seinem ganzen überlieferten Bestande, sondern das von ihm selbst vollgemachte", d. h. zu vollendetem, seiner Idee ganz entsprechendem Ausdrucke gebrachte Gesetz (Mt. 5, 17). Und er wußte, daß er nicht durch bloßes Anflicken einzelner neuer Zuthaten zu dem alten Bestande das feste, geschlossene Ganze der Gerechtigkeit herstellen konnte, dessen es bedurfte (Mc. 2, 21 f.). Thatsächlich fand er in seiner Erkenntniß des rein geistig-ethischen Wesens Gottes, die ihm offenbarungsmäßig gewiß war und die er in seinem regelmäßigen Gebrauche des Vaternamens für Gott kund gab, das feste, einheitliche Princip zum Urtheile darüber, welches die wahrhaften Forderungen Gottes an die Menschen seien und welche der überlieferten Gebote den eigentlichen Willen Gottes nicht zum rechten Ausdruck brächten. Aus diesem Princip ergab sich ihm, daß Gott nicht um seiner selbst willen bestimmte äußere Formen der Verehrung, äußere Zustände, Handlungen oder Enthaltungen begehrte, wie sie einer beschränkt naturhaft vorgestellten

Gottheit angemessen erschienen, sondern daß er als eigentliches Wesen der ihm gebührenden Verehrung nur das vertrauensvolle Gebet des Herzens forderte (Mc. 11, 17. Mt. 6, 6. Lc. 11, 1—10)1), daneben aber gemäß seinem eigenen Liebeswillen eine intensive Liebesgesinnung der Menschen gegen einander (Mt. 5, 45—48). Demgemäß bezeichnete er die Forderung, daß man in zuvorkommender Liebe die Bedürfnisse anderer Menschen nach Analogie der eigenen Bedürfnisse erkenne und befriedige, als Inhalt von „Gesetz und Propheten“ (Mt. 7, 12), stellte er das Gebot der Liebe zum Nächsten zusammen mit dem Gebote der Liebe zu Gott als das Hauptgebot hin (Mc. 12, 29-31) und erklärte er, in schroffem Gegen= sahe zu der pharisäischen Auffassung, die Erfüllung der Liebespflicht für dringlicher und werthvoller als die correcte Erfüllung der Cultuspflichten (Mc. 3, 1-5. Mt. 12, 5—7). Zugleich aber erschloß sich ihm, von demselben Grundprincip aus, ein deutliches Bewußtsein der inneren Freiheit den Ordnungen des jüdischen Ceremonialgesetzes gegenüber (Mc. 2, 28. Mt. 17, 25 f.) Wenngleich er mit seinen Jüngern sich im Allgemeinen diesen Ordnungen fügte, so war er sich doch seines Rechtes zur Kritik ihrer Mängel deutlich bewußt. Sein Grundsah, daß nichts, was von außen her an den Menschen herankommt, sondern nur das, was aus ihm, nämlich aus seiner inneren Gesinnung, herauskommt, ihn vor Gott profan machen kann (Mc. 7, 15-23), ist eine Erklärung der principiellen Werthlosigkeit aller levitischen Reinheitsgesehe, die einen so großen Bestandtheil der Gesetzgebung im Pentateuch ausmachten und auf die Gestaltung der praktischen Frömmigkeit der Juden zur Zeit Jesu von erheblichstem Einflusse waren. Und durch seinen Grundsah, daß der Sabbath um des Menschen willen und nicht der Mensch um des Sabbaths willen geworden sei (Mc. 2, 27), hat er der Einhaltung der Sabbathordnung einen nur relativen Werth zugeschrieben im Gegensahe zu dem absoluten Werthe, der ihr nach dem Sinne der alttestamentlichen Gesetzgebung und der jüdisch-pharisäischen Auffassung zukam.

Auch nach der Anschauung des Paulus hat das Gesetz,

1) Vgl. Joh. 4, 21–24.

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